1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Pfandhaus: Pfandhaus: Die letzte Adresse für Schuldner

Pfandhaus Pfandhaus: Die letzte Adresse für Schuldner

Von RALF BÖHME 22.06.2011, 19:17

Halle (Saale)/MZ. - Ist diese Uhr tatsächlich 15 000 Euro wert? Oder handelt es sich doch nur um eine billige Fälschung? Nicht alles, was glänzt, ist auch aus purem Gold. Hardy Fiegert muss deshalb stets wachsam sein: Sein gutes Geld kann er nur aus der Hand geben, wenn eine ordentliche Gegenleistung da ist. Sonst wäre der Betreiber des Pfandleihhauses bald selbst von der Pleite bedroht. Danach sieht es aber im Moment in Halle nicht aus. Im Gegenteil - gerade jetzt gegen Monatsende herrscht meistens Hochbetrieb.

Wer den Weg zu Fiegert findet, dem bleibt oft keine Wahl. Der Laden im Händel-Carré mitten in der City ist erste und letzte Adresse für alle, die von den Banken kein Geld (mehr) bekommen. Das Geschäft, das Kunden aus ganz Sachsen-Anhalt aufsuchen, besitzt zudem einen großen Vorteil: Man steht hier nicht als armer Schuldner da. Schließlich ist immer ein Wertgegenstand hinterlegt. Und dafür kann es keinen Eintrag bei der Schufa geben. Das garantiert Fiegert seit 1996. Solange arbeitet der Mann aus Raßnitz (Saalekreis) als Pfandleiher und weiß deshalb, wie Konjunkturberichte zu deuten sind. Sein privater Maßstab: "Die Zahl meiner Kunden steigt an - langsam zwar, aber stetig." Obwohl der Sparwille wohl eher wächst, bedeutet das letztlich: Offenkundig geraten immer mehr Leute in finanzielle Engpässe und glauben, ihr Problem nur so schnell und vergleichsweise einfach lösen zu können.

Es gibt Hunderte von Kunden. Etliche davon sind schon wie alte Bekannte. Arbeitslose oder Geringverdiener gehören dazu. Um über die Runden zu kommen, erzählt der Geschäftsmann, müssen diese Leute mitunter Urgroßmutters schöne Kette auf den Tresen legen. Dafür gibt es zwar meist nicht viel, aber immerhin so viel, dass beispielsweise die Miete bezahlt werden kann. Drei Monate bleiben dann Zeit, das geliehene Geld nebst der anfallenden Gebühr zurückzubringen. Ansonsten kommt das Erinnerungsstück früher oder später auf einer Versteigerung unter den Hammer. Die Frist verlängert sich automatisch, wenn zwischenzeitlich wenigstens die Zinsen bezahlt werden. Der Spielraum, den Fiegert nutzen kann, ist gesetzlich geregelt - in der Pfandleihe-Verordnung von 1976. Festgeschrieben sind darin nicht nur das Verfahren und dessen zulässige Kosten, sondern auch wichtige Verpflichtungen des Unternehmens. Diverse Versicherungen beispielsweise sind Pflicht.

Der Grund: Solange sich der Kunde an die Vereinbarung hält, bleibt er Eigentümer und kann damit die Rückgabe des Pfandes beanspruchen. Und, weit mehr als die Hälfte der beliehenen Dinge wird wieder ausgelöst. Aber: Nicht alles, was einem vielleicht lieb und teuer ist, kann man beim Pfandleiher versilbern. Entscheidend für ihn ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, die Sachen wieder los zu werden. "Ein Pfandhaus ist kein Ramschladen", sagt Fiegert, der nebenbei noch Sachverständiger für Baumaschinen ist. Laptops finden, wenn sie vergleichsweise neu sind, sein geschäftliches Interesse. Staubsauger hingegen laufen gar nicht. Alles, was von häufigen Modellwechseln betroffen ist, gerät rasch zum Ladenhüter. Wertbeständiges steht dagegen hoch im Kurs.

Unternehmer wissen das und kalkulieren sogar damit. So beleiht ein mittelständischer Bauunternehmer, der dazu extra aus den alten Bundesländern nach Halle kommt, im auftragsarmen Winter einen Teil seiner wertvollen Münzsammlung. Von dem Geld, das der Mann auf die Hand bekommt, bezahlt er dann die Krankenkassenbeiträge für seine Angestellten.