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Professor Werner Hein Professor Werner Hein: Kämpfer mit wehendem Kittel

Von Iris Stein 17.02.2004, 20:33

Halle/MZ. - Langsam gehen? Das kann er nicht. Auf den Fluren "seiner" Klinik in Halle ist Professor Werner Hein mit flatternden Kittelschößen unterwegs, der Besucherschritt nähert sich - um mitzuhalten - bereits dem Dauerlauf. Dabei doziert der Chef druckreif über medizinische und sonstige Probleme und registriert jede Kleinigkeit, die ihm im Arbeitsalltag auffällt. Tadelt, weist an, bestimmt.

Niemand merkt ihm an - auch am späten Nachmittag nicht -, wie lange er schon auf den Beinen ist. Dabei gilt es als offenes Geheimnis, dass Werner Hein zwischen 4 und 4.30 Uhr aufsteht, zu Hause in Leipzig eine lange Runde auf dem Hometrainer strampelt, um anschließend nach Halle aufzubrechen. "Leben am Limit" nennt er als seine Maxime. Seit 1986 ist der Professor Chef der orthopädischen Universitätsklinik und kennt deren wechselvolle Geschichte aus dem Effeff. Nicht zuletzt hat er sie selbst mitbestimmt.

Als Hein nach Halle kam, befand sich die Orthopädie noch in der Segner-Straße. Die Arbeitsbedingungen dort waren alles andere als einfach, ganz zu schweigen von den Verhältnissen für die Patienten. Da galt es schon als Fortschritt, dass die Klinik schließlich auf das Gelände an der Magdeburger Straße umzog. Doch auch dort gab es seinerzeit noch jede Menge Unzulänglichkeiten bis dahin, dass operierte Patienten über den Hof auf ihre Station transportiert wurden.

Der Professor kämpfte für seine Kranken und die Verbesserung der Verhältnisse. Mit Vehemenz und auch mit Lautstärke. Das erkennen auch die an, die dabei nicht zu seinen Freunden wurden. Reichlich Gelegenheit, sich einzusetzen, bot die Rekonstruktion der Klinik nach der Wende. Angeblich hat Hein keine Bauberatung versäumt und auch jeden Bauarbeiter persönlich gekannt. Napoleon ist ihm als Person der Geschichte sympathisch. Eventuelle Ähnlichkeiten zwischen Feld- und Bauherrn sind natürlich rein zufällig. Für rund 40 Millionen Mark entstanden OP-Säle und Stationen vom Feinsten - zufrieden ist der Chef nicht, er hat schon wieder einen neuen Plan.

Noch in diesem Jahr wird auch die Orthopädie nach Kröllwitz in den Neubau der Unikliniken ziehen. Das allein war dem Professor nicht genug. Deshalb soll zugleich ein Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie entstehen, die damit wieder an der Universität etabliert wird, nachdem sie 1995 aufgegeben worden war. Die Zukunft des Hauses in der Magdeburger Straße sieht Werner Hein als Reha-Zentrum und Sportklinik, die gemeinsam mit niedergelassenen Kollegen betrieben werden soll.

Wenige Akut-Betten in Kröllwitz, Sofort-Rehabilitation in der bisherigen Klinik - "damit wollen wir dazu beitragen, dass die Kosten im Gesundheitswesen reduziert werden", sagt Hein. Qualitativ und quantitativ will er die Leistungen der Klinik weiter steigern. Während derzeit etwa 2 200 Patienten jährlich behandelt werden, sieht er Bedarf und Kapazitäten bei 3 500 bis 5 000. Die Schwerpunkte Gelenkoperationen und -ersatz (Knie und Hüfte), Wirbelsäulenchirurgie, Sportorthopädie, Tumorchirurgie und Kinderorthopädie bleiben.

Halles orthopädische Uni-Klinik gilt als Top-Adresse für die Ausbildung, sie ist Hospitationseinrichtung, veranstaltet Workshops und Seminare. Seit vorigem Jahr werden neuartige Hüftgelenkprothesen verwendet. So genannte Mayo-Prothesen, die minimalinvasiv, das heißt über einen nur sechs bis acht Zentimeter langen Schnitt ohne Muskelablösung eingesetzt werden können. Der Aufbau eines Endoprothesen-Registers ist Forschungsprojekt gemeinsam mit Wirtschaftswissenschaftlern und Informatikern der Universität.

Schafft er das alles, die vielen Pläne, die vielen Projekte? "Ach", meint Hein, der Vater zweier erwachsener Kinder ist und morgen seinen 60. Geburtstag feiert. Er räkelt sich genüsslich in einem Sessel und schaut auf die großen Gemälde seines Freundes, des Leipziger Malers Arno Rink, die sein Büro schmücken. Ein englisches Telefonat enthebt ihn weiterer Erklärungen. Dann grinst er entwaffnend und sagt fast schon schadenfroh vergnügt: "Ich gehe erst in fünf Jahren in Rente."