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Keine gängige Architektur Keine gängige Architektur: Dürrenberger schaffte zu DDR-Zeiten Marke Eigenbau

Von Robert Briest 26.08.2018, 10:00
Wasserrohre stützen die Treppe.
Wasserrohre stützen die Treppe. Peter Wölk

Bad Dürrenberg - Von vorne, von der Persebachgasse aus gesehen, ist das Haus von Gerhard Verworner wenig spektakulär. Es wirkt wie ein weißer Bungalow mit leicht erhöhtem Ziegeldach. Doch tritt der Besucher durch den holzvertäfelten Essensbereich auf der anderen Seite ins Freie, steht er plötzlich auf einem weitläufigen Balkon im Obergeschoss mit Blick auf den von Obstbäumen bestandenen Garten und den alten Dürrenberger Wasserturm in der Ferne. Ein kleines Idyll, das sich der heute 85-Jährige selbst entworfen und auch gebaut hat.

Anfang der 1980er Jahre war das. Seine Frau und er arbeiteten damals in Leuna. Sie als Mathematikerin, Gerhard Verworner als Architekt in der Bauabteilung, die sich, wie er sagt, nicht nur um Bauten innerhalb des Werks kümmerte, sondern auch um Wohnsiedlungen, Ferienwohnheime oder in seinem Fall auch um die Siedlungsgrundschule kümmerte. „Wir hatten beide ganz gut verdient und wollten uns ein Haus bauen. Aber das ging nicht so einfach“, erinnert sich der Rentner.

Schon die Grundstückssuche gestaltet sich schwierig

Schon die Grundstückssuche habe sich schwierig gestaltet. Schließlich stießen die Verworners auf die Fläche am Hang, die so blickt der Hausbesitzer zurück, damals eher ein Müllablageplatz war. Kaufen konnten die Eheleute das Grundstück zunächst nicht, weil der Besitzer nach Angaben der offiziellen Stellen in den Westen geflüchtet war. Der Staat habe daher die Verwaltung übernommen.

Verworners zweites Problem waren die gängigen Bauformen. Damals habe es eigentlich nur zwei Eigenheimtypen gegeben, die genehmigt worden seien, blickt er zurück: den bungelowartigen Typ Bitterfeld und den Typ Meiningen, den Verworner als „Schuhkarton mit Spitzdach“ beschreibt. Den architektonischen Vorstellungen des Fachmannes wurden beide nicht gerecht. Er trat deshalb mit einem eigenen Entwurf an die Behörden heran. „Den haben sie halb abgelehnt“, blickt er zurück: „Sie haben gesagt: Sie können, das so bauen, aber sie bekommen kein Baumaterial von uns.“

Baumaterial: „Ich komme aus dem Baugewerbe, da wusste ich, wie ich da rankomme.“

Für den Architekten ein lösbares Problem: „Ich komme aus dem Baugewerbe, da wusste ich, wie ich da rankomme.“ So habe er etwa auf Abrissmaterialien gesetzt. „Und ich kannte die Baubetriebe, wusste, dass sie immer noch Reserven haben.“ Zeitlich lagen die meist nach Feierabend. Verworner erzählt, wie sie in den Abend- und Nachtstunden mit Hilfe einer Firma das Fundament gegossen haben. Vieles an der kleinen Villa ist aber Eigenbau. Stolz röttelt er an den Messingfarbenen Stangen, die die Treppe vom ersten Stock ins Erdgeschoss stützen.

Die Treppe habe man auch Dreiviertelzollwasserrohren gebaut. Auch die Stahlkonstruktion des Balkons habe er selbst entworfen. So konnte er fast alle Ideen, die er für sein Haus hatte, auch umsetzen. Nur das erhöhte Dach sei erst nach der Wende gekommen, weil er bei dem drei Jahre währenden Bau bis 1984 nicht das dafür erforderliche Holz bekommen habe. Ein Flachdach musste zunächst genügen.

Eigenheim in der DDR: Zweistöckige Garage

Bei seinen Plänen, so erklärt der gebürtige Neumarker, habe er sich an den Ideen des Bauhauses orientiert. „Das Wohnen ist so angeordnet, dass man eine gute Kommunikation hat.“ Er verweist auf den zentralen Bereich des Obergeschosses. Küche, Essbereich und das helle Wohnzimmer auf der Südseite sind offen miteinander verknüpft.

Aus der Küche führt eine kurze Treppe direkt an die obere der beiden übereinander liegenden Garagen, damit die Bewohner nicht außen herum laufen müssen. Besonders wichtig war Verworner auch, dass es ein Winkelbau wird, die Grundfläche kein Rechteck, sondern ein breites L ist: „Das gestattet großzügigere Balkone und Terrassen, auf denen man geschützt sitzen kann“, begründet er.

Die nutzt er auch 34 Jahre nach dem Einzug noch regelmäßig. Sein Lieblingsplatz sei eine Bank an der hinteren Ecke seines Gartens, direkt unter einem Baum. Von dort hat er die noch immer modern wirkende Rückseite des Hauses komplett im Blick. Würde er das Haus heute wieder so bauen? Verworner überlegt nicht lange: „Ja.“ (mz)

Die L-Form war Gerhard Verworner wichtig. Sie ermöglichte ihm, oben einen großen Balkon und darunter eine geschützte Terrasse zu bauen.
Die L-Form war Gerhard Verworner wichtig. Sie ermöglichte ihm, oben einen großen Balkon und darunter eine geschützte Terrasse zu bauen.
Peter Wölk
Küche, Ess- und Wohnzimmer gehen ineinander über.
Küche, Ess- und Wohnzimmer gehen ineinander über.
Peter Wölk