Land setzt auf Quereinsteiger Lehrermangel in Sachsen-Anhalt: Wie Maria Mechsner plötzlich Lehrerin wurde

Bad Lauchstädt - Sie habe einfach ihr Glück versucht, blickt Maria Mechsner anderthalb Jahre zurück. Damals bewarb sie sich beim Landesschulamt (LSA) um eine Stelle als Lehrerin, weil sie nicht mehr freiberuflich arbeiten wollte. Dabei hatte die heute 39-Jährige zwar Anglistik/Amerikanistik und Germanistik studiert, allerdings nicht auf Lehramt. Dennoch bekam sie eine Stelle als Deutsch- und Englischlehrerin an der Goetheschule in Bad Lauchstädt angeboten und unterrichtet dort nun seit 14 Monaten Kinder und Jugendliche.
Dort ist sie zwar die einzige Seiteneinsteigerin, in Kreis und Land liegt sie allerdings voll im Trend.
Lehrermangel: In welchen Fächern Quereinsteiger besonders gute Chancen haben
Weil der Markt an ausgebildeten Pädagogen abgegrast ist und Sachsen-Anhalt wie auch seine Nachbarn die Ausbildung von Lehrämtlern verschlafen hat, setzt das Land nun verstärkt auf Hochschulabsolventen ohne Lehramtsstudium, die aber zumindest einen Abschluss haben, aus dem sich ein Schulfach ableiten lässt. „Etwa ein Viertel unserer Neueinstellungen zum Schuljahr 2018/19 rekrutiert sich aus Seiteneinsteigern“, berichtet LSA-Sprecherin Silke Stadör.
Die sollen auch weiterhin für schwer zu besetzende Schulformen angesprochen werden, also für Sekundar-, Grund-, Förder- und Berufsschulen. „Insbesondere in den MINT-Fächern – Mathe, Chemie, Biologie, Physik – aber auch Kunst und Musik – setzen wir auf Fachleute ohne pädagogischen Abschluss“, sagt Stadör.
Direkt vor die Klasse: Maria Mechsner hatte keine Zeit für Vorbereitung
Für Maria Mechsner war es im vergangenen Jahr ein Sprung ins kalte Wasser. Nach drei Tagen mit Dienstberatungen und schulinternen Präparationen habe sie direkt vor der Klasse gestanden. „Das war anstrengend“, erzählt sie. Einen Vorbereitungskurs auf ihren neuen Job habe sie nicht erhalten. Erst seit vergangenem Oktober fährt sie einmal im Monat zwei Tage zum Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (Lisa), erhält dort Kurse zu verschiedensten pädagogischen Themen. Ausbildungsbedarf sieht Mechsner für Seiteneinsteiger vor allem, wenn es um Methodik und Didaktik geht: „Wie bereite ich den Stoff so auf, dass der Unterricht nicht langweilig wird, nicht nur frontal ist?“
Land bietet jetzt auch Kompaktkurse zur Vorbereitung an
Sie selbst habe sich in Ermangelung staatlicher Hilfe selbst viel angelesen und den Vorteil gehabt, dass sie zuvor an einer Sprachschule Erwachsenen Deutsch als Fremdsprache beigebracht habe. „Für jemanden, der gar nicht in die Richtung gearbeitet hat, stelle ich es mir sehr schwierig vor. Da ist es definitiv nicht ausreichend, was als Vorbereitung geboten wird“, kritisiert Mechsner.
Das Land hat dies offenbar erkannt. In diesem Jahr hätten Anfänger einen vierwöchigen Kompaktkurs erhalten, bevor sie in der Schule zum Einsatz kamen, sagt Stadör. Sie verweist zudem auf die Fortbildungsmöglichkeiten.
Plötzlich Lehrerin: „Die Kinder testen einen schon aus“
Seiteneinsteigerin Mechsner sagt, sie nehme auch an der Schule mit, was an Angebot da ist und auch die vielfältige Hilfe der Kolleginnen und von Freundinnen an, die schon länger als Lehrerinnen arbeiten. Denn Kinder zu unterrichten sei schon etwas anderes als Erwachsene, die ja zumeist lernen wollten. „Die Kinder testen einen schon aus“, berichtet die Neulehrerin. Aber als Mutter habe sie ein gewisses Gefühl mitgebracht, wie sie dem klare Strukturen entgegensetzen könne.
Für ihre Arbeit erhält Mechsner Zuspruch von ihrer Chefin, Schulleiterin Marlies Felsberg, die sie nach einem halben Jahr Probezeit in allen Fächern beobachtet und ihre Übernahme in den Schuldienst empfohlen hatte – eine externe Prüfung fand nicht statt. „Sie hat sich von Anfang an sehr gut integriert, nimmt jede Hilfe an“, lobt Felsberg.
Trotzdem kann nicht jeder einfach Lehrer werden
Seiteneinsteiger sieht sie dennoch als zweischneidiges Schwert: „Ich lehne sie nicht ab. Wer ein festes Ziel hat, soll es machen.“ Gleichzeitig warnt die Schulleiterin jedoch davor, dass der Eindruck entsteht, jeder könne an Schulen gehen: „Das wäre eine Abwertung des Lehrerberufs. Fachwissen aus dem Beruf reicht nicht, um Kinder zu unterrichten. Der Lehrerberuf ist eine Berufung.“
Das scheint er zumindest für Mechsner auch zu sein. Sie hat ihr Glück an der Goetheschule nicht nur gesucht, sondern auch gefunden: „Wenn keine Katastrophe passiert, ist es der Job, den ich mir bis zur Rente vorstellen kann.“ (mz)