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Naumburger Straßenbahn Naumburger Straßenbahn: Wilde Zicke für Touristen flott

Von Albrecht Günther 02.05.2004, 14:21

Naumburg. - Gemeinsam mit dem 1991 gegründeten Verein Nahverkehrsfreunde Naumburg-Jena hat sich der Geschäftsführer der Naumburger Straßenbahn GmbH beharrlich dafür eingesetzt, dass die "Ille", wie die Naumburger ihre Bahn nennen, nach der Wende nicht auf das Abstellgleis geriet. Unrentabel und für den Personennahverkehr nicht ausbaufähig, meinten Verkehrsexperten. Und die größten Sorgen bereitete das Schienennetz: Millionen waren nötig, um die Gleise zu erneuern. 1991 trat die Bahn deshalb ihre letzte Fahrt als öffentliches Verkehrsmittel über den bis dahin vom Bahnhof ins Stadtzentrum und zurück führenden Ring an.

Während Kommunalpolitiker die "Wilde Zicke" - so der zweite Kosename der Bahn - lieber im Depot als technisches Museum sahen, wollten etliche Naumburger sie so schnell wie möglich wieder von der Leine lassen. Sie schlugen vor, die "Ille" in das Stadtbussystem zu integrieren. 1994 wurde eine private Betreiber-GmbH gegründet, die den Fuhrpark übernahm. Zudem begannen die Nahverkehrsfreunde in ehrenamtlicher Arbeit mit der Modernisierung der Wagen.

Wie viele Stunden beim originalgetreuen Wiederaufbau der Straßenbahnwagen sowie weiterer, aus anderen Städten nach Naumburg geholter Fahrzeuge geleistet wurden, vermag Vereinsvorsitzender Carsten Tranz heute nicht mehr zu sagen. Ohne dieses Engagement jedoch wäre die "Zicke" nicht wieder zum Laufen gekommen. Nun sind die teils historischen Wagen auf etwa der Hälfte des ehemaligen Streckenringes als Touristenbahn unterwegs: an Wochenenden, zu Festen sowie bei besonderen Ereignissen. Zudem kann die Bahn für Sonderfahrten gebucht werden. Sogar eine Pferdebahn gibt es. Ganz aufgegeben allerdings hat Plehn die Pläne des Einsatzes als Nahverkehrsmittel nicht. So will die Stadt am Postring einen neuen Halteplatz für Stadtbusse schaffen, den auch die Bahn nutzen könnte.

In der Stadtverwaltung allerdings - so auch unter dem früheren Oberbürgermeister Curt Becker - wurden die Nahverkehrspläne eher mit Skepsis betrachtet. Behinderung ihrer Arbeit warf die GmbH deshalb der Verwaltung trotz eines 1994 zwischen ihr und der Stadt als Eigentümer des Streckennetzes geschlossenen Vertrages mitunter vor. Die ihrerseits konterte, dass verlangte Konzepte für die touristische Nutzung der Bahn sowie deren Verwirklichung fehlten. 1999 schließlich brachte ein zweiter Vertrag zwar eine neue Basis in die Zusammenarbeit, dennoch besiegelte er das Aus der Ringbahn. Statt dessen verpflichtete sich die Stadt, das zwischen Bahnhof und Vogelwiese verbliebene Teilstück zu erneuern. Vor allem Geld von Land und EU ermöglichten die Komplettierung dieser Strecke.

500 000 Mark Landes-Zuschüsse hatte Naumburg auch zum Ausbau der Schienen in der Bahnhofstraße verwendet, der bis 1998 die Gerichte beschäftigte. Das Land wollte das Geld zurück, da es laut Rechnungshof zweckentfremdet eingesetzt worden war. Obwohl damals das Unkraut auf den erneuerten, aber nicht genutzten Gleisen spross, gelang es der Stadt, ihre Rechtsposition durchzusetzen. Heute sind die Straßenbahnfreunde froh darüber: Das 300 Meter lange Stück ist wichtiger Teil der Gesamtstrecke.