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Ausschreitungen am „Tag X“ in Leipzig Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen versuchten Mordes

Nach dem Werfen von Brandsätzen bei einer Demonstration im Juni vorigen Jahres in Leipzig wirft die Staatsanwaltschaft einem 25-Jährigen versuchten Mord vor. Es ist die erste Anklage in Zusammenhang mit der Demo, die in einem umstrittenen Polizeikessel endete.

Von Alexander Schierholz 17.06.2024, 18:41
Stundenlang eingeschlossen: Demo im Juni vorigen Jahres in Leipzig
Stundenlang eingeschlossen: Demo im Juni vorigen Jahres in Leipzig (Foto: Robert Michael/dpa)

Leipzig/Halle/MZ - Ein gutes Jahr nach der umstrittenen Einkesselung von mehr als 1.300 Demonstranten nach einer Kundgebung Anfang Juni vorigen Jahres in Leipzig hat die Staatsanwaltschaft in einem ersten Fall Anklage erhoben. Die Ermittlungsbehörde wirft einem 25-jährigen Mann aus Leipzig versuchten Mord in zwei Fällen vor. Er soll zwei Brandsätze auf Polizeibeamte geworfen und damit billigend in Kauf genommen haben, dass diese bei deren Explosion hätten getötet werden können. Der Mann sitzt bereits seit Jahresbeginn in Untersuchungshaft, er hatte sich damals den Behörden gestellt.

Die Demonstranten hatten am 3. Juni vorigen Jahres, dem sogenannten „Tag X“, gegen eine aus ihrer Sicht unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit in Leipzig protestiert. Aus Angst vor Ausschreitungen der linken Szene hatte die Stadtverwaltung zuvor alle Aufzüge und Kundgebungen mit Bezug zum wenige Tage vorher ergangenen Urteil gegen die Linksextremistin Lina E. wegen Überfällen auf Neonazis verboten.

Die Polizei kesselte in Leipzig mehr als 1.300 Demonstranten bis zu elf Stunden ein, darunter auch Minderjährige

Erlaubt war nur die Demo am 3. Juni, die nach Gewaltexzessen in dem Polizeikessel endete. Nachdem aus der Menge heraus Böller und Steine und nach Darstellung der Staatsanwaltschaft auch Brandsätze geflogen waren, ließ die Einsatzleitung Wasserwerfer auffahren. Später wurden über 1.300 Demonstranten bis zu elf Stunden lang eingekesselt, darunter auch Minderjährige. Viele klagten über mangelnden Zugang zu Wasser und Toiletten.

Vermummt und dunkel gekleidet, soll sich der 25-Jährige an den Ausschreitungen beteiligt und auch Steine und einen Böller geworfen haben; angeklagt ist er unter anderem auch wegen gefährlicher Körperverletzung in 18 Fällen, Landfriedensbruchs und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann gemeinsam mit anderen gewalttätigen Demonstranten handelte. Insofern komme es nicht darauf, ob er mit seinen Steinwürfen selbst Beamte verletzt habe, erklärte die Anklagebehörde am Montag. Insgesamt waren demnach 18 Polizisten verletzt worden. Die dem Vorwurf des versuchten Mordes zugrunde liegenden Brandsätze waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwar explodiert, hatten aber keine Beamten verletzt oder gar getötet.

Vorwurf des versuchten Mordes: Ob der 25-Jährige vor Gericht gestellt wird, muss nun das Landgericht Leipzig entscheiden

Das Leipziger Landgericht muss nun entscheiden, ob es einen Prozess gegen den 25-Jährigen eröffnen wird. Eine Soligruppe, die den Beschuldigten unterstützt, kritisierte die Anklage am Montag als überzogen. Der Vorwurf des versuchten Mordes sei hanebüchen.