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Linie 5 nach Bad Dürrenberg Linie 5 nach Bad Dürrenberg: Diese Menschen trifft man früh in der "Arbeiterbahn"

Von Robert Briest 26.03.2018, 04:00
Der Fahrer der Linie 5, Rüdiger Galeitzke.
Der Fahrer der Linie 5, Rüdiger Galeitzke. Robert Briest

Halle (Saale)/Bad Dürrenberg - 32 Kilometer windet sich die Pendlerlinie 5 durch Halle und den Saalekreis. Eine Fahrt mit der ersten Bahn des Tages nach Bad Dürrenberg.

Start um 4.00 Uhr in Kröllwitz

Verlassen liegt die Endhaltestelle in der Nacht, die Bahnsteige sind eine Insel aus weißem Licht zwischen Sträuchern und dem fast leeren Parkplatz. Gelb auf Schwarz leuchtet auf der Anzeigetafel „5 Bad Dürrenberg 8 Minuten“.

Die längste Überlandstraßenbahnlinie Deutschlands, für die Region eine wichtige Verkehrsader. Doch der ersten Verbindung an einem Montagmorgen fehlt es bisher an Fahrgästen. Das ändert sich erst, als ein Bus aus  Heide-Nord hält. Zwei Männer und eine Frau kommen zum Bahnsteig A herüber, einige  Augenblicke später rollt die Bahn ein. Im Führerhäuschen sitzt Rüdiger Galeitzke, er ist wohl heute derjenige in der Bahnlinie 5, bei dem der Wecker am frühesten geklingelt hat: um 2 Uhr morgens.

Die frühe Tour nach Bad Dürrenberg bedeutet für Rüdiger Galeitzke  um 2 Uhr aufstehen, denn 3.30 Uhr ist Dienstbeginn. Das sei aber noch nicht mal der früheste bei der Havag.  

4.03 Uhr am Uni-Klinikum

Ein groß gewachsener Mann mit BVB-Mütze lässt sich auf ein Gespräch ein. Was ihn so früh in die Bahn verschlage? „Arbeit“, antwortet er. Es wird die ausschließliche Standardantwort auf dieser Fahrt sein. Der BVB-Fan berichtet, er arbeite in einer Großbäckerei. Dafür stehe er jeden Morgen um halb drei auf und fahre dann über Kröllwitz und Hauptbahnhof nach Teutschenthal. Spaß mache ihm das nicht. 

4.07 Uhr: Die Bahn füllt sich am Gimritzer Damm

Die Straßenbahn füllt sich das erste Mal. Unter den hereinströmenden ist Lukas Waclawczyk. Ein Pole in leuchtend roter Jacke, der auf dem Weg zu seinem Logistikjob im Star Park ist. 6 Uhr sei Schichtbeginn, 3.30 Uhr sei er aufgestanden. Jede zweite Woche sei das so. Er nimmt es gelassen: „Nach anderthalb Jahren ist es einfacher.“ 

4.17 Uhr Marktplatz: Schweigende Gäste

Die 5 legt einen längeren Halt ein. Nicht allen Fahrgästen scheint das frühe Aufstehen so leichtzufallen, wie Waclawczyk, der sich mittlerweile wieder die Kopfhörer aufgesetzt hat. Es ist still in der Bahn, einige schlafen, andere starren ausdruckslos aus dem Fenster auf den leeren Platz. Keiner unterhält sich, selbst eine Gruppe älterer Frauen auf einem Vierer-Platz schweigt sich an. 

4.22 Uhr Steintor: Oft dieselben Gesichter

Eine junge Frau auf dem Weg zur Arbeit nach Brehna, erklärt, sie erkenne jeden morgen viele Gesichter wieder. Aber es ist ein stilles Wiedererkennen. Ins Gespräch komme man nicht.  Wozu auch, fragt sie und steigt am Hauptbahnhof aus.

