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Reinhard Höppner Reinhard Höppner: Abschiedsgottesdienst für Ex-Ministerpräsident

Von Hendrik Kranert-Rydzy 16.06.2014, 04:55
Am Abschiedsgottesdienst nahmen auch der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (links) Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (erste Reihe Mitte) und Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts (erste Reihe 2.v.r.) teil sowie Landesbischöfin Ilse Junkermann (rechts).
Am Abschiedsgottesdienst nahmen auch der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (links) Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (erste Reihe Mitte) und Reiner Haseloff, Ministerpräsident Sachsen-Anhalts (erste Reihe 2.v.r.) teil sowie Landesbischöfin Ilse Junkermann (rechts). dpa Lizenz

Magdeburg/MZ - Pfingstsonnabend saß Reinhard Höppner noch mit Freunden zusammen im Garten. Inmitten der Blumen, die er so liebte. „Du warst so voller Dankbarkeit“, erinnerte sich Elisabeth Raiser, langjährige Freundin und Wegbegleiterin des ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. Eine Woche später steht Raiser im Magdeburger Dom hinter Höppners Sarg. Ein schlichter Sarg, aber üppig geschmückt mit gelben Rosen, weißen Orchideen und Lilien und blauem Rittersporn. Keine 48 Stunden nach ihrer letzten Begegnung war der 65-Jährige am Pfingstmontag einem langjährigen Krebsleiden erlegen.

Mehr als 700 Gäste

Es sei ein Abschieds-, kein Trauergottesdienst, betont der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, vor den mehr als 700 Gästen. „Wir wollen lächeln, wenn auch unter Tränen“, sagt Schneider. Neben der Familie sind viele Freunde und langjährige Wegbegleiter in den Magdeburger Dom gekommen. Zum Beispiel der letzte Ministerpräsident der DDR, Lothar de Maizière (CDU). Höppner, der spätere Sozialdemokrat, und de Maizière hatten schon zu DDR-Zeiten in der evangelischen Kirche zusammengearbeitet - Höppner als Präses der Synode, de Maizière als Vize-Präses des Kirchenbundes - um der sozialistischen Diktatur gemeinsam Paroli zu bieten.

Nach der friedlichen Revolution saßen sich die beiden Männer noch viel öfter gegenüber. „Höppner, Richard Schröder und ich haben die letzte Große Koalition der DDR gebastelt“, sagt de Maizière der MZ. Und Höppner sei es gewesen, der als Vize-Präsident der Volkskammer „in der entscheidenden Nacht vom 22. auf den 23. August 1990 ein überragender Versammlungsleiter war, als wir den Weg zur deutschen Einheit festzurrten“. Der Sozialdemokrat und der Christdemokrat seien nicht immer einer Meinung gewesen, „doch es lief immer fair zwischen uns“. Höppners Rolle als parteiübergreifender Mittler und Fixpunkt in einer unruhigen Zeit wird immer wieder gewürdigt. So wundert es nicht, dass auch einstige politische Gegner in den Reihen der Trauernden sitzen - Ex-Bauminister Karl-Heinz Daehre (CDU) etwa oder der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP). Für die Union sind auch Ministerpräsident Reiner Haseloff - er spricht für Höppner eine Fürbitte - sowie Landtagspräsident Detlef Gürth und dessen Vorgänger, Dieter Steinecke und Fraktionschef André Schröder erschienen.

Ein Mann, der sich zurücknehmen konnte

Das grüne Bürgerrechtsurgestein Jochen Tscheche ist da, ebenso die ehemalige Grünen-Vorsitzende Undine Kurth und die amtierenden Landeschefin Cornelia Lüddemann. Für die Linken, die Höppner als erster Ministerpräsident aus der politischen Schmuddelecke nach der Wende holte und seine Minderheitsregierungen von ihnen tolerieren ließ, sind die damalige Fraktionschefin Petra Sitte und ihr Nachfolger Wulf Gallert gekommen. Ex-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee ist da, ebenso der einstige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe. Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier, der ebenso am Gottesdienst teilnimmt, wie Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (alle SPD), lobt Höppner im Gespräch mit der MZ als jemanden, „der in einer Zeit, als die Menschen Orientierung suchten, in der Lage war, ihnen Orientierung zu geben“. Höppner habe den in der Politik so untypischen Wesenszug besessen, sich zurücknehmen zu können. „Er war beharrlich, ohne überheblich zu sein“, sagte Steinmeier, „und jemand, der Politik und Glauben zusammengebracht hat“.

Ein Fähigkeit, die auch Kirchenpräsident Schneider in einer tröstlichen und feinsinnigen Predigt immer wieder würdigt. „Nach der Abwahl als Ministerpräsident hat er gelassen Brombeeren gepflückt - das fand ich großartig“, sagt Schneider. Höppner habe abgewogen, wo sich Auseinandersetzungen lohnten, um Probleme zu lösen - und wo man Sachverhalte als unveränderbar akzeptieren musste. „Er war kein realitätsferner Don Quichotte, der sich in sinnlose Kämpfe stürzte.“

Geschichten aus Kindertagen

Die wohl emotionalsten Momente dieses Gottesdienstes waren, als Höppners Kinder Ulrike, Miriam und Friedmann gemeinsam eine Geschichte aus Kindheitstagen vortrugen. Und als Höppners Ehefrau Renate ganz zum Schluss mit fester Stimme ihrem Mann und all jenen, die für ihn da waren, dankte. Nur einmal zitterte Renate Höppners Stimme: Als sie erzählte, dass ihr Mann so gern das Reformationsjubiläum 2017 mitgefeiert hätte. Es war dem großen Naturwissenschaftler, Kirchenmann und Politiker nicht vergönnt. Am Sonnabendnachmittag wurde Höppner, der 65 Jahre alte wurde, unter großer öffentlicher Anteilnahme auf dem Magdeburger Westfriedhof beigesetzt.