Mitteldeutschland Mitteldeutschland: Wie die Bahn konkurrenzfähiger werden will

Halle (Saale) - Kurz vor Ostern verkündete die Mitteldeutsche Regiobahn die frohe Botschaft: 70 neue Jobs in Chemnitz. Ab Juni dieses Jahres übernimmt das Eisenbahnunternehmen, eine Tochter der französischen Transdev-Gruppe, das „Elektronetz Mittelsachsen“ mit Strecken von Chemnitz nach Dresden, Zwickau und ins bayerische Hof. Damit geht ein weiteres Eisenbahnnetz in Mitteldeutschland an einen Konkurrenten der Deutschen Bahn AG.
Bisher betreibt der Staatskonzern das „Elektronetz Mittelsachsen“. Doch bei der Neuausschreibung durch den Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) hatte die Bahn sich gar nicht erst beworben. Frank Klingenhöfer, Chef der Bahn-Tochter DB Regio Südost, will das nicht als Aufgeben verstanden wissen: „Das soll eine Ausnahme bleiben.“ Der Grund: Die eingesetzten Züge gehören dem VMS, die Mitteldeutsche Regiobahn ist nur für den Betrieb zuständig. Die Wartung übernimmt der Hersteller Alstom. Auf dieses Konstrukt wollte sich die Bahn, die über einen großen Fuhrpark verfügt, nicht einlassen.
Der Sonderfall Südwestsachsen ändert nichts daran, dass die Deutschen Bahn im Wettbewerb mit ihren Konkurrenten im Regionalverkehr immer stärker unter Druck gerät (siehe Grafik). Dabei war Klingenhöfer vor drei Jahren noch als Feuerwehrmann angetreten, der genau diese Entwicklung stoppen sollte.
Es kam anders: Bundesweit ist der Marktanteil des einstigen Monopolisten im Nahverkehr auf 74 Prozent gesunken - Tendenz weiter fallend. Mitteldeutschland liegt noch weit unter dem Bundesdurchschnitt. So wird die Bahn in Sachsen-Anhalt nur noch auf knapp 50 Prozent kommen, wenn Ende 2018 das hiesige Dieselnetz von den bisherigen Betreibern Bahn und Harz-Elbe-Express (Transdev) an den Mitbewerber Abellio geht. In Thüringen liegt die Bahn schon jetzt bei nur 39 Prozent Marktanteil. Dort hat die Erfurter Bahn, ein kommunales Unternehmen aus der thüringischen Landeshauptstadt, der Deutschen Bahn Strecken abgenommen.
Für Abellio, eine Tochter der Niederländischen Staatsbahnen, ist das Dieselnetz der zweite große Auftrag in Sachsen-Anhalt in kurzer Zeit. Erst Ende vorigen Jahres hatte das Unternehmen das Saale-Thüringen-Südharz-Netz übernommen, mit Strecken von Halle Richtung Erfurt und Kassel. Abellio wird damit zum Hauptkonkurrenten von DB Regio im Land. Mit 8,6 Millionen Zugkilometern im Jahr und einem Auftragswert von einer Milliarde Euro zählt das Dieselnetz zu den größten im Land; dazu gehören Linien wie Halle-Halberstadt-Goslar oder Magdeburg-Wolfsburg.
Abellio macht Bahn Konkurrenz
Welcher Betreiber vom Land den Zuschlag für ein Schienennetz erhält, darüber entscheiden die Qualität des Angebots und der Preis. Doch die Spielräume sind gering. Was die Betreiber an Service und Komfort bieten müssen, legt die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft Nasa in der Regel in der Ausschreibung fest. Und die Kosten? Jahrelang hatten die Gewerkschaften den privaten Bahn-Konkurrenten vorgeworfen, die Bahn mit Dumpinglöhnen ausstechen zu wollen. Doch das ist Vergangenheit. So zahlen Abellio und andere Betreiber nach dem Branchentarifvertrag für den Nahverkehr - das Einkommensniveau entspricht damit grundsätzlich dem der Bahn. Allerdings kann es Unterschiede im Detail geben, etwa bei Eingruppierungen oder Zuschlägen.
Dennoch will DB Regio an der Kostenschraube drehen, um künftig bei Ausschreibungen mit günstigeren Angeboten wieder die Nase vorn zu haben. Nicht beim Lohn, aber bei Leistungen, die bei anderen Konzern-Töchtern eingekauft werden, soll gespart werden. Das könnte laut DB-Regio-Chef Klingenhöfer etwa die Reinigung der Züge betreffen oder den Sicherheitsdienst: „Wir müssen uns fragen, ob die so günstig sind wie sie sein könnten, wenn sie im freien Markt unterwegs wären.“
Der Bahn-Manager räumt ein: „Der Zuschlag an Abellio hat uns überrascht und aufgerüttelt zugleich.“ Für die Bahn AG ist die Lage dramatisch. Weniger Aufträge bedeuten weniger Gewinn. Im Schienenregionalverkehr in Europa liegen die Renditen bei drei bis sechs Prozent. Weniger Aufträge bedeuten in der Konsequenz aber auch weniger Personal: Bei der ersten gegen Abellio verlorenen Ausschreibung waren nach Bahn-Angaben rund 400 Mitarbeiter betroffen.
Alternative Arbeitsmodelle
Mit speziellen Arbeitsmodellen steuerte der Konzern gegen: Ältere gingen in den Vorruhestand, Jüngere schrubbten dafür mehr Überstunden - so lange, bis Abellio im Dezember übernahm. Nun könnten die Überstunden wieder abgebaut werden, sagt Klingenhöfer. Nur wenige Beschäftigte seien zum neuen Betreiber gewechselt oder hätten sich an andere Standorte im Bahn-Konzern versetzen lassen. Beim Übergang des Dieselnetzes, hier geht es um 250 Mitarbeiter, will die Bahn ähnlich verfahren. Anderes bleibt ihr kaum übrig: Betriebsbedingte Kündigungen sind laut Tarifvertrag ausgeschlossen.
Bahnmanager Klingenhöfer kündigt an: „Wir werden auch künftig um jede Strecke kämpfen.“ In Sachsen-Anhalt allerdings ist in den nächsten Jahren so gut wie nichts mehr zu verteilen. „Die Ausschreibungen für die großen Netze sind alle durch“, sagt Nasa-Sprecher Wolfgang Ball. Die Verträge laufen in der Regel mehr als zehn Jahre. (mz)

