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Ausbildung für Kampfmittelbeseitigung Ausbildung für Kampfmittelbeseitigung: Lernen, wie die Bombe tickt

Von Michael Bertram 27.09.2016, 09:30
In einem Lagerraum stehen Tausende von entschärften Kampfmitteln - in allen Farben, Formen und Größen.
In einem Lagerraum stehen Tausende von entschärften Kampfmitteln - in allen Farben, Formen und Größen. Michael Bertram

Dresden/Merseburg - Ein stillgelegter Steinbruch im Süden von Dresden: Wenn es in der Heidenschanze - einer frühzeitlichen Befestigungsanlage - mal wieder knallt, dann stört das hier niemanden mehr. Denn bereits seit den 90er Jahren bilden Günter Fricke und sein Geschäftspartner Jörg Rennert in ihrer Sprengschule Pyrotechniker, Sprengmeister und Kampfmittelräumer aus. Vor allem letztere sind regelmäßig auch in der Region im Einsatz, wo noch immer unzählige gefährliche Überreste aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden schlummern.

„Der Bedarf an Kampfmittelexperten ist nach wie vor da“, sagt Fricke. „Selbst mein Sohn würde es mit der Schule theoretisch bis zur Rente schaffen.“ Tausende - in vielen Fällen Ex-Bundeswehrsoldaten - haben Fricke und sein Team schon für die Entschärfung von Bomben, Panzerminen und Flakgranaten fit gemacht. Auch ausländische Schüler wurden bereits gebrieft: Sprengstoffexperten aus Angola, dem Kosovo oder Laos erhielten das nötige Wissen.

Kenntnisstand und Einsatzgebiet

Je nach Kenntnisstand und Einsatzgebiet dauert die Ausbildung mehrere Wochen oder auch Jahre. Entschärfen könne eigentlich jeder, sagt Fricke: Es brauche lediglich technisches Verständnis, Selbstbewusstsein, und „den Arsch in der Hose“, den Zünder einer angemoderten Bombe auch tatsächlich herauszudrehen, wie er sagt.

Doch nicht nur die Räumer selbst können sich in Dresden schulen lassen. „Es gibt auch viele Teilnehmer aus Unternehmen und Behörden, die einfach wissen wollen, welcher Aufwand dahintersteckt oder wieso ein solcher Einsatz eigentlich so teuer ist.“

Munitionslehrer zu DDR-Zeiten

Fricke, der bereits zu DDR-Zeiten bei der Armee als Munitionslehrer arbeitete, führt durch die Schule. Die Seminarräume in dem unscheinbaren Flachbau sind bestens ausgestattet. Eine direkt benachbarte Pension bietet Zimmer für die Teilnehmer. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt der Übungsplatz für den praktischen Unterricht.

Hier lässt Fricke im Rasen gern mal eine Fliegerbombe verbuddeln. Auf einem Sandplatz, auf dem angehende Entschärfer sonst nach versteckten Tretminen graben, testen gerade einige Kursteilnehmer verschiedene Sonden, mit denen sie Kampfmittel aufspüren sollen. „Man bekommt ein ganz anderes Verständnis für die Arbeit der Experten“, sagt Sven Neubert, einer der Teilnehmer, der Hoch- und Tiefbaumaßnahmen beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Mannheim verantwortet und deshalb indirekt immer wieder mit Kampfmittelfunden konfrontiert wird.

Rund 3.000 verschiedene Kampfmittel

Während er seine Sonde im Halbkreis vor sich hin- und herbewegt, werden die Geräusche des Geräts lauter. Ein Kollege fängt an zu graben - kritisch beäugt von Ausbilder Bernd Lausch. „Jungs, was macht ihr da? Aus dem Loch bringst du nicht mal einen Spatz heraus“, sagt er und lacht. Entschlossen sticht er den Spaten in den Sand, bis er mit den bloßen Händen ein Geschoss freilegen kann.

Was im Boden so alles liegen kann, bekommen die Schüler eindrucksvoll in den Lagern der Sprengschule vor Augen geführt. Rund 3.000 verschiedene Kampfmittel haben die Experten gesammelt - von der Granate bis zum Torpedo und zur Luftmine ist alles dabei. Bei aktueller Munition handelt es sich zum Teil um Schulungsmodelle der Hersteller. Die meisten der Objekte wurden aber tatsächlich irgendwo im Bundesgebiet ausgegraben und entschärft.

Kontakt zu den Kampfmittelräumern

Auch nach der Ausbildung unterhält die Sprengschule engen Kontakt zu den Kampfmittelräumern. Auch wenn im Saalekreis Verdächtiges gefunden wird, klingelt in Dresden hin und wieder Frickes Handy. „Damals zum Beispiel, als in Leuna Sprühbüchsen gefunden wurden“, sagt der Ausbilder. Weil unklar war, ob es sich um einen Giftgas-Fund handelte, war im Oktober 2013 Großalarm ausgelöst worden. „Viele Sprengmeister wollen einfach noch eine zweite Meinung hören oder haben die Datenbank nicht dabei“, erzählt Günter Fricke.

Die Datenbank ist ein weiteres Produkt, das die Sprengschule vermarktet. Mehr als 4.200 Datensätze befinden sich inzwischen darin. Neben den wichtigsten Fakten zum möglichen Fundstück helfen Fotos bei der Identifizierung. „Man sollte schon wissen, womit man es genau zu tun hat, bevor man weiterarbeitet“, erklärt Fricke. (mz)