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Nach Verkehrsunfall Nach Verkehrsunfall: Und plötzlich war es ganz still

Von Dietmar Römer 22.05.2005, 18:19

Merseburg/MZ. - Es war nur eine kurze Fahrt. Zusammen mit Freunden hatten sie seine Freundin von einer Schulkameradin aus dem Nachbarort abgeholt. Und dann ging alles ganz schnell. "Beim Überholen", so erinnert sich Basti, "habe ich zu dem Fahrer noch gesagt: ,Kuni, mache langsam.'"

Die Straße von Geusa nach Merseburg sei an jenem Abend vor fast genau einem Monat ganz schön nass gewesen. Und Kuni sei nach dem Überholmanöver auch gleich vom Gas gegangen. "Aber plötzlich brach das Auto hinten aus. Als es auf einmal ganz ruhig war, wusste ich, dass es geknallt hatte."

Der Ford Mondeo war seitlich gegen einen Baum geprallt. Basti konnte sich in dem völlig zertrümmerten Fahrzeug kaum rühren, er steckte zwischen einem Baumstamm und verbogenen Autoteilen fest. "Aber irgendwie kam ich doch an mein Handy heran und alarmierte die Polizei."

Der schreckliche Unfall wird noch lange wie ein Albtraum auf dem 19-jährigen Fleischerlehrling aus Merseburg lasten. Basti und seine Freundin Anne, die neben ihm auf der Rückbank saß, kamen zwar mit vergleichsweise leichten Verletzungen davon. Für Flori vorne auf dem Beifahrersitz aber endete die Autofahrt tödlich. Der 14-Jährige wurde von dem Baumstamm zerquetscht. Ein fürchterlicher Schock auch für Basti und Anne.

Tempo 70 erlaubt

Die Ermittlungen der Polizei sind noch nicht abgeschlossen. Aber nach den bisherigen Erkenntnissen war der Wagen mit "unangepasster Geschwindigkeit" auf der Straße unterwegs, auf der Tempo 70 erlaubt ist. Alkohol habe keine Rolle gespielt. Der 20-jährige Fahrer weiß noch nichts von dem folgenschweren Geschehen. Er liegt im Krankenhaus auf der Intensivstation und wird von der Außenwelt abgeschirmt.

Eines war Basti schon damals inmitten des zerknüllten Blechs klar. "Ich und meine Freundin müssen ein paar Schutzengel gehabt haben", sagt er nun im Gespräch mit der MZ. Er will - mit etwas Abstand von dem traumatischen Ereignis - über den Unfall und seine Schlussfolgerungen sprechen. Seine Freundin sei dazu noch nicht in der Lage. "Bei dem Thema kommen ihr sofort die Tränen, und sie blockt ab." Beide wollen auf jeden Fall in eine Therapie gehen.

Das Gespräch ist für Basti so etwas wie ein erstes persönliches Therapieprogramm. Dazu zählt auch der Wunsch, anderen jungen Leuten angesichts der schlimmen Erfahrung und des toten Freundes ein "bisschen auf die Sprünge zu helfen". Jenen besonders, die sich in der Freizeit, vor und nach der Disko oder einer Fete sorglos ins Auto setzen und sich damit oft in gefährliche Situationen begeben.

"Vorher macht man sich ja groß keinen Kopf, wenn man zu einem Kumpel in die Karre steigt", sagt Basti. Klar sei es bequem, schnell von A nach B zu kommen. Und es mache eben mehr Spaß, mit Freunden so lange es geht zusammen zu sein. Erst hinterher, nachdem etwas passiert ist, mache man sich dann so seine Gedanken. Etwa, dass der Freund zum Unfallzeitpunkt erst sieben Wochen den Führerschein und fünf Wochen das Auto hatte.

Bald in Fahrschule

Wie Basti ist auch die 16-jährige Jule immer noch geschockt. "Flori wird uns sehr fehlen", sagt sie. Jule saß nur durch Zufall nicht in dem Unfallwagen. "Hätte ich nicht für eine Mathearbeit lernen müssen, wäre ich mit in dem Auto gewesen." Bis zu jenem April-Abend habe es sie als Beifahrerin nicht gestört, "wenn da einer mal ordentlich aufs Gas gegangen ist".

Das ist nun bei ihr und auch bei Basti ganz anders. "Mit dem Auto muss ich keinem etwas beweisen. Dazu hänge ich zu sehr am Leben." Bald wird der 19-Jährige diese Vorsätze umsetzen können, denn er hat sich gerade in einer Fahrschule angemeldet. Auch das ist für ihn ein kleines Stück Traumabewältigung.