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Thomas Wagner ( 38 Thomas Wagner ( 38): Vom Aufstieg und Fall eines Internet-Millionärs

Von Steffen Höhne 16.07.2016, 18:15
Thomas Wagner in der Unister-Zentrale in Leipzig
Thomas Wagner in der Unister-Zentrale in Leipzig DPA

Leipzig - „Ich kann es gar nicht fassen.“ „Mir macht das Angst.“ „Surreal.“ Es sind nur kurze Sätze und Worte, die den Mitarbeitern des Leipziger Internet-Unternehmens Unister zum Tod des Firmengründers und Inhabers Thomas Wagner über die Lippen kommen.

Nach dem Tod von Thomas Wagner sitzt der Schock im bei Unister tief

Mit Tränen in den Augen und kopfschüttelnd hasten sie am Freitagmorgen in die Gründerzeithäuser in der Leipziger Innenstadt, in denen das Unternehmen seine Büros hat. Der Schock sitzt tief. Wagner ist nicht nur ihr Chef gewesen. Der Internet-Millionär war Kopf und Herz des Unternehmens. Am Donnerstag ist er in einem Kleinflugzeug auf dem Weg von Venedig zum Flughafen Leipzig/Halle tödlich verunglückt. Der plötzliche Tod kommt dabei so überraschend wie vieles im seinem Leben.

Thomas Wagner ist ein streitbarer Unternehmer gewesen. Es gibt in der deutschen Internet-Wirtschaft aber nur ganz wenige, die es wie er geschafft haben, eine ganze Branche umzukrempeln. Mit Buchungsportalen wie fluege.de und ab-in-den-urlaub.de gehört Unister zu den großen Spielern im deutschen Reisegeschäft.

Thomas Wagner: Aufstieg und Fall des Unister-Gründers

Der aus Dessau stammende Wagner gründete 2002 noch während seines Betriebswirtschaftsstudiums in Leipzig  eine Art „Schwarzes Brett“ im Internet. Die Idee stammte aus England, „das habe ich in einer Zeitschrift gelesen“, verriet Wagner 2007 im MZ-Gespräch. Programmieren hatte sich der damals 23-Jährige selbst beigebracht - mit Hilfe des Internets.

Die Keimzelle von Unister war dann ein 20 Quadratmeter großes Zimmer in einem Studentenwohnheim. Zwei Betten, fünf Rechner. Wagner baute mehrere Internetportale auf, von denen einige aber auch schnell wieder verschwanden.

Michael Ballack wird Werbestar für ab-in-den-urlaub.de

Eher als andere erkannte er das rasante Marktwachstum von Reiseportalen. Mit Michael Ballack gewann Wagner einen Fußball-Star als Werbeträger, der Seiten wie ab-in-den-urlaub.de bundesweit bekannt machte. Millionen von Menschen buchen heute bei den Leipzigern ihr Urlaubsglück.  Zu Hochzeiten beschäftigte Unister mehr als 2.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen vermittelten Reiseumsatz von mehr als 1,2 Milliarden Euro.

Trotz des Erfolges blieb Wagner nach Worten mehrerer Kollegen „bodenständig“. Mit T-Shirt, Jeans und Turnschuhen kam er morgens ins Büro und blieb oft bis spät am Abend. Bescheiden wohnte er in einer Drei-Zimmer-Wohnung im Leipziger Stadtteil Gohlis. „Mit Thomas konnte man für vier Euro beim Asiaten Mittagessen gehen“, sagt der frühere Unister-Sprecher  Konstantin Korosides. Sein Luxus war ein Porsche. Doch auch hier das kleine Model Boxster.

Thomas Wagner hielt sein Privatleben immer abgeschirmt

Sein Privatleben hielt Wagner abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Ähnlich hielt er es auch mit dem Unternehmen. Geschäftszahlen wurden nicht veröffentlicht, Interviews gab er selten. Unister war und ist eine Art „Black-Box“. Transparenz wurde auch nicht geschaffen, als Fachjournale dem Unternehmen Abzocke von Kunden vorwarfen, weil es versteckte Kosten bei den Reisebuchungen gab.