4.33 Uhr Merseburger Straße: Alles ist wie ausgestorben

Die unangenehm grelle Beleuchtung eines Matratzenladens zieht nun am Fenster vorbei. Die Preise an der Tankstelle nebenan sind noch im Nachtmodus. Kunden sind rar. Noch ist die Merseburger Straße wie ausgestorben. Nur vereinzelt begleitet ein Auto die Bahn auf ihrem  Weg nach Süden. 

4.43 Uhr Ortsausgang Halle: Pendeln nach Schkopau

Es wäre schlimm, wenn sie die Linie 5 plötzlich einstellen würden, findet eine Mittfünfzigerin mit Rahmenbrille und blauer Arbeitsjacke. Schließlich pendelt sie täglich von Halle nach Schkopau ins Chemiewerk. Als Reinigungskraft arbeite sie. „Der Job ist anstrengend, weil man nur eine bestimmte Zeit hat für mehrere Objekte.“ Und sie müsse überall hin laufen. Später als 5 Uhr könne sie nicht anfangen, schließlich müssten die Büros sauber sein, bevor die Angestellten kommen. Das frühe Aufstehen bereite ihr zwar keine Probleme, aber: „Den Kaffee braucht man früh schon.“ 

4.50 Uhr Buna-Werke: Glücklich als Hotelkauffrau

Als dunkler Schatten schiebt sich das „X50“ vor die Lichter des Chemiewerks. Seit der letzten Haltestelle sind die orange-roten Sitze nur noch vereinzelt belegt. Auf einem sitzt eine junge Frau mit dunklen Haaren und hellem Schal. Sie tippt auf einem Handy und ist überraschend gut gelaunt. Sie höre meist Musik, erzählt sie. So früh sei ja noch niemand wach, mit dem sie schreiben könne.

Ihre gute Laune gehört zu ihrem Beruf. Sie lernt Hotelkauffrau. Ab 6 Uhr kümmere sie sich um das Housekeeping: Zimmer aufräumen, Minibar nachfüllen und so weiter. „An erster Stelle steht der Gast, es muss alles fertig sein, bevor er kommt.“

Das Grinsen, das Grüßen habe sie mittlerweile so drin, das könne sie auch nach Feierabend nicht ablegen. Ob die frühe Fahrerei von Halle nach Merseburg sie nicht mal zum Grübeln über ihre Jobwahl gebracht habe. „Ja, hat es “, antwortet sie: „Und ich bin damit glücklich.“ 

5.34 Uhr Buna Kröllwitz: Das zweite Kröllwitz auf der Strecke

Das zweite Kröllwitz auf der Strecke. Draußen ist kaum etwas zu erkennen. In der Scheibe spiegelt sich nur das leere Innere der Bahn. Lediglich zwei Männer sitzen noch in ihr, auch sie sind auf dem Weg zur Arbeit – in ihrem Fall nach Bad Dürrenberg.

5.41 Uhr Bad Dürrenberg: Der Fahrer mag seine Strecke

20 Minuten Pause für Straßenbahnfahrer Rüdiger Galeitzke. Die lange Tour von der Saale- in die Solestadt ist für ihn eine seltene. „Das kommt vielleicht zweimal im Monat vor.“ Doch er mag die 5: „Man ist da lange auf dem Weg. Und man sieht etwas. Es ist nicht so eintönig wie die Stadt.“ Zumindest bei Tageslicht. Jetzt in der Schwärze der noch langen Nacht, kann er nur von tierischen Begegnungen berichten.

Kurz hinter der Haltestelle „Krähenberg“ in Leuna habe ein Reh im Graben gelauert. Wildwechsel sei auf der Strecke eine Gefahr, erklärt Galeitzke. „Toi, toi, toi, hatte ich noch keinen Unfall.“ Dann knipst er das Licht im Führerstand aus und blickt in das Dunkel der Bad Dürrenberger Straßen. Um 7.32 Uhr wird er zurück in Kröllwitz sein. (mz)