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Rücktritt Rücktritt: Abgang mit zwei Zeilen

Von BERNHARD HONNIGFORT 03.09.2009, 19:55

ERFURT/MZ. - Kurz vorher hat Dieter Althaus der Kanzlerin einen Brief geschrieben und ihr seine Absichten mitgeteilt. Das war's - ein letzter Dienst für Land und Partei.

Das Wahlergebnis vom Sonntag hatte dem 51-Jährigen keinen anderen Ausweg gelassen: Seine CDU hatte die absolute Mehrheit eingebüßt und war auf die Gnade der SPD angewiesen. Die SPD hatte erklärt, auf keinen Fall unter Ministerpräsident Althaus mitregieren zu wollen. Althaus stand in einer Sackgasse.

Der Rücktritt dürfte für ihn Erlösung sein. Zu stark war der Druck in den eigenen Reihen geworden. Immer mehr Parteifreunde murrten in Thüringen. Ob Vera Lengsfeld, die Bundestagsabgeordnete, ob scheidende Landtagspolitiker, Landräte oder Bürgermeister: Ein Chor hatte zu summen begonnen. CDU-Fraktionschef Mike Mohring erklärte zwar noch einmal tapfer, Althaus' Position sei mit der SPD nicht verhandelbar. Was er nicht sagte, hallte umso lauter durchs Land: Er muss von selber gehen.

Reden ohne Inhalt

Es war nicht nur der Druck aus den eigenen Reihen. Althaus war offenbar nicht mehr in der Lage, eine Regierung zu führen, einen 16-Stunden-Tag durchzustehen. Er war nicht der Alte, wie er stets behauptete. Wer seinen Wahlkampf miterlebt hat, sah einen häufig total abgespannten Mann, der bloß ein Programm abspulte, wie eine Maschine. Seine Reden waren dabei ohne Inhalt. Er lobte das Land, alles war wunderschön. Eine Schlagersängerin begleitete ihn, sang das Rennsteiglied. Dann bat er darum, gewählt zu werden.

Er trat im Fernsehen auf. Einmal, gegen die Herausforderer Bodo Ramelow (Linke) und Christoph Matschie (SPD). Beiden wirkten frisch und frech. Althaus müde und grau, bleischwer kamen inhaltsarme Sätze aus seinem Mund. Es war eine mehrwöchige Quälerei, die keinem verborgen geblieben war. Es war wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Dieter Althaus zog durchs Land und hatte nichts mehr an. Aber seine Leute machten die Augen zu und schritten nicht ein. Sie schmeichelten ihm und glaubten den Beteuerungen, er werde es noch einmal schaffen.

Erst in der Wahlnacht schrie ein kleiner Junge: "Er hat ja gar nichts an." Das Wahldesaster, der Ansehensverlust, all das wirkte wie der Ruf des kleinen Jungen: Althaus hatte nichts mehr an. Zuhause in Heiligenstadt, seiner katholischen Bastion im Eichsfeld, selbst dort hatte Althaus fast 20 Punkte verloren. Plötzlich war: Nichts.

Althaus hat sich und seiner CDU viel zu viel zugemutet. Am 1. Januar 2009 war er in Österreich auf einer Piste mit der 41-jährigen Skifahrerin Beata Christandl zusammengestoßen. Sie starb, Althaus überlebte knapp mit schwersten Kopfverletzungen. Wochenlang war unklar, ob Althaus jemals gesund wird, ob er jemals wieder wird regieren können. Doch Althaus kämpfte sich wieder zurück. Der Mann ist Extremsportler: Klettern, Mountainbike, Ski, Tauchen. Schon im April verließ er die Klinik, übernahm die Regierungsgeschäfte. Viel zu früh, sagen Leute, die sich mit derart traumatischen Erlebnissen auskennen.

Verurteilung in Österreich

Ein österreichisches Gericht verurteilte ihn zu 33 300 Euro Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Außerdem 5 000 Euro Schmerzensgeld. Althaus wollte allen zeigen: Ich bin wieder fit. Ich bin der Alte. Keine Pause, kein Nachdenken, keine Schonung. Sein Alltag bestand aus kämpfen, nicht aufgeben. Und er konnte nicht widerstehen, schlachtete das Unglück aus.

Er erzählte den Klatschblättern, er habe am Grab der Toten gestanden. Er bete jeden Tag für die Tote und ihre Familie. Warum? Althaus hat noch nie den Verlockungen der Medien widerstehen können. Er war ein Schlagzeilenjunkie. Direkt vor der Wahl wollte er noch schnell den Solidarbeitrag abschaffen. Ein typischer Althaus. Und als Halbgesunder, der eine Wahl gewinnen musste, hatte er sein Privatleben dem Boulevard angeboten. Was folgte, war zu schmierig, zu durchschaubar. Die Thüringer haben ihm das nicht verziehen.

Althaus war ein Mann der Kanzlerin, galt als wichtigster Ministerpräsident im Osten. Doch viel hat er nicht gemacht in Thüringen. Jahrelang schimpfte die Opposition, er sei nichts als ein Schuldenmacher. Angst vor echten Reformen. Mal hü, mal hott. Am Ende passierte oft nichts. Nur die Leute wurden unruhiger. Mahnten Schulreformen an, forderten mehr Demokratie oder dass sich die Regierung mit Neonazis befasse. Althaus hatte schon lange nichts mehr an.

Als er 2008 sein Kabinett umbilden wollte, kam ein Desaster heraus: Karl-Heinz Gasser, der mit der Polizeireform überforderte Innenminister, hatte hingeworfen. Althaus wollte einen Totalumbau seiner Regierung, holte sich den CDU-Politiker Peter Krause als möglichen Kultusminister. Der Mann hatte für die rechtslastige Neue Freiheit als Redakteur gearbeitet und galt unter Kulturleuten als inakzeptabel. Althaus scheiterte mit der Personalie Krause - und verlor danach alle Lust. Jetzt das politische Ende in zwei Zeilen. Und ein Mann, der sich dringend erholen sollte.