Lieskau im Saalekreis Lieskau im Saalekreis: Pilot baute sich einen Flugsimulator

Lieskau/MZ - Schon wieder pendelt die Maschine nach rechts. Flugs also das linke Pedal treten. Huch, zu sehr... Der Rasen kommt immer näher. Wo war noch einmal die Startbahn? Dass Geradeausfahren so kompliziert sein kann! „Zur Not können wir auch vom Rasen starten“, sagt Enrico K. verständnisvoll, der sich die Hin- und Herpendelei seit ein paar Minuten geduldig ansieht. Neben dem Pilotensitz gibt er entspannt Hinweise, wie es besser klappen kann. Die Journalistin ist schließlich nicht seine erste Schülerin.
Im Gegenteil: Seitdem der Berufspilot das Training an seinem selbst konstruierten Flugsimulator in Lieskau (Saalekreis) auch für Privatleute anbietet, erreichen ihn täglich neue Anfragen. „Gerade bei Laien ist die Begeisterung groß“, erzählt Enrico K., „das erinnert mich oft an meine eigenen Anfänge.“ Er habe zunächst gar nicht gedacht, dass Ungeübte so eine Maschine - ein Turboprop-Flugzeug vom Typ Piper Cheyenne - ordentlich in die Luft bekommen würden, und auch wieder sanft auf den Boden. Nach etwa hundert dieser Spaßflüge kann er aber sagen: „Abstürze haben wir eigentlich selten. Und wenn, dann fliegen wir eben noch einmal.“ Das ist ja das Schöne am Simulator: Es kann nichts passieren. Aufregend ist so ein Flug trotzdem. Nach kurzer Zeit fühlt es sich wirklich fast an, als flöge man.
Krafteinsatz wie bei echtem Flug
Das liegt auch daran, dass dieser Flugsimulator seinen Piloten die sogenannten Steuerdrücke spüren lässt. Bedeutet: „Je schneller man fliegt, desto schwerer wird die Steuerung“, erklärt Enrico K. Und der Laie merkt schnell: Fliegen kann ein echter Kraftakt sein! „Die Instrumente geben die Reaktionen der Maschine in allen Feinheiten wieder.“ Jene Art des Simulators gebe es für diesen Flugzeugtyp deutschlandweit nur in Lieskau, sagt er. Die Piper Cheyenne eigne sich für Übungsstunden besonders: „Bei ihr kommt es noch darauf an, ,von Hand’ zu fliegen und ständig alle Anzeigen, von Flughöhe bis Neigungsgrad, im Blick zu behalten - anders als bei den sehr automatisierten großen Maschinen von Airbus oder Boeing.“ Das Fliegen der Piper Cheyenne habe deshalb auch jahrelang zur Pilotenausbildung bei Lufthansa gehört, so der Mann, der neben der Arbeit als Pilot und Flugsimulator-Betreiber auch Geschäftsführer und Programmierer im eigenen Software-Unternehmen ist.
„Ursprünglich habe ich den Simulator für mich selbst gebaut, um ein Trainingsgerät zu haben“, erzählt er. Enrico K., der kurz vor der Wende als Jugendlicher eine Jagdfliegerausbildung bei der NVA begonnen hatte, war danach über zehn Jahre lang nicht mehr selbst geflogen. Er hatte sich mit seinem Vater und Bruder mit einer Firma selbständig gemacht, mit der sie PCs verkauften. „Computer waren immer mein großes Hobby - die habe ich noch mehr geliebt als die Fliegerei“, sagt er. Dann schenkte ihm seine Partnerin, mit der er heute eine dreijährige Tochter hat, einen Rundflug - und der Wittenberger, der inzwischen in Halle lebte, kam wieder auf den Geschmack. Das ist über zehn Jahre her. Enrico K. machte 2004 die Privatpilotenlizenz, im Jahr darauf startete er eine Ausbildung zum Verkehrspiloten.
Prominente im Flieger
So fliegt er heute freiberuflich für eine Gesellschaft, bei der Privatleute Flugzeuge chartern können. Die Ziele liegen in ganz Europa. Seine Fluggäste zumeist: Promis und Geschäftsleute. Wer genau? Der 42-Jährige, der auf rund 2.000 Flugstunden und 4.000 Landungen kommt, bleibt diskret und nennt keine Namen. Etwas müde sieht er an diesem Vormittag aus. In der Nacht zuvor hat er mit einem Kollegen einige Geschäftsleute von Leipzig nach England geflogen.
Nach der Wiederentdeckung der Fliegerei kam ihm fürs eigene Training die Idee mit dem Flugsimulator. Enrico K. besorgte sich im Internet aus Amerika alle möglichen Originalteile - vom Sitz bis zum Steuerhorn. Sogar die Sitzauflage ist echt. „Es musste alles passen“, sagt Enrico K., der sich selbst als Perfektionist bezeichnet. Aufwand und Investition seien enorm gewesen. „Allein für einen gebrauchten Originalschalter zahlt man um die 100 Dollar.“ Nach rund einem Jahr Tüfteln hatte er seinen Simulator fertig. Und entschieden, diesen nicht nur privat zu nutzen. Er mietete eine Wohnung in Lieskau dafür an - ganz in der Nähe seiner eigenen. Denn inzwischen war er mit seiner Partnerin in den Ort nahe Halle gezogen.
Knapp drei Jahre nach den ersten Flügen mit dem Simulator kommen heute Piloten aus ganz Europa nach Lieskau zum Training, sagt er. „Sie üben zum Beispiel Anflüge im Instrumentenflug - meist bei schlechtesten Bedingungen. Wir können etwa komplizierte Wetterlagen oder einen Triebwerksausfall simulieren.“ Ein Flug im Simulator sei anstrengender als ein echter: „Hier steht man ja ständig unter Druck.“ Enrico K. gleicht das Stress-Level je nach Kenntnissen für die einzelnen Teilnehmer an. „Man muss aus dem Simulator rauskommen und ein wenig überfordert sein. Dann erzielt man den besten Lerneffekt“, ist er überzeugt. Für Ungeübte, für die er das Flugerlebnis seit vorigen Sommer anbietet und die inzwischen rund ein Viertel seiner Flugsimulator-Kunden ausmachen, reicht indes die Schönwetter-Variante, um etwas aus der Puste zu kommen.
Sogar Leute, die ihre Flugangst loswerden wollten, hätten schon in dem Simulator gesessen, berichtet Enrico K. Dort können die Teilnehmer stets einen Flughafen auswählen, von dem sie losfliegen wollen. Die meisten nehmen Leipzig/Halle, da es sie natürlich besonders interessiert, wie es ist, von dem nahen Airport zu starten. Der Zuspruch der Nicht-Piloten sei mittlerweile so groß, „dass ich überlege, einen zweiten Simulator aufzubauen, zum Beispiel in Leipzig“, sagt Enrico K., der als leidenschaftlicher Flieger von einer Ranch in Amerika träumt: „Eine Cessna in der Scheune und immer gleich vom Acker starten - das wäre es!“
