Mitfahrzentralen Mitfahrzentralen: Die Wut der Pendler

Halle/MZ - Mitfahrangebote durchsuchen, Fahrer anrufen, verabreden und günstiger als mit Bus oder Bahn von A nach B kommen – so einfach funktionierte das Onlineportal mitfahrgelegenheit.de bis zum 27. März. Vor allem Hochschulstädte wie Halle, Bernburg und Köthen galten dabei als Hotspots für das Absetzen oder einsammeln von Mitfahrern. Überwiegend junge Leute wie Studenten und Azubis, aber auch Berufspendler nutzen das Angebot.
Doch mit der kostenfreien Bildung von Fahrgemeinschaften ist es ab sofort vorbei. Alle Strecken von mehr als 100 Kilometer müssen jetzt über ein Buchungssystem abgewickelt werden. Das heißt, neben den ohnehin registrierten Fahrern müssen sich auch die Mitfahrer auf der Plattform anmelden und erhalten erst nach einer bestätigten Buchungsanfrage die Telefonnummer des Fahrers, um Details wie Gepäckmenge oder alternative Treffpunkte mit ihm zu klären. Weiterhin erhebt carpooling.com, die Betreibergesellschaft von mitfahrgelegenheit.de, nun elf Prozent des Preises als Vermittlungsprovision für diese Fahrten.
Wenngleich das Portal – nach eigenen Angaben mit rund 4,3 Millionen registrierten Nutzern das europaweit größte dieser Art – mit mehr Sicherheit und Verbindlichkeit wirbt, ist der Ärger unter den bisherigen Nutzern groß. Eine gute Idee werde kommerzialisiert und unnötig verkompliziert, die Fahrer mit der Provision abgezockt, heißt es im elektronischen Gästebuch der Plattform und auf ihrer Facebook-Seite.
Thomas Rosenthal von carpooling.com kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Wir sind überzeugt, dass das Mitfahren durch mehr Verbindlichkeit attraktiver wird und noch mehr Menschen die Vorteile dieses Systems erkennen – und nutzen.“ Eine Registrierung sei heute ein üblicher Vorgang bei Onlineangeboten und die Einführung der Vermittlungsprovision notwendig, um den Service auch künftig in der gewohnten Qualität anbieten und ausbauen zu können. „Mittlerweile kümmern sich 60 Mitarbeiter um die Seite“, verweist Rosenthal auf den wirtschaftlichen Hintergrund.
Zweifelsohne hat das Buchungssystem seine Vorteile. Bucht ein Mitfahrer eine Strecke, ist sein Platz verbindlich reserviert. Erscheint er nicht ohne rechtzeitig vorher abzusagen, bekommt der Fahrer trotzdem sein Geld. Auch das Bewertungssystem, mit dem sich Fahrer und Mitfahrer nach der Fahrt gegenseitig Noten geben können, dürfte die Sicherheit und Zuverlässigkeit erhöhen.
Ein „Geschmäckle“ bekommt das neue Modell jedoch, weil einige der einst in großen Städten ansässigen Mitfahrzentralen, die seinerzeit die gleiche Vermittlungsleistung für eine Gebühr anboten, durch die kostenfreie Online-Konkurrenz aufgegeben haben. Selbst der ADAC, der sein Mitfahrclub-Angebot als Kooperationspartner der carpooling.com über die Datenbank von mitfahrgelegenheit.de abwickelt, äußert sich zwiespältig über die jüngste Entwicklung. „Grundsätzlich würden wir auch zukünftig die kostenfreie Vermittlung begrüßen“, sagt Sprecherin Katrin Müllenbach-Schlimme. Derzeit würden die Provision und mögliche Alternativen dazu geprüft.
Einige Nutzer üben harsche Kritik. „Ich werde definitiv auf andere Portale ausweichen“, sagt Matthias Schröder, der seit mehr als zehn Jahren seine regelmäßigen Pendlerfahrten von Leipzig aus in die Schweiz auf mitfahrgelegenheit.de anbietet. „Das mit dem Buchungssystem ist mir schlicht zu umständlich, und bisher hat es ohne super geklappt.“ Auch Sebastian Regber will sich mit dem Geschäftsmodell nicht abfinden. „Das ist doch reine Abzocke. Klar sagt ohne Buchungssystem auch mal kurzfristig ein Mitfahrer ab, aber insgesamt hat es bisher bestens funktioniert.“
Die Mitfahrer stehen mit ihrer Meinung vielfach hinter den Fahrern. „Ich werde mich wohl nach Alternativen umschauen, da das mit der Registrierung viel zu umständlich ist“, sagt Elsa Adolphi, die häufig Mitfahrgelegenheiten zwischen Leipzig und Rostock nutzt. „Das ist für mich die erste Wahl, denn billiger als mit der Bahn ist man damit eigentlich immer. Ich frage mich auch, ob die Fahrer die Provision aus eigener Tasche zahlen oder auf den Fahrpreis aufschlagen werden.“