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AfD-Flügeltreffen  AfD-Flügeltreffen : "Nationalismus und Rassismus sind der ideologische Kitt der Partei"

Von Robert Briest 05.03.2020, 12:04
Auch diesmal will Initiative „Kollektiv – IfS dichtmachen“ in Schnellroda demonstrieren.
Auch diesmal will Initiative „Kollektiv – IfS dichtmachen“ in Schnellroda demonstrieren. Peter Wölk

Leipzig/Schnellroda - Schnellroda ist seit Jahren Anlaufpunkt der Rechten. So viel Politikprominenz wie an diesem Freitag hat das Dorf im Weida-Land wohl dennoch bisher eher selten erlebt. Dann trifft sich dort der „Flügel“ der AfD, zu dessen namhaftesten Vertretern Björn Höcke und Andreas Kalbitz gehören. Robert Briest sprach im Vorfeld mit dem Jenaer Soziologen Robert Feustel über Umsturzziele dieser Gruppierung und die Rolle des Schnellrodaers Götz Kubitschek.

Was ist der „Flügel“?

Robert Feustel: Er ist formal eine Interessengruppierung innerhalb der AfD, so wie es etwa in der SPD den Seeheimer Kreis gibt. Allerdings ist der „Flügel“ der ganz rechte Teil der AfD. Es ist die Gruppe, die am deutlichsten in Richtung autoritärer Führerstaat steuert.

In der Öffentlichkeit wird oft noch die Trennung zwischen „Flügel“ und Rest der AfD vorgenommen, in Wahrheit passt da aber kein Blatt dazwischen. Das zeigte sich kürzlich, als der Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland Höcke als „Mitte der Partei“ bezeichnete. Das sagt viel über den Gesamtzustand der AfD.

Gibt es keine Unterschiede mehr in der AfD? Sie hat doch etwa Probleme, sich auf ein Rentenkonzept zu einigen.

Der „Flügel“ ist eher ostdeutsch. Da gibt es wirtschaftspolitische Unterschiede zu westdeutschen Landesverbänden. Die Gruppe um Parteichef Jörg Meuthen ist streng neoliberal, will etwa, wenn es ums Wohnen und um Mieten geht, einen schwachen Staat. Höcke ist dagegen sozial-national, müsste beim Thema Wohnen also einen stärkeren Staat wollen.

Allerdings hat er kürzlich aus der Berliner Immobilienwirtschaft eine Großspende erhalten. Die Unterschiede verschwimmen. Die Gräben sind auf keinen Fall so tief, wie sie von außen teils dargestellt werden. Die ideologische Prägung des „Flügels“ setzt sich durch.

Die wäre?

Der Kern der AfD hat das Ziel einer nationalautoritären Führerschaft kombiniert mit rassistischen Ausschlüssen. Das kann man ganz gut in der Nachbetrachtung zu Hanau sehen. Für die AfD sind die Opfer schlicht Ausländer, selbst wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Nationalismus und Rassismus sind der ideologische Kitt der Partei.

Den Vertretern des „Flügels“ kommt gern mal die Rolle der Provokateure zu.

Ja, der „Flügel“ testet die Grenzen aus, wie weit er gehen kann. Derzeit können sich die Mitglieder viel erlauben, weil sie im Osten stärkere Landesverbände hinter sich haben.

Im Kyffhäuser Manifest, dem zentralen Papier des „Flügels“ von 2017, wird ein „Politikwechsel“ als Ziel ausgegeben. Wie weit soll dieser reichen?

Die AfD spielt die ganze Zeit ein doppeltes Spiel. Auf der einen Seite erklären sie sich zu konservativen Demokraten, die nur das rechte Spektrum besetzen wollen. Auf der anderen Seite kommen etwa bei Höcke Umsturz- und Vernichtungsfantasien zum Tragen, etwa in seiner Dresdener Rede zur Erinnerungspolitik oder zum 200. Pegida-Marsch. Da geht es um Fantasien von anderen Staatsgebilden. Der Kern der AfD ist ein deutsch-nationaler Umsturz.

Nun ist die Wahl des Tagungsortes Schnellroda kein Zufall. Dort sitzt das „Institut für Staatspolitik“ um Götz Kubitschek. Die Organisatoren des Gegenprotests schreiben, der „Flügel“ komme nach Hause zurück. Stimmt das?

Durchaus. Die ideologischen Vorkämpfer der Bewegung sind Kubitschek und „Compact“-Herausgeber Jürgen Elsässer. Sie bereiteten inhaltlich vor, was der „Flügel“ nun versucht, in der Partei umzusetzen.

Kubitschek gilt als einer der Autoren der Erfurter Resolution, die Ausgangspunkt für die Gründung des „Flügels“ war. Welche Rolle spielt er denn konkret für diesen?

Das ist schwer zu sagen. Kubitschek schafft es, sich die Aura eines Intellektuellen zu geben. Das provoziert Intellektuelle, sich an ihm abarbeiten. Das ist ein Fehler. Er ist ein faschistoider rechter Akteur. Er erzählt allerdings nur nach, was in der Neuen Rechten, etwa in Frankreich, schon seit Jahrzehnten behandelt wird.

Das „Kollektiv – IfS dichtmachen“ warnt, dass der „Flügel“ den Parlamentarismus abschaffen will. Halten Sie diesen Vorwurf für gerechtfertigt?

Ja. Man darf sich nicht davon einlullen lassen, dass die AfD von Demokratie spricht. Sie meint damit etwas anderes, eine plebiszitäre Führerdemokratie, in der der Führer etwas sagt und das Volk seinen Willen durch grölende Zustimmung bekundet. Die AfD will Minderheitenrechte und Aushandlungsprozesse tilgen und zählt nur biodeutsche Weiße zum Volk.

Das ist nicht grundgesetzkonform. Die Partei knüpft dabei an durchaus bestehende Probleme an, etwa die schroffe Distanz zwischen Eliten und Gesellschaft. Dass beispielsweise Andreas Scheuer mit seiner Autobahnmaut noch im Amt ist, ist ein Skandal. Aber die AfD will das Problem in die falsche Richtung auflösen und macht für alles Migration verantwortlich. (mz)