Prozess Prozess: Vor Zugunglück in Hordorf mehrere Zwischenfälle

Magdeburg/MZ. - Im Prozess um das Zugunglück von Hordorf (Börde), bei dem im Januar 2011 zehn Menschen starben und 23 verletzt wurden, hat Verteidiger Dietmar Weitzel am Dienstag die Deutsche Bahn kritisiert. Weitzel regte an, einen Wissenschaftler zu hören, nach dessen Angaben es bereits 1997 eine Lenkungsgruppe und im Jahr 2000 ein Sofortprogramm für die Nachrüstung von Bahnstrecken mit der „Punktförmigen Zugbeeinflussung“ (PZB) gegeben habe. Die Technik löst automatisch eine Zwangsbremsung aus, wenn ein Lokführer Haltesignale überfährt. An der Unglücksstelle in Hordorf hätte sie demnach, so Weitzel, 2008 installiert werden sollen.
Beinahe-Unfall 2008
Im Februar 2008 kam es nach einem am Dienstag verlesenen Schreiben in Hordorf zu einer ähnlichen Situation wie bei dem Unglück: Ein Güterzug überfuhr Signale - ist damals aber nur beinahe mit einem auf eingleisiger Strecke entgegenkommenden Zug kollidiert. Trotz des ursprünglichen Plans und dieses Beinahe-Unfalls habe sich aber nichts getan, so Weitzel. „Es musste offenbar erst Tote und Verletzte geben.“ In Hordorf war die PZB im Sommer 2011 - nach dem Unglück - eingerichtet worden. Rechtlich war sie laut Bahn nicht vorgeschrieben. Die private Betreibergesellschaft des verunglückten Harz-Elbe-Express hatte im Ermittlungsverfahren fünf brenzlige Situationen auf ihren Strecken zwischen 2006 und 2009 aufgelistet - immer wieder spielte in der Auswertung die fehlende PZB eine Rolle.
Lok-Theorie bröckelt weiter
Im Prozess ist der 41-jährige Lokführer eines Güterzuges angeklagt - er soll am 29. Januar 2011 zwei Haltesignale überfahren und so die Kollision mit einem Harz-Elbe-Express verursacht haben. Die Signale waren korrekt gestellt, bestätigten nun Mitarbeiter der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle. Ein anderer Lokführer, der den Unglücksort 15 Minuten zuvor passierte, berichtete am Dienstag von starkem Nebel, vor allem um Hordorf. Man habe „suchen müssen, wo ein Signal ist“, die Sichtweite nach vorn habe bei 80 bis 100 Metern gelegen.
Eine Rolle spielte erneut die Frage, auf welcher der beiden Loks, die den Güterzug zogen, der Angeklagte saß - welche Sicht er mithin hatte. So wurde ein Ingenieur vernommen, der nach dem Unglück einen digitalen Fehlerspeicher ausgewertet hat, der laut Polizei von der ersten Lok stammte. Er halte es für ausgeschlossen, dass der Zug von der zweiten Lok aus gesteuert wurde, sagte er. Ähnlich hatten sich zuvor andere Techniker geäußert. Zwar sagte ein Zeuge am Dienstag aus, er habe an einem Bahnübergang vor Halberstadt gesehen, dass der Lokführer in der zweiten Lok war. Er will den Güterzug auch auf Zeitungsfotos wiedererkannt haben. Allerdings, räumte selbst ein Nebenklage-Anwalt später ein, stimmt seine Zeitangabe nicht mit der überein, zu der der Unglückszug die Stelle passiert haben muss.
