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Kosten Stromio beendet Stromverträge und lässt Kunden im Saalekreis hängen

Der Energielieferant kündigt unerwartet den Vertrag - dann wird es ungemütlich für den Kunden. Was in dem Fall möglich ist und worauf man achten sollte.

Von Luisa König 11.01.2022, 15:00
Wenn der Stecker gezogen wird und man plötzlich im Dunkeln sitzt, greift die Kundenersatzversorgung ein.
Wenn der Stecker gezogen wird und man plötzlich im Dunkeln sitzt, greift die Kundenersatzversorgung ein. (Foto: Katrin Sieler)

Merseburg/MZ - „Wir werden keine Kunden in der Luft hängen lassen“, beteuert Evelyn Zaruba, Pressesprecherin der EnviaM-Gruppe. Sie spricht von der aktuellen Problematik, dass stark erhöhte Strom- und Gaspreise dazu führen, dass manche Energieversorger ihre Kunden nicht mehr beliefern können. Ist das der Fall, rutschen die Betroffenen automatisch in die Grund- und Ersatzversorgung. Dafür springt der jeweilige Hauptversorger vor Ort ein.

So lief es Ende letzten Jahres bei der Stromio GmbH. Zum 21. Dezember kündigte der Anbieter die Verträge seiner Kunden. „Aufgrund der historisch einmaligen Preisentwicklung sehen wir uns gezwungen, alle Stromlieferverträge zu beenden“, heißt es auf der Internetseite. Die Ereignisse seien nicht vorauszusehen gewesen, so das Unternehmen.

Neukunden haben es schwer

Ähnliche Fälle gibt es bereits seit Oktober letzten Jahres in Halle. Dort sprang die EVH als Grundversorger ein und bietet den fallengelassenen Kunden die gleichen Preise wie den Bestandskunden an. Auch die Stadtwerke Merseburg halten aktuell an ihren Preisen für die Kundenersatzversorgung fest. Wie das jedoch in Zukunft aussehen wird, könne derzeit noch nicht gesagt werden, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Derzeit zahlen die Kunden dort 33,27 Cent je Kilowattstunde.

Ein weiterer Grundversorger im Saalekreis ist das Energieunternehmen EnviaM. Dort sieht die Lage jedoch etwas anders aus. „Im gesamten Verbreitungsgebiet haben wir 19.000 Stromiokunden“, erklärt Evelyn Zaruba. Sie könnten nicht alle in die Kundenersatzversorgung nehmen, weil das dem Unternehmen wirtschaftlich schaden würde. Deshalb sei ein Sondertarif für die Neukunden eingerichtet worden, der an den aktuellen Marktpreisen orientiert sei. Statt den 28,99 Cent je Kilowattstunde in der Kundenersatzversorgung kostet der Sondertarif 54,29 Cent.

Rechtliche Unsicherheiten

„Der regionale Grundversorger ist verpflichtet, in die Bresche zu springen. Fallen jetzt unerwartet viele Kunden in die Ersatzversorgung, kann das dazu führen, dass der Grundversorger zu den stark erhöhten Marktpreisen dazukaufen muss.“, sagt Ute Bernhardt vom Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt. „Müssen die Preise in der Grund- und Ersatzversorgung deshalb neu kalkuliert und erhöht werden, ist das aber nur in dem gesetzlich vorgeschriebenen transparenten Verfahren und in einem sozialverträglichen Umfang zulässig, weil die Grund- und Ersatzversorgungspflicht zur Daseinsvorsorge gehört.“ Aktuell stehe man im rechtlichen Austausch mit dem Energieunternehmen. „Dabei ist es umstritten, ob der Grundversorger, wenn er die Auffangsfunktion wahrnimmt, zwischen Neu- und Bestandskunden unterscheiden darf“, meint die Leiterin des Referats Recht. Die Kunden, die automatisch in die Ersatzversorgung rutschen, verweilen dort erstmal für drei Monate, können aber jederzeit fristlos kündigen. Nach den drei Monaten landen sie automatisch in der Grundversorgung und können dort mit einer Frist von zwei Wochen kündigen. Der Verbraucherschutz rät betroffenen Kunden dennoch dazu, sich bei Bedarf nach einem günstigeren Energielieferanten umzusehen. Es lohne sich auch, nicht nur die gängigen Vergleichsportale zu nutzen, sondern in den direkten Kontakt zu treten. Dadurch, dass die Preise so schwanken, könne man die Kosten nicht so genau vorhersagen. Wenn man einen anderen Anbieter gefunden hat, ist es in manchen Fällen auch möglich, das Einstiegsdatum sechs Wochen vorzuziehen.

Handlungsempfehlungen

Wer zudem gerne rechtlich gegen den alten und auch neuen Versorger vorgehen möchte, könne verschiedene Schreiben vorbereiten. Man müsse jedoch im Hinterkopf haben, dass ein Rechtsverfahren zeitaufwendig ist und das Risiko besteht, in einen Prozess zu gelangen. Doch der Verbraucherschutz ist der Ansicht, dass die Kündigung seitens Stromio unrechtmäßig war, weil Vertragspflichten nicht eingehalten wurden. „Der Kunde, der von seinem ursprünglichen Anbieter vorzeitig gekündigt wurde, kann von diesem Schadensersatz fordern, und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Preis und dem neuen höheren Preis für Belieferung in der Ersatzversorgung oder durch einen anderen neuen Anbieter. Diese Differenz muss bis zu dem Zeitpunkt ersetzt werden, in welchem dem ursprünglichen Anbieter eine ordentliche Kündigung unter Beachtung der vereinbarten Vertragslaufzeiten möglich gewesen wäre“, erklärt Bernhardt.

„Gegebenenfalls kann man auch gegen den Grundversorger einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn man sich als Neukunde benachteiligt fühlt. Dazu sollte der Grundversorger zunächst schriftlich zur Versorgung zu den Preisen für die Bestandskunden aufgefordert werden. Der Schaden besteht hier in der Differenz zu den Bestandskundenpreisen“, sagte Ute Bernhardt. In beiden Fällen sei es zumindest von Vorteil, sich den aktuellen Zählerstand zum Tag des Wechsels aufzuschreiben.