Ermittlungen auch im Saalekreis Ermittlungen auch im Saalekreis: Gölzauer Bürgerwehr sorgt mit Steckbriefen für Unruhe

Kösseln - Das kleine Saalekreis-Dorf Kösseln, ein eher verschlafener Ortsteil der Stadt Wettin-Löbejün, hat noch nie wirklich für Schlagzeilen gesorgt. Bis jetzt. Eine selbst ernannte Bürgerwehr aus dem benachbarten Gölzau, das wiederum schon zum Landkreis Anhalt-Bitterfeld gehört, sorgt in dem Dorf nämlich gerade für Aufregung. Immer wieder tauchen an Bäumen Plakate auf, mit denen die „Gölzauer Bürgerwehr“ vor einer mutmaßlichen Diebesbande warnt. Doch die Polizei tappt im Dunkeln. Weder ist den Ermittlern eine Einbruchsserie in der Region bekannt. Noch wissen sie, wer sich hinter der Bürgerwehr verbirgt.
Personen sind nicht polizeibekannt
Gezeigt werden auf den Plakaten im A4-Format seit Tagen Fotos von fünf Männern. Neben den „Passbildern“ stehen die Namen und die Adressen der vermeintlichen Einbrecher, die aus Radegast, Schrenz, Löbersdorf und Werben stammen sollen. In einem kurzen Text wird, gespickt von Fehlern und nicht gerade im feinsten Deutsch, erklärt, worum es geht. Eine regional agierende Diebesbande mache Saalekreis und Anhalt-Bitterfeld unsicher. Die gezeigten Männer seien „eindeutig dem Drogenmilieu zuzuordnen“. Das Gefährdungspotenzial, das von den Personen ausgehe, sei enorm. Mit der Beute aus den Einbrüchen würden sie ihre Drogensucht finanzieren. Zuletzt wird von der „Gölzauer Bürgerwehr“ versucht, dem Plakat einen offiziellen Touch zu geben: Der Polizei seien die Personen bekannt, wird in einem abschließenden Satz behauptet.
Anzeige wegen übler Nachrede
Doch genau in diesem Punkt scheiden sich offenbar die Geister. Bei der zuständigen Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost schüttelt man nämlich den Kopf: „Wir haben keine Erkenntnisse, dass es sich bei den gezeigten Leuten um eine Diebesbande handeln könnte oder dass eine solche überhaupt in der Region aktiv ist“, sagte Sprecher Maik Strömer auf Nachfrage zur MZ. Man kenne die Plakate aber inzwischen gut. Strömer zufolge seien die Steckbriefe nicht nur im Saalekreis aufgetaucht. Die sogenannte „Gölzauer Bürgerwehr“ verunsicherte damit zuvor schon die Einwohner von Weißandt-Gölzau, Zörbig und etlichen anderen Orten von Anhalt-Bitterfeld. Ermittlungen gebe es auch, aber nicht, weil Einbrecher die Region unsicher machen, wie auf den Plakaten behauptet wird: „Einer der abgebildeten Männer hat Anzeige wegen übler Nachrede erstattet“, sagte Strömer. Grundsätzlich sei es nicht erlaubt, derlei Plakate aufzuhängen. Die Steckbriefe würden in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Betroffenen eingreifen. Es bestehe die Gefahr, dass Personen beliebig und ohne Grund an einen öffentlichen Pranger gestellt werden. Selbst für die Polizei und die Staatsanwaltschaft liegen die Hürden bei Öffentlichkeitsfahndungen hoch: Ohne den Beschluss eines Richters etwa am Amtsgericht dürfen keine Fotos von mutmaßlichen Straftätern veröffentlicht oder ausgehangen werden. Im privaten Bereich, und um den geht es im konkreten Fall, können die Konsequenzen für die „Gölzauer Bürgerwehr“ erheblich sein. Benn die betroffenen Männer könnten durchaus auf Schmerzensgeld und Schadenersatz klagen.
Gefahr Selbstjustiz
Doch dazu muss jene Truppe, die die Steckbriefe gedruckt und an Bäumen sowie Laternen aufgehangen hat, erst einmal gefunden werden. „Unsere Ermittlungen haben uns dahingehend nicht weitergebracht“, sagte Polizeisprecher Strömer. Es würden keine Hinweise dazu vorliegen, wer die „Gölzauer Bürgerwehr“ ist, welche Ziele sie verfolgt, wie sie organisiert ist und wer konkret hinter der Vereinigung steckt - wenn es sie denn überhaupt gibt. Die Gefahr, die von Selbstjustiz und um sich greifenden Denunziantentum ausgeht, werde aber nicht unterschätzt, so Strömer. Die Ermittlungen würden gemeinsam mit der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd fortgesetzt.
Auch den Hinweisen, dass es sich bei den gezeigten Männern um Diebe handeln soll, werde nachgegangen. Offiziell wollte sich bei der Polizei aber bisher niemand dazu äußern, ob die Personen tatsächlich in irgendeiner Weise kriminell aktiv sind. Nach MZ-Informationen soll mindestens einer der Gezeigten polizeibekannt und jüngst bei einem Ladendiebstahl erwischt worden sein. (mz)