Stromspeicher in der Tiefe Stromspeicher in der Tiefe: Energiepark in Bad Lauchstädt soll Energiewende retten

Bad Lauchstädt - Glänzende Rohre und ein paar schmucklose Verdichterstationen: Am Erdgasspeicher in Bad Lauchstädt (Saalekreis) weist wenig darauf hin, dass dort regelmäßig große „Bauwerke“ errichtet werden. Diese befinden sich in einigen hundert Metern Tiefe. Der Gas-Konzern VNG errichtet durch eine Soleausspülung seit Jahrzehnten riesige Gaskavernen im Untergrund, in denen das Leipziger Völkerschlachtdenkmal spielend hineinpassen würde. Nun plant das Unternehmen mit Partnern am Standort eines der größten Energieprojekte Mitteldeutschlands. Für 100 Millionen Euro soll ein Energiepark entstehen, der helfen soll, eines der größten Probleme der Energiewende zu lösen.
Die Erneuerbaren Energien sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Im Jahr 2018 hatten sie einen Anteil am Strommix von 33 Prozent. Im ersten Halbjahr dieses Jahres waren es laut Fraunhofer sogar 47 Prozent. Das heißt, fast die Hälfte des Stroms stammt bereits aus Öko-Strom-Anlagen.
Das Problem: Wind und Sonne liefern nur unregelmäßig Energie. Als größere Strom-Speicher stehen bisher nur Pumpspeicherwerke in den Mittelgebirgen zur Verfügung. „Unser Ziel ist es, Windstrom in großem Umfang speicherbar zu machen“, sagt Projektleiter Kay Okon von VNG Gasspeicher. Die Technologie dahinter heißt Power-to-Gas. Strom wird dazu in Wasserstoff umgewandelt, der sich besser speichern lässt. Die Technik ist bereits erprobt. „Wir wollen nun erstmals unter realen Bedingungen die Herstellung, die Speicherung und den wirtschaftlichen Einsatz von grünem Wasserstoff untersuchen“, sagt Okon.
VNG will in Bad Lauchstädt erstmals Wasserstoff speichern
Und so soll der Energiepark nach Angaben des Projektleiters aussehen: Den Strom sollen neun bis zu 160 Meter hohe Windräder mit einer Leistung von insgesamt 40 Megawatt erzeugen. „Mittels einer Großelektrolyse-Anlage wird dieser zu grünem Wasserstoff umgewandelt.“ Dabei wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Von solchen Anlagen gibt es nach Experteneinschätzung bereits 30 in Deutschland.
VNG will jedoch erstmals den Wasserstoff großtechnisch in Salzkavernen speichern. Dazu wird das Gas unter hohem Druck in den unterirdischen Speicher geleitet. Es wäre die erste Wasserstoff-Kaverne Europas. Technisch sieht Okon für das Projekt keine unüberwindbaren Hürden: „Bei dem Prozess kommt der Wasserstoff nicht mit Sauerstoff aus der Luft in Berührung.“
Das sei wie bei der Erdgasspeicherung, die seit Jahrzehnten sehr sicher und zuverlässig ablaufe. Der gespeicherte Wasserstoff soll anschließend über eine bestehende Pipeline an die Chemieindustrie in der Region geliefert werden. Die große Herausforderung für die Ingenieure besteht darin, den Prozess wirtschaftlich zu gestalten.
Preis für aus Windstrom erzeugtem Wasserstoff soll deutlich sinken
Bisher wird Wasserstoff für die Chemie-Industrie aus Erdgas erzeugt - es wird auch von grauem Wasserstoff gesprochen. Aus Windstrom erzeugter Wasserstoff ist heute aber noch dreimal teurer. „Wir wollen den Preis deutlich senken“, sagt Okon. Doch ohne Förderung lässt sich das Projekt nicht realisieren. Die Projektteilnehmer, unter anderem das Energieunternehmen Uniper, haben daher beim Bundeswirtschaftsministerium eine Unterstützung beantragt.
Was das Bad-Lauchstädt-Projekt für die Energiewirtschaft so interessant macht: Die Kapazität des Wasserstoffspeichers übertrifft die in Deutschland in Pumpspeicherkraftwerken gepufferte Energie um das Vierfache. Erstmals wäre wirklich ein großer Stromspeicher verfügbar.
Leipzig soll bald zu einem Viertel Strom aus Biogas erhalten
Dass es sich nicht um Science-Fiction handelt, machte VNG-Boss Ulf Heitmüller auf der Bilanzpressekonferenz im Mai deutlich. Heute ist das Unternehmen ein Importeur und Großhändler von russischem und norwegischen Erdgas. Mit seiner Strategie VNG 2030+ hat es sich der Konzern zur Zielstellung gemacht, Erdgas peu a peu zu vergrünen.
Bis 2030 wollen die Leipziger ein Viertel des Absatzes mit Biogas bestreiten. Im Jahr 2050 soll der Konzern großteils kohlendioxidfrei arbeiten. Durch das 7.000 Kilometer lange Leitungsnetz in Ostdeutschland soll dann nicht mehr Erdgas, sondern Biogas und Wasserstoff strömen. Für die Ostdeutschen ist das gar nicht so neu. Aus Kostengründen wurden in der DDR viele Haushalte mit Stadtgas versorgt. Das besteht zur Hälfte aus Wasserstoff, der früher aber aus Kohle gewonnen wurde.
Wird Freisetzung von Kohlendioxid bald teurer?
Auch andere Energiefirmen planen Großprojekte. So wollen die Netzbetreiber Tennet, Gasunie und Thyssengas in mehreren Schritten eine 100 Megawatt große Anlage in Nordwestdeutschland aufbauen.
Doch was nützt die beste Technik, wenn sie am Ende nicht wettbewerbsfähig ist? Okon ist davon überzeugt, dass die Freisetzung des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2 ) künftig teurer wird. „Die Chemie-Industrie hat Interesse, ihre Produkte grüner zu machen“, so Okon. Dafür seien aber dringend andere politische Rahmenbedingungen notwendig.
Ein Geschäftsfeld könnte auch die Automobilbranche werden. Wasserstoff lässt sich wie Benzin an Tankstellen tanken. Joe Kaeser, Vorstandschef von Siemens, sagte vor einigen Tagen bei einem Vortrag an der Uni Halle: „Grüner Wasserstoff hat eine größere Zukunft als Batterien.“ Der japanische Autobauer Toyota hat mit dem Modell Mirai bereits ein Wasserstoff-Auto in Serie.
Anreiz für Speicher fehlt
Technisch ließe sich grüner Wasserstoff auch schnell wieder in Strom umwandeln, wenn dieser gebraucht wird. „Das würde unter heutigen Bedingungen den Strompreis aber deutlich nach oben treiben und ist aktuell kein Thema für uns“, sagt Projektleiter Okon.
Die Technologie hat noch aus einem anderen Grund Chancen, umgesetzt zu werden: Bislang stellte sich für Windkraftanlagen-Betreiber die Frage, ob sie einen Speicher benötigen, nicht. Denn die Windmüller erhalten eine feste Vergütung für ihren Strom - unabhängig von der Nachfrage. Den Betreibern fehlt der Anreiz, in Speicher zu investieren. Doch selbst der Bundesverband Windenergie geht davon aus, dass sich dies mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien ändert. Für Wasserstoff spricht, dass Leitungen und Speicher schon vorhanden sind und nicht erst teuer gebaut werden müssen. (mz)