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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Grundstücksaffäre schlägt hohe Wellen

Von Frank Schedwill 18.03.2012, 19:57

Südharz/MZ. - Vom früheren Gemeinderat will sich kaum jemand äußern. "Ich sage nichts dazu" oder "Kein Kommentar" heißt es, wenn man mit früheren Ratsmitgliedern in Rottleberode (Mansfeld-Südharz) spricht. Kurz vor Weihnachten 2009 und damit wenige Tage vor Gründung der neuen Einheitsgemeinde Südharz sollen sie ihrem Bürgermeister Ralf Rettig (CDU) ein außergewöhnliches Geschenk gemacht haben: Bis zu 42 000 Euro habe der dortige Gemeinderat dem Bürgermeister beim Ankauf seines Privatgrundstücks zu viel gezahlt. Statt zum Bodenrichtwert von fünf Euro sei die Fläche für 24 Euro je Quadratmeter von Rettig gekauft worden, kritisiert das Rechnungsprüfungsamt der Kreisverwaltung. Außerdem soll Rettig an dem Kaufbeschluss mitgewirkt haben, was laut Gemeindeordnung verboten ist. Die Affäre, die durch einen Bericht der MZ publik wurde, schlägt seit zwei Wochen im Landkreis Mansfeld-Südharz hohe Wellen.

Disziplinarverfahren eröffnet

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Rettig wegen des Verdachts der Untreue. Inzwischen ist der 56-Jährige vorgeprescht und hat Selbstanzeige erstattet. Seit Freitag vergangener Woche führt der Landkreis ein Disziplinarverfahren gegen ihn.

Urs Kolbe aus dem Rottleberöder Ortschaftsrat ist jemand, der dann doch etwas sagt. Die Gemeinde habe damals eine Kreuzung in Richtung Schwenda ausbauen wollen und das Grundstück dazu unbedingt benötigt, betont Kolbe, der mit im Rat saß. Der Kauf sei nach einer längeren Diskussion über den Preis mehrheitlich über die Bühne gegangen. "Ich würde auch heute noch so entscheiden", sagt Kolbe. Obwohl die Kreuzung aus vielerlei Gründen bis heute nicht umgestaltet wurde. Warum die Gemeinde die Fläche zum fast fünffachen des üblichen Preises gekauft hat, kann Kolbe aber nicht recht begründen. Vor einigen Tagen hatte Rettig behauptet, er habe damals von anderen Interessenten sogar höhere Preise geboten bekommen.

Kolbe lässt auf Rettig nichts kommen. Er hält die ganze Affäre für einen Racheakt einiger Mitglieder des neuen Südharzer Rates. Diese würden den Rottleberödern neiden, dass sie so vergleichsweise gut dagestanden hätten. Kolbe drückt damit wahrscheinlich das aus, was vielleicht sogar die Mehrheit der Einwohner von Rottleberode über den Bürgermeister denkt. Trotz aller Vorwürfe halten sie zu ihm. Mögen andere auch seinen Rücktritt fordern.

Neues Industriegebiet

Rettig selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Nicht er, sondern der Gemeinderat habe entschieden, sagte er in einer Stellungnahme vor Südharzer Ortschaftsräten. Außerdem sei ja die ganze Sache von der Presse einseitig dargestellt worden. Der Bürgermeister sieht sich vielmehr als Macher. Als jemand, der die strukturschwache Region an der Landesgrenze zu Thüringen voranbringt.

In Rottleberode hat er das in den vergangenen Jahren nachweislich geschafft. Ein neues Industriegebiet mit zwei holzverarbeitenden Firmen und fast 200 Arbeitsplätzen ist dort entstanden. Die Großansiedlung war wohl der Hauptgrund dafür, dass sich Rettig im November 2009 bei der Wahl zum Südharzer Bürgermeister mit 51 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang durchsetzte - gegen sechs Mitbewerber. Seitdem versucht er, die neue Großgemeinde mit ihren 15 Ortsteilen zu leiten.

Ein besonders glückliches Händchen hat er bisher nicht bewiesen. Nicht nur politische Gegner halten ihn auf dem Posten für überfordert. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt machte er landesweit Schlagzeilen, weil er in einer Nacht- und Nebelaktion ein Spionageprogramm auf Computern im Südharzer Verwaltungsamt in Roßla installieren ließ. Damit soll er versucht haben, Mitarbeiter zu bespitzeln. Am Ende kam Rettig vor Gericht und mit einem blauen Auge davon: Nach einer Entscheidung der Berufungsinstanz muss der Bürgermeister zwar eine Geldauflage von 9 000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen zahlen. Das Gericht stellte aber im Gegenzug das Verfahren gegen ihn ein. Rettig ist damit nicht vorbestraft.

Mittlerweile bezweifeln selbst langjährige Freunde Rettigs, dass er die Grundstücksaffäre genauso glimpflich überstehen wird. Rettig habe langsam allen Kredit verspielt, sagt jemand, der ihn lange kennt und immer unterstützt hat.