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Rüdiger Erben Rüdiger Erben: Aufsteiger auf Stolperkurs

Von HENDRIK KRANERT 25.02.2010, 20:02

MAGDEBURG/MZ. - Denn Erben ist auch Vorsitzender der Gedenkstättenstiftung des Landes - und das beschert ihm derzeit jede Menge Ärger. Drei Jahre existiert die Stiftung, doch schon vor ihrer Gründung war sie umstritten. Grund ist, dass in der Stiftung Opfer der Nazi- mit denen der DDR-Diktatur an einem Tisch sitzen. Ein explosives Gemisch, denn viele DDR-Opfer treffen dort - im übertragenen Sinn - zum Teil auf ihre Peiniger, die zwar unter den Nazis gelitten haben, dann aber unter Ulbricht und Honecker andere leiden ließen.

Als nun die Landeszentrale für politische Bildung dies gemeinsam mit der Gedenkstättenstiftung in einer Lehrerfortbildung thematisieren wollte, ahnte Erben den Eklat - und reagierte über. Wohl nicht aus politischem Kalkül - er gilt als Realo -, sondern aus Sorge, dass ihm die Stiftung um die Ohren fliegt, verbot Erben deren Mitarbeitern und denen des Innenministeriums die Teilnahme an der Tagung und verstieg sich in der Aussage, Nationalsozialismus und DDR sollten gleichgesetzt werden. Seitdem rollt eine Welle des Protests über ihn hinweg. Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, fordert indirekt Erbens Rücktritt. Gestern schloss sich dem der Chef der FDP-Landtagsfraktion, Veit Wolpert, an.

Der Langstreckenläufer Erben, der als Landrat in Weißenfels für die SPD startete, ist kurz vor Erreichen seines persönlichen Ziels - einem Ministeramt - ins Straucheln geraten. Dabei hat Erben bislang scheinbar alles richtig gemacht. 2005 holte der damalige SPD-Spitzenkandidat Jens Bullerjahn den damals erst 38-Jährigen in sein Wahlkampfteam und übertrug ihm die Verantwortung für die Finanzpolitik. Erben enttäuschte nicht - zum Dank gab es den Staatssekretärsjob

Doch auch dieser Posten ist für Erben nur eine weitere Stufe auf der Karriereleiter - das wurde schon bald nach seinem Amtsantritt klar. Während in anderen Ministerien die Rollen zwischen Staatssekretär und Minister klar verteilt sind - der eine zuständig für die innere Organisation des Hauses, der ander für die "Außen"-Politik - ist eine solche Trennung im Innenministerium kaum zu erkennen. Dem Vernehmen nach hatten sich Erben und sein Chef, Holger Hövelmann, darauf verständigt, öffentlichkeitswirksame Termine regional ausgewogen wahrzunehmen. Das brachte ihnen die Spitznamen "Minister Nord" (Hövelmann) und "Minister Süd" (Erben) ein. Freilich hielt die Absprache "Minister Süd" nicht davon ab, auch im Norden zu wildern.

Besonders auffällig wurde dies, als Hövelmann vor knapp eineinhalb Jahren lange krank war. Erben genoss die Ministerrolle in vollen Zügen und tauchte bei Terminen auch schon mal mit Leibwächtern auf. Doch trotz dieser Allüren gilt Erben als einer, der sich zwischen seinem Job in Magdeburg, dem Kreisvorsitz im Burgenlandkreis, dem Vize-Landesvorsitz und seiner Familie regelrecht aufreibt. Nicht nur in der SPD wird Erben dafür gelobt, dass er bienenfleißig und stets gut informiert ist. Seinem Chef eilt dieser Ruf nicht unbedingt voraus. Hövelmann quält sich stattdessen seit Beginn seiner Amtszeit mit Pannen und Skandalen herum, die um Erben meist einen Bogen machten. Und wenn er doch mal ins Kreuzfeuer geriet, fand er schnell die richtigen Worte. Freilich führte das auch dazu, dass ihm immer wieder Illoyalität unterstellt wurde. Erben bestritt das immer. "Es ist klar geregelt, wer Koch und Kellner ist", hat er mal gesagt. Und Hövelmann formulierte, dass er sich in keinem Wettstreit mit seinem Staatssekretär befände. Das stimmt. Denn Hövelmann hat diesen Wettstreit lange verloren.

"Erben hat seinen Minister an die Wand gespielt und sich auf die Seite von Bullerjahn und Fraktionschefin Katrin Budde geschlagen", sagt ein SPD-Fraktionsmitglied. Zwischen Erben und Hövelmann besteht nur noch ein Dienstverhältnis, wirklich zu sagen hat man sich nichts mehr. Doch in der SPD gibt es auch etliche, die Erbens Verhalten als überzogenen Ehrgeiz oder Opportunismus interpretieren. Auf einem Parteitag 2008 bekam Erben dafür die Quittung: Die Wiederwahl zum Parteivize scheiterte. Ein Denkzettel, der später zum Betriebsunfall umgedeutet wurde. Wirklich gebremst hat dies Erbens Karriere aber nicht.

Als Hövelmann Ende vergangenen Jahres als Parteichef abgewählt und von Bullerjahn und Budde de facto für politisch tot erklärt wurde, schlug die große Stunden des Weißenfelsers: Er wurde nicht nur wieder Parteivize. Bullerjahn, inzwischen wieder Spitzenkandidat, machte den 42-Jährigen auch zum Primus inter Pares in seinem neuen Kompetenzteam. Erben ist nicht nur wieder für Finanzen zuständig, sondern auch für den Innenbereich. Sollte die SPD wieder in Regierungsverantwortung kommen, ist klar, dass Erben einen der Ministerposten bekommt.

Und nun das: Ein politischer Schrittfehler, ein richtig großer Patzer. Ein Sozialdemokrat, der sich dem Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit ausgesetzt sieht, weil er Diktatur-Vergleiche scheut. "Das schadet ihm und das verunsichert ihn", glaubt ein Parteifreund. Erben wolle glänzen und Klassenbester sein, da schlage so etwas schwer ins Kontor.

Rüdiger Erben holt tief Luft: "Ich würde das mit dem Vergleich nicht wieder so zugespitzt formulieren", räumt er ein. Die Erfahrung der vergangenen Woche zeige, dass man so etwas entweder ganz ausführlich erklären oder ganz kurz halten muss. Beides hat er nicht getan, darum stehe er jetzt im Feuer, das verstehe er. Doch wie sich die Debatte entwickelt, nicht: "Das trifft mich schon persönlich, das wird zur Treibjagd." Aber so sei es nun einmal, das politische Leben, da komme so etwas immer wieder vor. Wirklich Sorgen um seine politische Karriere muss er sich hingegen nicht machen: Aus seiner Weißenfelser Heimat erfahre er viel Zuspruch und die Landtagsfraktion hat sich gerade demonstrativ hinter ihn gestellt.

Erben will los; eine große Runde laufen. Ende März plant er einen Halbmarathon in Berlin. Bis dahin sollen noch fünf Kilo runter. Und jede Menge Frust.