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Jung, weiblich, verschuldet Jung, weiblich, verschuldet: Immer mehr junge Frauen im Saalekreis tappen in die Schuldenfalle

Von Robert Briest 03.04.2018, 05:00
In einem Kalender ist der Termin bei einer Schuldnerberatung notiert. 
In einem Kalender ist der Termin bei einer Schuldnerberatung notiert.  imago stock&people

Halle (Saale) - Frau Müller* ist 24 Jahre, junge Mutter und hat ein Problem: Sie ist verschuldet. 11.500 Euro hat sie in den vergangenen Jahren an Außenständen angesammelt, verteilt auf 15 Gläubiger: Vermieter, Stromanbieter, Bank, Sky, GEZ, Handyanbieter und so weiter. Die Summe mag zunächst nicht hoch klingen, doch Frau Müller hat keinen Job, keine Ausbildung, die Lernbehindertenschule hat sie nach der neunten Klasse verlassen. Deshalb lebt sie von Hartz-IV.

Für Thomas Siegmeier, der bei der Schuldnerberatung des Saalekreises in Halle arbeitet und den realen Fall anonymisiert schildert, ist Frau Müller kein Einzelfall – im Gegenteil: „Die Verschuldung junger Leute hat stark zugenommen“, erklärt Siegmeiers Kollegin Katja Seidel. Allein 2017 gingen im Saalekreis 65 junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren in die Privatinsolvenz.

Schulden im Saalekreis: Betroffen davon sind vor allem junge Frauen

Betroffen davon sind vor allem junge Frauen – und Seidel präzisiert: „Insbesondere alleinerziehende Mütter, die mit 16, 17, 18 ihr erstes Kind bekommen haben. Sie haben deswegen keinen Schulabschluss und in der Konsequenz auch keine Ausbildung.“ Auch später, wenn das Kind in der Kita ist, falle es ihnen schwer eine Perspektive zu entwickeln. Entweder hätten sie keine Idee, was sie machen wollen oder übertriebene Jobvorstellungen.

Das Kind ist jedoch nur ein biografisches Begleitmerkmal, nicht aber die Ursache für die Verschuldung. Hier fallen den Schuldnerberatern viele Gründe ein – allen voran  das Konsumverhalten, gerade im Internet. „Sie wollen mithalten. Oft wird in der Werbung mit Null-Prozent-Finanzierungen suggeriert: ’Das kostet nichts’“, erklärt Seidel. Ihr Kollege verweist auf als zinslos beworbene Kredite. Die späteren Klienten würden hier oft an der Rückzahlung der Raten scheitern.

Bei manchen jungen Betroffenen spielen auch Krankheiten eine Rolle

Bei manchen jungen Betroffenen spielten auch Krankheiten eine Rolle, doch in 80 Prozent der Fälle, so schätzt Seidel, könnten sie nicht mit Geld umgehen. Ein Problem, dass teilweise in Familien weitergereicht werde. Hinzu käme bei den jungen Verschuldeten oft ein Drogenhintergrund.

Viele Betroffene seien sich der Folgen der Verschuldung nicht bewusst, sagt Seidel. Diese beginnen, bei Problemen bei der Wohnungssuche und gehen schnell weiter zu Schwierigkeiten eine neue EC-Karte oder einen Handyvertrag zu bekommen. Aufgrund des mangelnden Problembewusstseins suchen viele erst Hilfe, wenn die Gläubiger einen Haftbefehl erwirkt haben und es eigentlich schon zu spät ist.

Schuldnerberater versuchen das Konsumverhalten zu ändern

Die Schuldnerberater versuchen mit ihnen dann einerseits das Konsumverhalten zu ändern, in dem sie einen Haushaltsplan erstellen, und andererseits eine Lösung für die bereits angehäuften Schulden zu finden. Die Privatinsolvenz, die viele Junge als einfachen Ausweg sehen, hält Seidel dabei für den schlechtesten. Schließlich seien damit Kosten, Verpflichtungen, etwa zu einer weiträumigen Arbeitssuche, und eine Veröffentlichung der Namen der Betroffenen verbunden. Dessen seien sich viele nicht bewusst.

Die Schuldnerberaterin betont deshalb: „Eine außergerichtliche Einigung ist immer der bessere Weg.“ Ein langfristiger Rückzahlungsplan für die Schulden in kleinen Raten. Siegmeier hatte eine solche Lösung auch mit den Gläubigern von Frau Müller ausgehandelt. 90 Euro so erklärte sich die junge Mutter bereit, wollte sie monatlich für die Schuldentilgung abzwacken. Doch zwei Wochen nach dem es losgehen sollte, erreichten Siegmeier erste Anrufe der Gläubiger.

Das Geld blieb aus. Frau Müller erklärte auf Nachfrage sie schaffe es doch nicht. Nun führt ihr Weg, den Ratschlägen der Berater zum Trotz, in die Privatinsolvenz.
Auch das ist ein Problem in dieser Altersgruppe, berichtet Seidel: „Die jungen Leute lassen sich nur ungern etwas erklären und sind im Beratungsprozess extrem unzuverlässig.“ (mz)