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Steinzeitgrab im Dürrenberger Kurpark Archäologen wollen die alte Schamanin verstehen

Archäologen graben nahe des einmaligen Steinzeitgrabs im Dürrenberger Kurpark. Sie erwarten sich davon nicht unbedingt Funde, aber Erkenntnisse.

Von Robert Briest 26.09.2021, 14:03
Ein einmaliger Fund von 1936: Das Skelett der Schamanin liegt in Halle.
Ein einmaliger Fund von 1936: Das Skelett der Schamanin liegt in Halle. (Foto: Peter Wölk)

Bad Dürrenberg/MZ - Archäologen sind eine gefürchtete Spezies – zumindest bei jenen, die größere Bauprojekte auf historisch vorbelastetem Grund voranbringen wollen. Die Verantwortlichen der Burg Querfurt können ein Lied davon singen, welche Verzögerungen ausgedehnte Grabungen für die dortige Generalüberholung gebracht haben. Dem Laien erschließt sich auch nicht immer, was bei den Geschichtsexperten letztlich Interesse und Euphorie auslöst. So wäre Susanne Friederich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie auch ganz zufrieden, wenn ihre Mitarbeiter bei den laufenden Ausgrabungen im Kurpark von Bad Dürrenberg nichts fänden.

Dort haben sie unweit des zentralen Springbrunnens drei längliche rechteckige Gruben ausgehoben. Sie befinden sich in direkter Umgebung jener Stelle, an der Kollegen 1936 einen Sensationsfund machten und das Skelett einer Schamanin, die wohl vor 9.000 Jahr gelebt hatte, bargen. Da die Zubringerleitung für den nahen Brunnen aber pünktlich zur Eröffnung des Springbrunnens fertig sein sollte, sei die Bergung damals unter Zeitdruck erfolgt, erklärt Friederich. Die heutigen Archäologen schließen daher nicht aus, dass damals im Umfeld manches übersehen wurde: „Es hat uns schon lange in den Finger gejuckt da noch mal Nachgrabungen zu machen.“

Die vorerst wohl letzte Gelegenheit bot sich jetzt, bevor das Bewässerungssystem für die Landesgartenschau 2023 installiert wird. Rund um den Fundort der Schamanin nahmen die Mitarbeiter des Landesamtes 100 Bohrproben, um zu schauen, ob sich dort dasselbe Gestein findet, mit dem das Grab der Schamanin bedeckt war. Nur in drei davon zeigten sich leichte Spuren, die sich allerdings geologisch anderweitig erklären ließen. Neue Gräber aus dem Mesolithikum, der Mittelsteinzeit, schien es also nicht zu geben.

„Wir stehen erst am Anfang“

Dennoch entschied sich Grabungsleiterin Friederich dafür, nun die drei Schnitte zu machen: „Wir wollen archäologisch alles getan haben, um zu zeigen, dass die Schamanin allein bestattet wurde.“ Das wäre auch eine Aussage, sagt die Archäologin: „Es würde zeigen, dass sie in der damaligen Gesellschaft etwas besonderes war. Das würde zu den tollen Grabbeigaben passen.“ Es könnte auch bedeuten, dass ihre übrigen Zeitgenossen anders bestattet worden, etwa verbrannt oder in den Bäumen aufgehangen. Das Grab der Schamanin, ein europaweit so einzigartiger Fund, wurde zwar bereits vor über 80 Jahren entdeckt, Friederich sagt dennoch: „Wir stehen hier erst ganz am Anfang, da hilft alles.“

Thomas Laurat sucht nach Spuren des Mesolithikums.
Thomas Laurat sucht nach Spuren des Mesolithikums.
(Foto: Robert Briest)

Thomas Laurat, der Mitarbeiter, der vor Ort die Grabung ausführt, ist deshalb auf der Suche nach sehr kleinen Artefakten aus dem Mesolithikum, sogenannten Mikrolithen, winzige Werkzeuge aus Feuerstein, die anders als der bis in die Eisenzeit hinein verwendete Faustkeil, fast ausschließlich in dieser Epoche vorkamen. In 25 mal 25 Zentimeter Quadraten entfernt er deshalb in Fünf-Zentimeter-Schritten schichtweise das Erdreich und siebt es mit einem engmaschigen Sieb. Funde aus dem Mesolithikum hat er bisher nicht, wohl aber Keramik aus der Eisenzeit. „Da gab es hier eine Siedlung, die haben hier hemmungslos Siedlungsgruben angelegt“, erklärt die Grabungsleiterin. Das erschwert die Suche nach steinzeitlichen Zeugnissen ebenso wie der Umstand, dass das Areal früher landwirtschaftlich genutzt wurde, erst für den Kurpark eingeebnet wurde.

Viele kleine Puzzleteile

Laurat vermutet deshalb, dass der Laufhorizont, die Erdoberfläche, zur Zeit der Schamanin 40 bis 70 Zentimeter tiefer lag. Das Grab der Schamanin lag noch deutlich darunter, in Tiefen, in die der Mitarbeiter des Landesamtes derzeit aufgrund von Arbeitsschutzbestimmungen nicht vordringen darf. Ohne zusätzliche Absicherungen dürfen seine Gruben nur 1,25 tief sein. Trotzdem hofft er unterwegs auf Funde, die zeigen, wo genau der damalige Laufhorizont war. Winzige Puzzleteile, die den Archäologen helfen, ein besseres Verständnis der damaligen Welt, des Alltags zu entwickeln.

Dazu beitragen soll auch eine DNA-Untersuchung mit neuen Methoden, die kürzlich am Skelett der Schamanin vorgenommen wurden und die vor zwei Jahren im Kurpark entnommenen Bodenproben, die derzeit in Halle durchgearbeitet werden. „Wenn wir alle Daten haben, müssen wir eine Geländesimulation machen, um zu wissen, ob die Schamanin auf einem Hügel oder in einer Mulde bestattet wurde.“, erklärt Friederich. Nun, Archäologen sind nicht nur gefürchtete, sondern auch sehr geduldige Menschen.