Der Riese im Zwergenland Der Riese im Zwergenland: Ein Tag als Erzieher in der Kita - Ein Praktikumsbericht
Wünsch - Meinen Namen bin ich nach zehn Minuten endgültig los. Es ist 8 Uhr morgens. Ich sitze auf einem Hocker an einem von zwei flachen Holztischen. An ihnen sitzen je sechs Kinder. Es sind die kleinen und kleinsten der Kita „Zwergenland“ in Wünsch. Der Jüngste ist gerade ein Jahr alt, die Ältesten sind vier.
Ein Tag in der Kita „Zwergenland“ der Kinderland Geiseltal gGmbH
Es ist Frühstückszeit. Rotes Plastikgeschirr steht auf dem Tisch. Die Kinder essen ihr mitgebrachtes Brot. Oder sollten es zumindest. Das Interesse am „Neuen“ ist bei manchen allerdings größer. „Wie heißt deine Oma?“, „Hast du einen Hunde? Ich habe einen.“ „Ich zwei.“ Vor allem Peter und seine Tischnachbarin Tabea, die darauf beharrt, dass ich Roman heiße, führen das Kreuzverhör. Meine vorsichtigen Versuche, sie nebenbei zum Essen zu bewegen, bleiben weitgehend erfolglos.
Doch dann tippt mir einer der Kleinsten auf die Schulter. Ich soll seinen Rucksack in den Flur bringen. Ok. Die eigentliche Erzieherin Simone Schmidt ist derweil schon damit beschäftigt, das Geschirr der anderen in die Küche zu bringen. Sie ist eine von vier Erzieherinnen im „Zwergenland“. Der zentral zwischen Ober- und Niederwünsch an einem kleinen Hain gelegene Flachbau ist die kleinste der acht Einrichtungen der Kinderland Geiseltal gGmbH.
Allein unter 32 Kindern in der „Gesunden Kita"
32 Kinder, verteilt normalerweise auf drei Gruppen, heute sind es nur zwei. Übersichtlich. Man sei eine naturnahe Kita, erklärt Leiterin Uta Schimpf: „Wir leben mitten in der Natur und nutzen das, sind viel an der frischen Luft. Die Kinder können hier die Kreisläufe der Natur beobachten.“
Und noch ein anderes Zertifikat hat die Kita seit 2011: „gesunde Kita“. Die Getränke sind ungesüßt. Und es gibt viel Obst und Gemüse. „Jeden Tag bereitet eine andere Gruppe das Obstfrühstück vor“, erklärt die Chefin. Heute sind die Kleinen an der Reihe. Simone Schmidt hält eine Apparatur, in die ein Apfel eingespannt ist. Ein Junge dreht die Kurbel, wodurch der Apfel geschält und in Scheiben geschnitten wird.
Ein Tag als Erzieher: Spielen, Sporteln und Elterngespräche
Ich würde ja gern helfen. Doch ich wurde gerade von Peter, Tabea und Anna zu einer Partie Memory verpflichtet. Nachdem wir uns darauf geeinigt haben, dass es doch sinnvoller wäre, die Karten verdeckt auszulegen, geht es los. Peter hat einen Lauf. Die Konzentration ist nicht einfach. Immer wieder kommen andere Kinder, um mir etwas zu zeigen oder zu erzählen. Ohnehin ist der Raum erfüllt von lautem Stimmengewirr.
Dann stimmt Schmidt ein Lied an: „Eins, zwei, drei, die Spielzeit ist vorbei.“ Klaglos räumen die Kinder ihr Spielzeug in Kisten und Schränke. Erst gibt es Obstfrühstück. Anschließend geht es raus. Es ist ein eingespieltes Prozedere, in dem man sich als Neuling erstmal zurechtfinden muss. Fixe Strukturen seien wichtig, sagt Leiterin Schimpf. Montag sei etwa immer Sporttag, dann würden die Größeren in die Sporthalle nach Langeneichstädt fahren. „Wir sind so eine kleine Einrichtung, da muss jeder an jeder Stelle arbeiten können. Man muss mit allen Altersgruppen auskommen.“
Aber natürlich hat jede Gruppe eine feste Erzieherin, denn zu deren Arbeit gehört eben nicht nur der direkte Umgang mit den Kindern, sondern auch Dokumentation. Ein Portfolio über die Entwicklung des Kindes und natürlich auch Elterngespräche wollen geführt werden.
Erzieher in der Kita: Umziehhilfe im Akkord
An diesem Maitag ist die übliche Tagesstruktur etwas durchbrochen. Statt toben steht erstmal die Probe für das Programm zum 60. Kitajubiläum auf dem Plan. Unter dem großen Dach vor der Kita üben die Kinder Zirkusnummern. Die Lautesten aus dem Gruppenraum sind nun plötzlich die Leisesten. Drei der Kleinsten verlieren schnell das Interesse. Ich soll sie im Blick behalten. Gar nicht so einfach. Als freie Radikale schießen sie über das weitläufige Außengelände und immer wieder zielgerichtet zu jenem Klettergerüst, das nur für die Größeren gedacht ist.
Eine halbe Stunde später geht es für die Kleinen wieder rein. Auf der winzigen schienbeinhohen Bank vor mir sitzen sechs Kleinkinder und warten auf meine Hilfe. Stiefel ausziehen, Aufstehen, Jacke ausziehen, Matschhose aus, Hausschuhe an und von vorn. Zehn Minuten in dieser gebückten Haltung. Mein Rücken meldet Bedenken an. Der Letzte und Jüngste in der Reihe kann mit dem neuen Gesicht nichts anfangen, er bricht nach der Jacke in Tränen aus.
Was heißt es eigentlich wirklich, in der Pflege zu arbeiten, in der Restaurantküche am Herd zu stehen oder als Lokführer Züge zu bewegen? Die MZ-Lokalredaktion fragt diesmal nicht nur nach, sondern probiert es in den nächsten Wochen selbst aus. Die Ergebnisse lesen Sie jeden Montag an dieser Stelle.
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Königsberger Klopse, Zähne putzen und Mittagsschlaf
Draußen läuft die ältere Gruppe derweil um das Kitagelände. Jeder so oft, wie er kann. Richard geht als einziger in die vierte Runde und wird von den anderen Kindern gebührend angefeuert. So ausgepowert gibt es dann auch für sie Mittagessen. Die Stühle sind bis zur 17 nummeriert. Jedes Kind weiß, wo es sitzt. Zahlen sind Teil des Vorschulunterrichts, den die Erzieher drei Mal die Woche für eine halbe Stunde geben. Uta Schimpf schlägt den Gong. Ein Tischspruch, dann kommen die Aluschalen mit Königsberger Klopsen und Kartoffeln auf den Tisch.
Anschließend kommt auf mich eine letzte, lösbare Aufgabe zu. Zahnpasta an die Kinder verteilen, die nun peu à peu vom Mittagstisch zum Zähneputzen kommen. Dann ziehen sie sich für den Mittagsschlaf um. Noch zehn Minuten Spielzeit. Als die vorbei sind, geht es rüber in den abgedunkelten Raum der Kleinen, in dem schon die Matratzen auf dem Boden parat liegen. Es kehrt Ruhe ein in Wünsch. Zeit für mich zu gehen. (mz)