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Silvesternacht 1978 Silvesternacht 1978: Schneemassen sorgten für Ausnahmezustand in Mücheln

Von Diana Dünschel 31.12.2018, 08:00
Im Winter 1978/79 war Walter Drachsler aus Mücheln Produktionsdispatcher im Braunkohlenkombinat Geiseltal. Hier liest er noch einmal in der „Freiheit“ nach, was über den Einsatz an Silvester 1978 geschrieben wurde.
Im Winter 1978/79 war Walter Drachsler aus Mücheln Produktionsdispatcher im Braunkohlenkombinat Geiseltal. Hier liest er noch einmal in der „Freiheit“ nach, was über den Einsatz an Silvester 1978 geschrieben wurde. Peter Wölk

Mücheln - „Der Winter 1978/79 fing an wie jeder andere Winter auch“, erinnert sich Walter Drachsler. Der damals 25-Jährige war Produktionsdispatcher und gehörte zum Stab Produktion des Braunkohlenkombinats Geiseltal unter Produktionsdirektor Willi Teubner. Sein Arbeitsplatz war eine Leitstelle neben der Brikettfabrik Braunsbedra. Er hatte die Versorgung der Chemiekombinate Leuna und Buna, des Mineralölwerks Lützkendorf, der beiden Brikettfabriken Braunsbedra sowie Beuna mit Rohkohle aus dem Tagebau Mücheln und zu einem kleinen Teil auch aus dem Tagebau Roßbach zu koordinieren.

Der Jahreswechsel 1978/79 brachte mit einer Kaltfront zu Schnee noch Eis und Kälte übers Land. Ganze Regionen waren von der Außenwelt abgeschnitten. Es kam zu Stromausfällen und Versorgungsengpässen. Wie haben Sie diese Tage erlebt? Erzählen Sie uns Ihre Geschichte. Sie erreichen uns per Mail: [email protected], wir freuen uns über Ihre Post.

Täglich ging bei dem Müchelner jeweils eine Bestellung von rund 10. 000 Tonnen aus Leuna, 6.000 Tonnen aus Buna, 2.500 Tonnen aus Lützkendorf und 10.000 Tonnen Rohkohle aus den Brikettfabriken ein. Für den Winter gab es einen speziellen Betriebsplan, erinnert sich der heute 65-Jährige. Darin enthalten waren auch Einsatzpläne für die Beschäftigten der eigenen Verwaltung, falls zusätzliche Arbeitskräfte benötigt würden.

Bitterkalte Silversternacht vor 40 Jahren: Bergleute im Geiseltal kämpften gegen Eis und Schnee

Doch zu Schnee kam am Silvestertag 1978 eine Kaltfront. Die Temperaturen stürzten binnen weniger Stunden weit in den Minusbereich. Ein eisiger, stürmischer Wind wehte. Es begann auch für Walter Drachsler ein Ausnahmezustand.

Die Kumpel hatten plötzlich mit mehreren Problemen zu kämpfen. Wie die „Freiheit“ am 2. Januar 1979 berichtet, mussten die Weichen, über die die Kohlezüge rollten, erst von meterhohen Schneewehen befreit und dann auch noch aufgetaut werden. Die Kohle backte an den stählernen Wänden der Waggons an. Die schlossen sich zudem nicht mehr, weil gefrorene Kohleklumpen die Klappen verklemmten. Ein Hilferuf kam zudem vom strategisch wichtigen Bahnhof Frankleben. Zehn Kumpel wurden dorthin abkommandiert.

Ausnahmezustand vor 40 Jahren: Altes russisches MIG-Flugzeug sorgte für heiße Luft

Walter Drachsler kann sich an das neben dem Bunker in Braunsbedra aufgebaute Strahltriebwerk eines ausgedienten russischen MIG-Flugzeugs erinnern, das von oben heiße Luft in die Waggons blies. Und er weiß noch, dass es in Buna eine Auftauhalle für Waggons gab. „Das Dumme war nur, dass es nicht unendlich viele Kohlezüge gab“, sagt er. Der gesamte Fahrplan, der bis auf die Minute ausgetüftelt war, brach zusammen.

Als Produktionsdispatcher war er das Bindeglied zwischen den Tagebauen und den Großabnehmern. Er musste entscheiden, welche Züge zuerst beladen werden. Denn die seien nicht austauschbar gewesen, ist zu erfahren. Nach Leuna und Buna seien jeweils verschiedene Waggons gefahren.

Zwar musste der Müchelner nicht raus in die Kälte. Was die Kumpel damals geleistet haben, kann er dennoch nachvollziehen, weil er wenige Jahre zuvor als Bereitschaftspolizist für ein Vierteljahr in die Braunkohle geschickt wurde, als es dort zu wenige Arbeitskräfte gab.

Wenn die Genossin Kombinatsdirektor Helge Häger an jenem 2. Januar der „Freiheit“ sagte: „Wir haben die Situation im Griff!“, dann kann das Walter Drachsler nur bestätigen. „Nach zwei Tagen hatte sich das eingespielt“, sagt er.

Müchelner und seine Kollegen ließen Silvesterfeier sausen

Wie alle anderen war auch der Müchelner zuvor nicht nach Hause gegangen, sondern hatte eine Schicht drangehängt und auf eine Silvesterfeier verzichtet. „Die Situation war angespannt. Wir hatten alle Hände voll zu tun“, bestätigt er.

Doch jeder habe gewusst, worum es geht, dass die Tagebaugeräte am Laufen gehalten werden mussten und die Weichen ebenso. Der 65-Jährige ist sich rückblickend sicher: „Es kam auch nicht zu größeren Stillständen.“ Die Zeitungsnachricht, dass die Großabnehmer Leuna und Buna mit Kohle versorgt wurden, sei nicht gelogen gewesen. (mz)

So berichtete die „Freiheit“ am 9. Januar 1979
So berichtete die „Freiheit“ am 9. Januar 1979
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