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Lichtmeß in Flip Flops Corona zum Trotz: Spergauer organisieren Heischegang als Sommeredition

Die Spergauer wollen ihre Tradition 2021 nicht vollständig Corona opfern.

Von Robert Briest 05.07.2021, 18:00
Die Küchenburschen und -mädchen sammelten auf ihrem sommerlichen Heischegang nicht nur Spenden, sondern verteilten auch Lichtmeß-Gläser.
Die Küchenburschen und -mädchen sammelten auf ihrem sommerlichen Heischegang nicht nur Spenden, sondern verteilten auch Lichtmeß-Gläser. Fotos: K. Sieler

Spergau/MZ - Die Coronapandemie hat nicht nur an vielen Gewissheiten gerüttelt und Traditionen brechen lassen. Sie sorgt auch dort, wo die Menschen Nischen und Wege suchen, diese Traditionen trotz aller Einschränkungen zumindest teilweise weiterzuführen, für Innovation und Novitäten. So auch am Samstag in Spergau. Denn Küchenburschen in Flip-Flops und Badelatschen hat das Dorf vor den Toren des Chemiestandorts wohl in all den Jahrhunderten noch nicht gesehen. Das liegt vor allem daran, dass die Lichtmeß, zu deren für Außenstehende recht komplex wirkenden Hierarchien die Küchenburschen gehören, sonst stets Anfang Februar stattfindet, also in einer Jahreszeit in der ungeschützte Zehen von Kälte bedroht sind.

Flip-Flops und schwarze T-Shirts: Spegauer organisieren sie Heischegang als Sommeredition

Doch in diesem Jahr war just zu diesem Zeitpunkt die zweite Coronawelle an ihrem Scheitelpunkt angelangt und Feierlichkeiten hatten selbst mit Unesco-Welterbestatus keine Chance. Ganz auf ihre Lichtmeß verzichten wollte die gleichnamige Spergauer Gesellschaft allerdings nicht. Und so holen die Küchenburschen und -mädchen in abgewandelter Form am Samstag zumindest den Heischegang nach. Alle sind in schwarze T-Shirts zum Anlass gekleidet. Von einem geschmückten Bollerwagen schallt Musik.

An der Spitze der Prozession läuft Maximilian Scholz – in Badelatschen – und klingelt an den Häusern. Er ist mit seinen 33 Jahren der dienstälteste in der Runde, der Erste Küchenbursche, und erläutert: „Wir wollen den regelmäßigen Teilnehmern die Möglichkeit geben, das Lichtmeß-Glas zu bekommen.“ Ein älteres Paar nimmt gleich zwei der Motivgläser, dazu noch zwei Stücken Kuchen, die die Küchenmädchen gebacken haben. Der Mann ruft seiner Frau ins Haus hinterher: „Hast du mal ’nen Schein?“ Schließlich will man sich nicht knauserig zeigen und die drei Spendendosen, die die Lichtmeß Gesellschaft mitführt, füllen.

Aktion auch als Spendenaktion für die richtige nächste Lichtmeß

„Normalerweise treiben die Gesellschaft beim Heischegang Gaben ein“, erklärt Scholz. „Jedes Haus, das mitmacht, gibt eine Packung Milch, Eier und Knackwürste. Daraus kochen die Küchenmädchen dann am Mittag der Lichtmeß Essen.“ Doch bei der einmaligen Sommeredition ziehen auch die sechs Küchenmädchen mit durchs Dorf. Die Lichtmeß-Küche bleibt also kalt, weshalb Lebensmittelgaben Verschwendung wären.

„Wir sammeln daher diesmal Spenden für die nächste Lichtmeß“, erklärt Scholz, der dann, sollte die Tradition wie gewohnt ausgelebt werden können, zum zweiten Mal Erster Küchenbursche wäre. Ungewöhnlich, rückt doch sonst einjeder Jahr für Jahr in der Lichtmeß-Hierarchie einen Posten auf – oder mal zwei, wenn jemand vor ihm etwa wegen Heirat ausscheidet. Scholz könnte danach noch einmal als Milchkannenträger, einem Ehrenposten, am Heischegang teilnehmen. Danach eigentlich, mit einigen speziellen Ausnahmen, nicht mehr, erzählt er.

Spender erhielten auch ein ständischen des Bläserduos.
Spender erhielten auch ein ständischen des Bläserduos.
(Foto: Sieler)

Lichtmeß war schließlich noch nie ein trockenes Brauchtum

Zurück in der Gegenwart bekommen die Küchenmädchen und -burschen Lob für ihre Idee einen Teil der Tradition in den Sommer zu retten. „Ich finde es wirklich gut, dass ihr rumgeht und wir die Lichtmeß so nicht vergessen“, sagt eine Frau. „Wir hoffen, dass es dann am 6. Februar wieder geht.“ Das ist der Termin für die nächste reguläre Ausgabe.

Auf den hofft auch Scholz. „Noch ein Jahr als erster Küchenbursche brauche ich nicht.“ Dann geht er zum nächsten Haus. Dort erhalten die Heischegänger neben Geld auch hochprozentige Spenden. Die Lichtmeß war schließlich noch nie ein trockenes Brauchtum. Scholz lässt sich nicht bitten. Sie werden heute sicherlich noch den ganzen Tag unterwegs sein und dann werde gefeiert, bis es hell wird, blickt er voraus. Dann stimmt er an: „Und beim Tag mit tollen Treiben, kann man doch nicht nüchtern bleiben.“