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Maßnahme zahnloser Tiger? Warum sich trotz kostenpflichtiger Coronatests nicht mehr Menschen im Saalekreis impfen lassen

Seit 11. Oktober kosten Schnelltests Geld. Der Staat will so mehr Leute zum Impfen bewegen. Doch das funktioniert in der hiesigen Region offenbar nicht.

Von Laura Nobel und Robert Briest Aktualisiert: 28.10.2021, 12:57
Impfung gegen das Coronavirus
Impfung gegen das Coronavirus Foto: Oliver Berg/dpa

Merseburg/Barnstädt/MZ - „Kostenpflichtige Tests werden dazu führen, dass sich sehr viele noch impfen lassen, weil sie eine regelmäßige Testung vermeiden wollen“, prophezeite der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang Oktober.

„Seit dem 11. Oktober hat sich die Nachfrage an Erstimpfungen leicht erhöht“

Während im Land vielerorts in Restaurants oder bei Veranstaltungen mittlerweile 3G-Regeln gelten, hat der Staat die Möglichkeit für Ungeimpfte sich unentgeltlich einem Schnelltest auf Corona zu unterziehen seit dem 11. Oktober abgeschafft. Das Ziel, neben der Einsparung von Steuergeld, haben die Verantwortlichen klar artikuliert: durch die Kosten Druck auf bisher Ungeimpfte aufzubauen, doch noch ihre Meinung zu ändern.

Doch funktioniert das? Zumindest das Gesundheitsamt Saalekreis sagt: „Seit dem 11. Oktober hat sich die Nachfrage an Erstimpfungen leicht erhöht.“ Alle bisherigen Impfaktionen und mobilen Impfangebote des Kreises seien gut angenommen worden. Seit Ende September im Saalekreis, wie überall im Land, das zentrale Impfzentrum geschlossen hat, liegt die Hauptverantwortung für die Impfkampagne allerdings bei den Hausärzten.

Kein signifikanter Anstieg der Impfquote nach Wegfall der Impfzentren und kostenlosen Testmöglichkeiten

Dagmar Duscha, Medizinerin in Barnstädt und Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung im Bereich Querfurt, bemerkt bisher keinen spürbaren Effekt durch die kostenpflichtigen Tests. In ihrer Praxis werde kontinuierlich geimpft. „Wir verzeichnen jetzt aber keine größere Nachfrage“, berichtet Duscha: „Der Druck auf Ungeimpfte ist vielleicht ein bisschen größer geworden, aber das erreicht noch nicht alle.“

Viele überreden wir auch, erklären, warum es wichtig ist, sich impfen zu lassen“

Dagmar Duscha, Medizinerin in Barnstädt.

Das Sozialministerium des Landes folgt Duschas Einschätzung. Nach dem Wegfall der Impfzentren und der kostenlosen Testmöglichkeiten sei „kein signifikanter Anstieg der Impfquote zu verzeichnen“, heißt es aus Magdeburg. Im Gegenteil: „Beim wöchentlichen Aufwuchs an Erstimpfungen ist ein deutliches Abflachen in den vergangenen drei Wochen erkennbar.“

Kostenpflicht für Schnelltests in Kombination mit 3G-Regeln führt nicht zu hohere Impfquote

Den größten Zuwachs bei der Impfquote, um etwa einen Prozentpunkt pro Woche, gäbe es noch bei den Zwölf- bis 17-Jährigen. Das Impfangebot bestehe allerdings auch noch nicht so lange wie für die erwachsene Bevölkerung. Ihre Impfquote liegt daher deutlich unter den 62,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Lediglich ein Viertel der Jugendlichen in Sachsen-Anhalt sind bisher vollständig geimpft. Die Zwölf- bis 17-Jährigen müssen bis Jahresende nicht für freiwillige Tests zahlen. Die Pflichttests in Schulen bleiben kostenlos.

Die allgemeine Kostenpflicht für Schnelltests in Kombination mit 3G-Regeln scheint sich in der Region bisher also insgesamt als stumpfes Schwert der Pandemiebekämpfung zu erweisen. Sollte der Kostendruck dazu führen, dass sich als Reaktion nun weniger Menschen testen lassen, mehr Infektionen also unentdeckt bleiben, wäre es für diese wohl gar kontraproduktiv. Wie hat sich also die Nachfrage in den Testzentren entwickelt? „Bei uns ist die Nachfrage stark eingebrochen“, sagt Murat Oktay.

Vorher kamen mehr Menschen und haben sich testen lassen

Er ist Geschäftsführer der Spielhalle „Fit Play“, die eine Teststation in Merseburg betreibt. Inzwischen kämen vor allem noch Kunden, die ein negatives Testergebnis aus beruflichen Gründen benötigen, wie etwa Lkw-Fahrer, die die Landesgrenze überschreiten. Vergangene Woche waren auch noch einige Kunden da, die den Test für den Urlaub brauchten.

„Man merkt jetzt aber, dass die Urlaubssaison langsam vorbei ist.“ Bevor die Tests kostenpflichtig geworden sind, seien viele Kunden gekommen, die sich präventiv ein- bis zweimal die Woche auf das Coronavirus getestet haben. „Das gibt es jetzt nicht mehr“, sagt Oktay, der 15 Euro pro Test verlangt. Das Angebot möchte er trotzdem weiter aufrechterhalten. „Unser Personal ist eh vor Ort. Das ist für uns kein Mehraufwand.“

Gemischtes Bild bei kostenpflichtigen Coronatests

In anderen Teststationen hat die Nachfrage nicht so extrem abgenommen. „Es ist zwar etwas weniger geworden, aber wir haben noch immer gut zu tun“, berichtet Nicole Mühlbach über das Testzentrum der Tages- und Kurzzeitpflege in Braunsbedra. Krankenhausbesuche seien ein häufiger Grund, weshalb sich die Menschen kostenpflichtig testen lassen - 23,80 Euro kostet der Nachweis in Braunsbedra.

Es ist ruhiger geworden, aber die Leute kommen noch.

Eva Sawatzke, Teststation-Betreiberin in Günthersdorf.

In einem Kosmetikstudio in Günthersdorf ist der Test mit 14,30 Euro vergleichsweise günstig. In der Löwen-Apotheke in Schraplau, wo man 18.95 Euro für den Nachweis zahlt, sei die Nachfrage sogar noch genauso hoch wie vorher, sagt Mitarbeiterin Carolin Herrmann. Die Kunden seien etwa zur Hälfte Personen, die von der Testpflicht ausgenommen sind, vor allem Kinder. „Es kommen aber ebenso Erwachsene, die den Test zum Beispiel für ihren Urlaub oder einen Krankenhausbesuch benötigen.“