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Prozess Prozess: Erleichterung in Saal A 23

Von Katrin Löwe 07.04.2006, 17:50

Magdeburg/MZ. - Es ist das erste Mal, dass Bernd N. beim Betreten des Gerichts sein Gesicht nicht vor den Kameras versteckt. In Handschellen wird der 49-Jährige in den Saal A 23 geführt, seine sonst obligatorisch über den Kopf gezogene grüne Fleecejacke bleibt unten. Es ist, als wüsste er schon, dass er nie wieder auf der Straße von jemandem erkannt werden kann.

Erst wenig später zeigt sich der gebürtige Brieskow-Finkenheerder wie an den vorherigen sechs Verhandlungstagen am Magdeburger Landgericht: Er sitzt da, den Kopf gesenkt, die Hände vor dem Gesicht. Kein Blick zu der Frau, deren Kind er vor fast zehneinhalb Jahren umgebracht hat. Keine Reaktion auf die Frage von Reportern, ob es nach dem Urteil eine Entschuldigung von ihm geben wird. Nur sein Verteidiger Perry Andrae zuckt hilflos mit den Schultern. "Was soll man da entschuldigen?", fragt er bedrückt. Es gibt keine Entschuldigung für den Mord.

Dass N., arbeitsloser Vater dreier Kinder, am 5. November 1995 die siebenjährige Maria Juhl in Haldensleben unter einem Vorwand in sein Auto gelockt, sexuell missbraucht und getötet hat, daran zweifelt vor dem Urteil niemand. Was alle gespannt erwarten, ist die Entscheidung über eine mögliche Sicherungsverwahrung. Darauf wartet auch Marias Mutter, Bürgit Juhl. Sie hat die weiße Bluse an, das letzte Geburtstagsgeschenk, zu dem Maria ihr Gespartes beitrug. Vor ihr liegt ein Schlüsselanhänger mit dem Bild der Siebenjährigen.

Punkt 11 Uhr zieht ein Lächeln ins Gesicht von Bürgit Juhl. Ein befreites, fast triumphierendes "Ja!" ist im Zuhörersaal zu vernehmen. Richterin Claudia Methling hat gerade das Urteil verlesen: lebenslange Haft für Bernd N. wegen Mordes, Freiheitsberaubung, versuchter Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Missbrauchs. Die besondere Schwere der Schuld wird festgestellt. Und: "Die Sicherungsverwahrung wird angeordnet."

Noch ein einziges Mal muss Bürgit Juhl die grausamen Details hören, als die Richterin die Urteilsbegründung verliest. Als sie schildert, wie Bernd N. das kleine Mädchen auf einem Hochsitz im Wald missbrauchte und mit einem Messer schwer verletzte. "Maria hätte noch gerettet werden können", sagt die Richterin. Die Angst vor Strafe sei für N. aber wichtiger gewesen. Er steckte das Mädchen in einen Müllsack, versenkte es - noch lebend - in einem Teich. Es sei die "erbarmungslose und qualvolle Behandlung des Kindes, welches Unsägliches erlitten haben muss", was die Schuld besonders schwer wiegen lasse, so Methling. Auch zur Sicherungsverwahrung ist ihre Aussage klar: Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sich an der pädophilen Neigung des Angeklagten bis heute etwas geändert hätte, dass er nicht weiter seinen Impulsen notfalls mit Gewalt nachgeht. N. habe zu jeder Zeit - auch beim späteren Missbrauch zweier 13-Jähriger - das Unrecht seines Handelns erkennen können.

"Das ist ein freudiger Tag. Und sollte eine Warnung an alle sein, die sich an Kindern vergreifen", sagt Bürgit Juhl später. Ob ihr Leben sich wieder bessern wird - sie weiß es nicht. Klaus Juhl, von seiner Frau geschieden, will sein Leben nun neu in Angriff nehmen. Etwas gegen seine Herzprobleme und gegen die Probleme mit dem Alkohol unternehmen, in dem er den Kummer über Marias Tod ertränkte. "Ich will nicht nochmal meine Familie verlieren", sagt der inzwischen neu verheiratete Vater Marias. Wichtig war für ihn vorher eines: "Dass dieser Mann keinem Kind mehr etwas tun kann."

Vor dem Gericht hat ein junger Mann mahnend Kerzen aufgestellt. Sieben Stück sind es. Maria wurde sieben Jahre alt.