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Nach Zugunglück Nach Zugunglück: Lokführer ignorierte zwei Haltesignale

01.02.2011, 08:48
Die Lok des am Zugunglück beteiligten Güterzuges wird in Hordorf abgeschleppt (FOTO: DPA)
Die Lok des am Zugunglück beteiligten Güterzuges wird in Hordorf abgeschleppt (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Magdeburg/Berlin/dpa. - Gegen den Lokführer des verunglücktenGüterzuges in Sachsen-Anhalt werden harte Vorwürfe laut: Nach einemBericht des Bundesverkehrsministeriums hat der Mann vor dem frontalenZusammenstoß mit einem Regionalexpress ein Haltesignal ignoriert undeines überfahren. Der Fahrdienstleiter im Stellwerk Hordorf habedaraufhin über Funk einen Nothalt angeordnet, heißt es in dem Papier,das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt.

Demnach ignorierte der Lokführer ein Vorsignal, das ihn auf dasnahende Hauptsignal hätte aufmerksam machen und zum Bremsenveranlassen müssen. Das wenig später folgende Hauptsignal, das denLokführer endgültig zum Anhalten hätte bringen müssen, wurdeebenfalls passiert.

Zehn Menschen starben bei dem Unglück. Für sie wird es an diesemSamstag im Halberstädter Dom eine Trauerfeier geben.

Drei Tage nach dem Zusammenprall fuhren auf der StreckeMagdeburg-Halberstadt am Dienstag wieder die ersten Züge desHarz-Elbe-Expresses (HEX). Die Bahn kündigte Konsequenzen aus demUnglück an, sie will die Sicherheitsvorkehrungen verbessern.

Die Opfer des Unglücks sind nun alle identifiziert. Unter ihnensind neben dem aus Schwerin stammenden Lokführer des Personenzugesdrei Frauen, fünf Männer und eine Zwölfjährige aus dem LandkreisHarz. Unter den 23 Verletzten sind zwei in weiterhin kritischemZustand. Darunter ist eine Zehnjährige, sie ist die Schwester dertoten Zwölfjährigen. Auch die Mutter der beiden Mädchen und derenLebensgefährte kamen ums Leben.

Die Staatsanwaltschaft in Magdeburg zeigte sich erstaunt über denBericht des Ministeriums. «Es befremdet uns ein wenig, dassErgebnisse bekanntgegeben werden, die den Ermittlungsbehörden nochnicht vorliegen», sagte Behördensprecherin Silvia Niemann der dpa.Indizien deuteten aber darauf hin, «dass es so gewesen sein könnte».Gegen den 40 Jahre alten Lokführer des Güterzugs wird unter anderemwegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Dem Bericht zufolge hatte der 35 Jahre alte Lokführer desPersonenzugs den Regionalexpress nach dem Notruf von 98 Kilometernpro Stunde bis zum Zusammenstoß auf Tempo 66 abgebremst. Ob auch derGüterzug vor dem Unfall auf der eingleisigen Strecke gebremst hat,müsse noch ausgewertet werden. Laut dem Ministeriumsbericht hatte derMann zwei Signale ignoriert.

Experten erläuterten der dpa, der 40-Jährige hätte nach dem erstenEinfahrvorsignal «Halt erwarten» abbremsen müssen, um vor dem 700Meter entfernten zweiten Hauptsignal zum Stillstand zu kommen. DerZug fuhr aber in den eingleisigen Bereich weiter und prallte dort mitdem Regionalzug zusammen.

Die Deutsche Bahn will nun nach eigenen Angaben mehr eingleisigeStrecken mit moderner Sicherungstechnik ausstatten. «Da istHandlungsbedarf», sagte Bahnchef Rüdiger Grube am Montagabend in derARD. Der Konzern wolle alle eingleisigen Strecken analysieren und -wo nötig - den Einbau eines automatischen Bremssystems aus eigenenMitteln finanzieren. Er wolle nicht auf Bundesministerien warten,sagte Grube.

Der Lokführer des Güterzugs, der bei dem Unfall Prellungen undeinen Schock erlitt, äußerte sich bisher nicht zu dem Geschehen. «Erhat den Status des Beschuldigten. Er muss sich nicht äußern», sagteOberstaatsanwältin Niemann. Mit einem schnellen Ende der Ermittlungensei nicht zu rechnen, die Analyse der Fahrtenschreiber der Züge undweiterer Beweismaterialien könne Monate in Anspruch nehmen.

Die Salzgitter AG bestätigte unterdessen Informationen der «Bild»-Zeitung, wonach der Güterzug mit zweistündiger Verspätung unterwegswar. «Das ist ein normaler Vorgang, der mit der DB Netz abgestimmtwar», sagte Konzernsprecher Bernd Gersdorff. Der 2700 Tonnen schwereZug der Salzgitter-Tochtergesellschaft VPS war in Blankenburg mitKalk beladen worden und sollte über Magdeburg nach Salzgitter fahren.

(GRAFIK: DPA)
(GRAFIK: DPA)
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