Mordfall Yangjie Li Mordfall Yangjie Li in Dessau : Stahlknecht unter Druck

Dessau-Rosslau - Obwohl der Innenausschuss zum Mordfall Yangjie Li hinter verschlossenen Türen tagt, sorgt das Thema auch in China für Aufmerksamkeit. Medien stellen dort seit Tagen die Frage, die auch die Landtagsabgeordneten umtreibt: Geht bei der Aufklärung des Sexualmordes in Sachsen-Anhalt alles mit rechten Dingen zu? Es gibt Vorwürfe bis hin zur versuchten Strafvereitelung. Umstritten ist vor allem die Rolle des Stiefvaters und der Mutter des festgenommenen Tatverdächtigen, beide hochrangige Polizisten.
Die Urne mit der Asche von Yangjie Li in der Provinz Henan ist jetzt beigesetzt. Seit zwei Tagen steht sie am vorbestimmten Platz in einem traditionellen Totenschrein. Obwohl auf den engsten Familienkreis beschränkt, haben rund 100 Menschen an der stillen Feier teilgenommen - und die chinesischen Medien haben das Ereignis zum Anlass genommen, das Verbrechen erneut in Erinnerung zu rufen.
Welche Folgen das haben kann, spürt zuerst die Hochschule Anhalt, deren Studentin Yangjie Li gewesen ist. Prof. Rudolf Lückmann, der die Ausbildung künftiger Architekten am Standort Dessau leitet, rechnet mit deutlich weniger Studienbewerbungen aus China. „Der Ruf des Landes ist erst einmal angekratzt, es herrscht Verunsicherung.“ Diese Entwicklung zeichne sich ab und sei kurzfristig wohl auch nicht zu ändern. Da viele Studiengänge exklusiv in englischer Sprache angeboten werden, glaubt Lückmann jedoch, dass der Rückgang durch andere ausländische Bewerber bis zu Studienjahresbeginn im Oktober noch ausgeglichen werden kann. Vor allem in Lateinamerika sei das Interesse sehr groß.
Präventionsprogramm wird entwickelt
Gegenwärtig studieren 2.400 Frauen und Männer aus 104 Ländern an der Hochschule. Damit kommt etwa jeder dritte Student aus dem Ausland, vor allem aus Asien. An diesen Personenkreis richtet sich ein neues Präventionsprogramm, das die Polizei gemeinsam mit der Hochschule entwickelt. Laut Markus Loichen, Leiter Zentrale Dienste in Dessau, sollen den Studierenden praktikable Regeln für Alltag und Internet-Aktivitäten vermittelt werden, um möglichen Gefahrensituationen entgehen zu können.
Unterdessen gibt es bisher keine Erkenntnisse über eine versuchte Einflussnahme der Eltern des Tatverdächtigen auf die Ermittlungen. So gebe es keine Hinweise darauf, dass sie Zugang zu Ermittlungsergebnissen hatten, hieß es am Donnerstag im Innenausschuss. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) dringt dennoch auf genaue Prüfung: „Ich will geklärt haben: Hat es einen Einfluss gegeben - ohne wenn und aber“, sagte er.
Koalitionspartner verteidigen Stahlknecht
Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern konnte Stahlknecht im Ausschuss etliche Fragen nicht schlüssig beantworten, etwa die, warum er die Eltern nicht früher vom Dienst suspendiert habe. „Als Dienstherr hätte er das tun müssen, um die beiden zu schützen“, sagte die Linken-Innenpolitikerin Henriette Quade. Beide waren erst in dieser Woche beurlaubt worden. Die Koalitionspartner von Grünen und SPD verteidigten Stahlknecht dagegen. Er könne „kein zögerliches Handeln des Ministers erkennen“, sagte der SPD-Innenexperte Rüdiger Erben.
Umstritten ist, ob es strukturelle Konsequenzen bei der Dessauer Polizei geben muss. „Man kann nicht von vornherein davon ausgehen, dass nur individuelles Fehlverhalten eine Rolle spielt“, sagte Quade. Kleinteilige Behördenstrukturen wie in Dessau könnten Manipulationen befördern. Ähnlich hatte sich im MDR der Grünen-Innenexperte Sebastian Striegel geäußert - und auf die bevorstehende Polizeistrukturreform verwiesen: Bis 2020 sollen die Polizeidirektionen im Land durch Inspektionen mit weniger Befugnissen ersetzt werden, dazu soll eine übergeordnete Behörde geschaffen werden.
In der Koalition ist das unstrittig, doch eine Verknüpfung mit dem Fall Dessau hält SPD-Mann Erben für Unsinn: Das Revier werde nach der Reform genauso groß sein, die künftige Inspektion den Bereich der jetzigen Direktion abdecken. (mz)