Polizeireform in Sachsen-Anhalt Polizeireform in Sachsen-Anhalt: "40 Kilometer sind die Schmerzgrenze"

Magdeburg - Holger Stahlknecht hat am Freitag einen schweren Gang vor sich: Sachsen-Anhalts Innenminister wird auf der Jahrestagung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Halle erwartet. Nicht genug, dass es dort wegen Stahlknechts Polizeireform ohnehin gärt - am Dienstag hat der CDU-Mann seinen Polizisten auch eine Dienstvereinbarung vorgelegt, die keine Kilometer-Begrenzung bei reformbedingten Versetzungen enthält. Das ist politischer Sprengstoff, der die gesamte Reform wieder in Frage stellen könnte.
Mit seiner Polizeireform will Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) die Kosten für den Polizeiapparat im Land senken. Dazu soll die Zahl der Polizisten im Jahr 2019 auf unter 6.000 sinken - derzeit sind es noch knapp 6.200.
Die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter soll von derzeit gut 1.500 auf 700 halbiert werden. Bislang plant Stahlknecht, alle 69 Polizeistationen zu schließen sowie etliche Revierkommissariate deutlich zu verkleinern.
Um die Flächenpräsenz der Polizei dennoch zu gewährleisten, sollen je Einheitsgemeinde mindestens zwei Revierbereichsbeamte auf Fußstreife gehen. Für die Präsenz auf den Straßen sollen Streifenbereiche mit 24 Kilometer Durchmesser gebildet werden, in denen rund um die Uhr mindestens ein Streifenwagen patrouilliert. Den Plan, auch die Zahl der Polizeidirektionen zu reduzieren, lehnte die SPD ab. (hk)
Das Kabinett hatte Stahlknechts Reform unter anderem unter der Bedingung abgesegnet, dass mit dem Hauptpersonalrat der Polizei und den Gewerkschaften eine Dienstvereinbarung zur sozialverträglichen Umsetzung der Reform abgeschlossen wird. Einen rechtlichen Anspruch darauf gibt das Beamtengesetz des Landes zwar nicht her, doch eine solche Vereinbarung hilft, die Fronten hin zu den Gewerkschaften aufzuweichen. Ein Kernpunkt der Vereinbarung sollte nach Willen der Polizei sein, dass künftig kein Beamter weiter als 40 Kilometer von seinem Dienst- oder Wohnort versetzt werden kann. Am Mittwoch nun teilte Stahlknechts Staatssekretär Ulf Gundlach (CDU) den drei Gewerkschaften und dem Hauptpersonalrat mit, dass man dieser Forderung nicht entsprechen könne. „Im Hinblick auf das Personalmanagement bei der Polizei und unter Gleichstellungsgrundsätzen gegenüber anderen Landesbediensteten ist das nicht vertretbar“, sagte Stahlknecht der MZ.
Schwierigkeiten in der Altmark und im Raum Wittenberg
Würde man Polizisten nicht mehr als 40 Kilometer versetzen dürfen, geriete die ganze Polizeireform ins Wanken. Schwierigkeiten gebe es bereits bei den Einsatzkreisen für Funkstreifenbesatzungen in der Altmark und im Bereich Wittenberg; vor allem aber bei der Umsetzung von Verwaltungsmitarbeitern. „Wir gehen von einer vierstelligen Zahl von Mitarbeitern aus, die nicht versetzt werden könnten“, sagte Gundlach. Zudem sei der Wunsch der Polizisten auf Besserstellung gegenüber anderen Landesbeamten nicht vermittelbar. „Ich kann das im Kabinett nicht durchsetzen, die fragen mich, ob ich Fieber habe“, so Stahlknecht.
Nach MZ-Informationen hat Stahlknecht aber genau das versucht: Dem Vernehmen nach hatte er zähneknirschend der Forderung von GdP und Hauptpersonalrat bereits zugestimmt, war dann aber am Dienstag kurz vor der Kabinettssitzung von seinen CDU-Ministerkollegen zurückgepfiffen worden. Stahlknecht formuliert es so: Er sei sich mit Staatsminister Rainer Robra und Ministerpräsident Reiner Haseloff (beide CDU) einig, die Dienstvereinbarung nur ohne Kilometerbegrenzung zu unterschreiben. Stattdessen sollen die 40 Kilometer ein Punkt unter mehreren Kriterien bei der Sozialauswahl zu versetzender Beamten sein. Was Stahlknecht auch nicht sagt: In einer Dienstvereinbarung zur Polizeireform 2007 gab es eine pauschale Versetzungsgrenze - sie lag pauschal bei 30 Kilometer.
„Die wollen wir jetzt auch, 40 Kilometer sind für uns die Schmerzgrenze“, sagte GdP-Landeschef Uwe Petermann. Wenn Stahlknecht nicht wolle, „muss eben der Ministerpräsident entscheiden, das hat ja schon einmal funktioniert“. Sollte sich auch dieser weigern, könne Stahlknecht „seinen Dreck alleine machen, dann stellen wir uns auf die Seite der Kritiker der Reform“, so Petermann. Ob das als Versuch, die Reform zu Fall zu bringen, zu verstehen sei? „Dazu sage ich noch nichts, das erklären wir erst einmal dem Minister“, sagte Petermann. Im Innenministerium ist man jedenfalls alarmiert: „Wir sind noch nicht über die Runden“, hieß es. (mz)