Oberlandesgericht Naumburg Oberlandesgericht Naumburg: Raubkopien für Kollegen

Magdeburg - Das Oberlandesgericht (OLG) in Naumburg (Burgenlandkreis) ist in Sachsen-Anhalt Ort höchstinstanzlicher Entscheidungen. Darüber, sagen Juristen gerne, urteilten nur der Bundesgerichtshof und der liebe Gott. Insofern ist kaum vorstellbar, dass hinter der Pracht der neubarocken Fassade jahrelang kriminelle Aktivitäten im Gange gewesen sein sollen. Tausendfach wurden im Gericht sehr wahrscheinlich illegal Kopien von Filmen, Musik und E-Books gezogen und auf Steuerzahlerkosten auf Tausenden CDs und DVDs gebrannt. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt.
Wer war informiert?
Vorgänge, die dem Präsidenten des OLG, Winfried Schubert, jetzt auf die Füße fallen könnten. Das Justizministerium will nach MZ-Informationen den Juristen Dirk Nebel als Sonderermittler einsetzen. Nebel war lange Jahre im Rechtsberatungsdienst des Landtages tätig und ist derzeit Abteilungsleiter im Kultusministerium. Justiz-Staatssekretär Thomas Wünsch (SPD) bestätigte zwar, dass es einen externen Ermittler geben soll, äußerte sich aber noch nicht zu Namen. Ins Zentrum der Untersuchung hat sich OLG-Präsident Schubert selbst manövriert: Er war damit beauftragt, die Vorgänge zu untersuchen und dem Ministerium Bericht zu erstatten. Doch das fiel unzureichend aus, wie Staatssekretär Wünsch bestätigte: „Ich habe den Präsidenten gebeten, nachzuberichten.“ Dass Schubert dies in der gebotenen Detailtreue erledigt, glaubt Wünsch wohl nicht - und setzt nun auf einen externen Gutachter.
Ein ungewöhnlicher Weg, der politische Folgen haben könnte. Denn Schubert war erst Mitte November 2014 erneut zum Präsidenten des Landesverfassungsgerichtes gewählt worden.
Wunschinski wurde bereits im Sommer angesprochen
Die Frage, die sich nun viele im politischen Raum stellen, ist: Wer wusste bereits vor Schuberts Wiederwahl von den Vorgängen? Rückgängig gemacht werden kann die Wahl nicht - es sei denn, Schubert tritt von sich aus zurück. Rechtsausschussvorsitzender Ralf Wunschinski (CDU) bestätigte am Montag, dass er bereits im Sommer 2014 Justizministerin Angela Kolb (SPD) auf das Thema detailliert angesprochen habe.
Land geht in Revision
Aktenkundig wurde jedenfalls bereits am 13. Dezember 2013, was jahrelang in Naumburg vor sich ging. An diesem Tag verwarf das Arbeitsgericht Halle in erster Instanz eine außerordentliche und eine ordentliche Kündigung des Landes Sachsen-Anhalt gegen einen heute 60-jährigen IT-Fachmann des OLG Naumburg. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil zweitinstanzlich bestätigt - das Land geht jetzt in Revision.
Zwar ist unstrittig, dass en masse auf einem Dienstrechner der IT-Abteilung Musik, E-Books und Filme gespeichert und vermutlich illegal kopiert wurden. Diesen Schluss lässt jedenfalls der Fund eines Programms auf besagtem Rechner zu, mit dem sich der Kopierschutz auf CDs und DVDs aushebeln lässt. Zudem wurden Tausende CD-Booklets auf den Farbdruckern des Hauses vervielfältigt. Gebrannt wurden die gefundenen 6?500 Dateien ganz offensichtlich auf Unmengen DVDs und CDs, die - vom Steuerzahler finanziert - für den Dienstgebrauch im OLG bestellt waren. Mindestens 1?128?DVDs wurden bespielt, der Verbleib von weiteren 2?325 DVDs und 1?500 CDs ist bis heute unklar.
Private Computer gewartet
Die halleschen Arbeitsrichter folgten jedoch nicht der Auffassung des Landes, dass der IT-Spezialist ein Einzeltäter war - sondern dass sich deutlich mehr Mitarbeiter des OLG in der hausinternen Unterhaltungsdatenbank bedienten. Dafür spricht, dass der Rechner des besagten Mitarbeiters auch in Betrieb war, als der Mann selber gar nicht im Büro war: „Wie es der Kläger allerdings hat anstellen sollen, aus seinem Neuseeland-Urlaub zwischenzeitlich das OLG aufzusuchen, nur um ein paar CDs zu brennen, konnte niemand schlüssig klären“, stellen die Richter mit Süffisanz fest.
Hinzu kommt, dass der IT-Fachmann sogar im Auftrag der Richterschaft deren private Computer und die Rechner von Verwandten von Richtern wartete. Mit Billigung der OLG-Spitze. (mz)