Für die Geschäftsmethoden des Unternehmens interessierte sich dann auch die Staatsanwaltschaft. Medienwirksam wurden erstmals im Dezember 2012 die Leipziger Geschäftsräume von dutzenden Beamten durchsucht. Wagner saß kurzzeitig in Untersuchungshaft. Ein Jahr später folgte die zweite Razzia. Die Vorwürfe lauten unter anderem Versicherungs- und Steuerbetrug. Ob wirklich grobe Gesetzesvorstöße vorliegen, ist unter Juristen bis heute umstritten. Zum Prozess kam es nicht.

Unister-Ruf nachhaltig geschädigt

Der Ruf von Wagner und des Unternehmens war allerdings nachhaltig geschädigt. Wagner, der zwischenzeitlich mehr als 20 Gesellschaften führte, versuchte das Unternehmen neu zu ordnen. Mit dem ehemaligen Thüringer Regierungssprecher Peter Zimmermann kam 2013 ein Kommunikationsprofi an die Spitze des Unternehmens. Doch anstatt die Geschäfte neu zu sortieren, zerstritt sich Wagner mit seinem langjährigen Weggefährten und Gesellschafter Daniel Kirchhof. Ein Rosenkrieg entbrannte, in dem auch mehrere Leipziger Immobilienkönige mitmischten.
Der anvisierte Verkauf des Reiseportal-Geschäfts, der mehrere hundert Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens spülen sollte, gelang jedenfalls bis heute nicht. Unternehmenschef Zimmermann ging Ende 2015  von Bord, Wagner übernahm wieder alleine das Ruder.

Wie es finanziell um das Unternehmen bestellt ist, weiß nur ein enger Personenzirkel. Laut „Handelsblatt“ war die Unister-Gruppe 2013 „bilanziell überschuldet“. Am Ende stand ein Jahresfehlbetrag von fast 28 Millionen Euro. Dies ist für schnell expandierende Internet-Unternehmen nicht ungewöhnlich. Doch setzt dies finanzkräftige Kapitalgeber voraus, die das Wachstum finanzieren.
Diese suchte Wagner offenbar nun auch in Venedig. Er soll in die italienische Hafenstadt gereist sein, um Investoren zu treffen.

Koffer voller Geld an Bord des abgestürzten Flugzeugs

Wie die MZ aus Unternehmenskreisen erfuhr, hat Wagner dabei offenbar mehr als eine Million Euro mitgeführt, um Geschäfte anzubahnen. Laut „Bild“-Zeitung soll der Firmenchef sogar mehrerer Millionen Euro im Gepäck gehabt haben und einen venezianischen Geschäftsmann treffen wollen, welcher mit Juwelenhandel und Kreditgeschäften sein Geld verdient.

Die Einführung großer Geldbeträge muss in Italien angemeldet werden. Privatflieger werden aber weniger strikt kontrolliert. Ist dies der Grund, warum Wagner ein kleines Privatflugzeug wählte? Vertraute verstehen jedenfalls nicht, wieso er so reiste. Das  sei nicht seine Art gewesen. Wagners Tod, so Firmeninsider, könnte Unister in „eine existenzielle Krise“ stürzen.

Mitbegründer Kirchhof zeigte sich am Freitag tief getroffen. „Wir trauern um den Chef, den Kämpfer und langjährigen Wegbegleiter“, ließ er mitteilen. Zugleich machte er deutlich, dass die Gesellschafter die Arbeit fortsetzen und Unister „weiterentwickeln“ wollen. Auf einer Krisensitzung des Managements sollen bereits am Freitag die Weichen gestellt werden. Unternehmenssprecher  Dirk Rogl sagte: „Wir können Thomas Wagner  nicht  kompensieren,  aber wir werden sein Erbe bestmöglich im Sinne unseres Gründers fortführen.“ (mz)