Romonta Amsdorf Romonta Amsdorf: Kippenrutsch ist größer als in Nachterstedt

Halle (Saale)/Amsdorf/MZ - Die Zufahrten sind mit Findlingen blockiert; Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes wachen darüber, dass niemand dem Tagebau des Montanwachsherstellers Romonta in Amsdorf (Mansfeld-Südharz) zu nahe kommt. Den Rest besorgt der Nebel. So ist kaum zu sehen, welche Erdmassen in der Nacht zum 6. Januar hier in Bewegung gerieten. Die Dimensionen sind gewaltig. Gewaltiger noch als bei der Katastrophe von Nachterstedt im Juli 2009.
Damals waren rund 4,5 Millionen Kubikmeter Haldenmaterial und Böschung in Bewegung geraten, in Amsdorf sind es nach Schätzungen eines Bergbauexperten, der anonym bleiben will, bis zu acht Millionen Kubikmeter der südlichen Kippe. Dies sei der gesamte Abraum der Grube der vergangenen ein bis zwei Jahre. Und fast das Doppelte dessen, was in Nachterstedt in die Tiefe rutschte und drei Menschen in den Tod riss. Trifft die Schätzung zu, wäre dies wohl eine der größten Kippenrutschungen in Deutschland in den vergangenen zwei Jahrzehnten.
Noch keine konkreten Zahlen nach der Vermessung
Auf immerhin rund sechs Millionen Kubikmeter schätzte gestern der amtierende Chef des Landesbergamtes, Bodo-Carlo Ehling, die Massen und sprach von einem Ereignis erheblichen Ausmaßes. Romonta habe die Rutschung zwar bereits vermessen, aber noch keine konkreten Zahlen vorgelegt. „Von den Dimensionen her kann man das aber durchaus mit Nachterstedt vergleichen“, so Ehling.
Die Prozesse seien allerdings anders verlaufen: In Nachterstedt rutschte die Halde in Sekunden ab, in Amsdorf „dauerte das mehrere Stunden“, so Ehling. Wohl auch dieser Umstand dürfte dazu beigetragen haben, dass keiner der Beschäftigten der Nachtschicht am 5.?Januar Schaden nahm. Die sogenannte Böschungsdeformation hatte sich durch Geräusche angekündigt, den Männern blieb Zeit zur Flucht. Und: Sie arbeiteten offensichtlich auf der Kippe und nicht auf der Sohle der Grube.
„Der Schaden ist erheblich.“
Was bislang auch nicht bekannt war: Nicht nur der Absetzer für den Abraum geriet in Schieflage - vielmehr verschütteten die Erdmassen große Teile der Fördertechnik, etwa einen Schaufelradbagger, Bandanlagen zum Abtransport der Kohle und weitere mobile Gerätschaften.
„Der Schaden ist erheblich“, bestätigte Ehling. Romonta selber hatte bislang nur die Probleme mit dem Absetzer eingeräumt und äußerte sich nicht zur Höhe des Schadens. Doch auch so ist absehbar, dass Romonta wohl noch lange mit den Folgen des Unglücks zu kämpfen haben wird. Gestern gab es ein erstes Treffen zwischen den Romonta-Verantwortlichen und Experten des Bergamtes.
Zügigere Untersuchung als in Nachterstedt zugesichert
„Wir haben über die Konzeption zur Untersuchung des Unglücks gesprochen, das ist für uns jetzt das A und O“, so Ehling. Zu klären seien ganz ähnliche Fragen wie bei der Katastrophe in Nachterstedt: Welche Rolle spielte das Grundwasser als möglicher Auslöser? Aus welchem Material war die Kippe zusammengesetzt? Gab es Altbergbau? Das zu erkunden, dürfte „mehrere Monate in Anspruch nehmen“. Ehling sicherte unterdessen eine deutlich zügigere Untersuchung als in Nachterstedt zu, die fast vier Jahre dauert. Dennoch „halte ich es nicht für realistisch, dass die Produktion im Tagebau in diesem Jahr wieder aufgenommen werden kann“, sagte Ehling. Damit dürfte auch der Plan Romontas, ein neues Abbaufeld zu erschließen und im kommenden Jahr in Betrieb zu nehmen, ins Wanken geraten.
Die Produktion von jährlich rund 19.000 Tonnen Montanwachs für die chemische Industrie sei bislang nicht gefährdet, hatte das Unternehmen bislang erklärt. Für die Produktion werden täglich 1.500 Tonnen Braunkohle aus dem Tagebau Schleenhain bei Leipzig per Lkw nach Amsdorf gefahren. Das Unternehmen, das nach eigenen Angaben mehr als 400 Mitarbeiter beschäftigt, äußerte sich gestern nicht.
