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Mansfeld-Südharz Mansfeld-Südharz: Gewissheit am Tag der Trauer

Von Katrin Löwe und Frieder Fahndert 11.07.2008, 20:01

Mansfeld/Zug/MZ. - Es ist der Tag der Beisetzung von Annemarie S., an dem sich die Nachrichten noch einmal überschlagen. Kurz bevor die 76-Jährige im Mansfelder Ortsteil Leimbach neben ihrem vor zehn Jahren gestorbenen Mann die letzte Ruhe findet, erklären die Staatsanwaltschaften in Halle und im Schweizer Zug: Gabor S., vorbestrafter Gewalttäter aus dem Mansfelder Nachbarort Friedrichrode, hat sowohl den Mord an Annemarie S. und dem 64-jährigen Bereitschaftsarzt Horst G. als auch eine Verbindung zum Tod der Schweizerin Maria K. gestanden.

Von Erleichterung will in Mansfeld niemand reden. "Nein", sagt Steve Hentze, das sei das falsche Wort. Aber die Gewissheit, dass S. hinter Schloss und Riegel sitzt und die Taten eingeräumt hat, wirkten beruhigend, so der 23-Jährige, der Annemarie S. durch manches Gespräch in der Waldsiedlung kannte. "Sie war richtig fidel." Verstehen können werde man die Tat nie. "Wichtig war, dass die Polizei den Mann so schnell ergreifen konnte."

Seit anderthalb Wochen sitzt Gabor S. in der Schweiz in Untersuchungshaft. Eine Sondereinheit hatte ihn zwei Tage nach dem Doppelmord von Mansfeld in einem Biergarten in Walliswil verhaftet. Anfang der Woche waren drei Beamte aus Halle nach Zug gefahren - am späten Donnerstagabend kehrten sie mit dem Geständnis im Gepäck zurück. Zu Details und der Frage, ob das teure Auto des Mediziners das Motiv für S. war, schweigen die Ermittler. Der 36-Jährige, der bereits eine achtjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung verbüßt hat, dürfte aber von dem Wagen gewusst haben. Er soll sich in den Tagen vor dem Mord in Mansfeld aufgehalten haben, lange mit einer Frau verlobt gewesen sein, die in der Nähe des Arztes wohnte.

In der Schweiz laufen indes die Ermittlungen im Fall der 47-jährigen Maria K. auf Hochtouren. "Er hat gegenüber dem Staatsanwalt ausgesagt, dass er die Leiche der Frau am 23. Juni 2007 bei Diepoldsau

im Kanton St. Gallen in den Rhein geworfen hat", so Polizeisprecherin Barbara Reifler. Bei einer früheren Vernehmung im Herbst 2007 hatte er noch jede Verbindung zur Tat bestritten. Zur Frage, ob er sich zur Tötung selbst und zum Motiv geäußert hat, macht Reifler keine Angaben. Tatsache ist: Diepoldsau liegt knapp 150 Kilometer vom Wohnort des Opfers entfernt, aber nur zehn Kilometer von Altstätten - dem Ort, in dem Gabor S. bis zu seiner überstürzten Rückkehr nach Deutschland Ende Juni 2007 eine Wohnung hatte. Bei Diepoldsau hatten Schweizer Behörden im Dezember vier Tage lang erfolglos den Rhein nach einer Leiche abgesucht. Das Handy der vermissten Verkäuferin war dort und später auch in Deutschland geortet worden.

Schweizer Medien zufolge hatten sich Gabor S. und Maria K. per Internet kennengelernt - laut einer Freundin von Maria K. soll es am Todestag zum ersten Treffen gekommen sein. Die Polizei spricht von einer "freundschaftlichen Beziehung", die "seit kurzer Zeit" bestanden habe und deren Intensität beide offenbar unterschiedlich beurteilten. "Sie waren dabei, sich kennenzulernen", so Sprecherin Reifler. Eine erneute Suche nach der Leiche sei nicht geplant. Sie sei vermutlich bereits in den Bodensee gespült - "das wäre wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen".

Unklar ist, wann S. nach Deutschland ausgeliefert wird. Für eine Ablehnung des deutschen Antrags gebe es zunächst keine Gründe, sagte ein Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Justiz der MZ. Priorität habe allerdings zunächst das Verfahren im eigenen Land. Dennoch sei auch vorstellbar, S. in Deutschland für alle drei Fälle vor Gericht zu stellen oder ihn vorläufig für ein Verfahren auszuliefern und dann in die Schweiz zurückzuholen. Wann die Entscheidung getroffen wird, sei derzeit offen.

Mansfeld ist unterdessen noch weit von Normalität entfernt. "So einfach zur Tagesordnung kann man nicht übergehen", sagt der 58-Jährige Gerhard Zobel. Ein Urteil, das Vize-Bürgermeister Peter Knispel und Allgemeinmedizinerin Roswita Kögler teilen. Wut und Trauer überwögen. Zu ihr kommen noch immer Patienten von Horst G., die sich "alleingelassen und sehr traurig" fühlten, so Kögler. Am Nachmittag nehmen Freunde und Nachbarn auf dem Leimbacher Friedhof Abschied von Annemarie S. Die Beisetzung hat die Stadt übernommen. Verwandte der Rentnerin konnten nicht gefunden werden.