Nöte und Ängste Nöte und Ängste: Warum viele Senioren nicht schwimmen können

Leipzig - Samstag, 8 Uhr, Schwimmhalle Süd in Leipzig: Schwimmschüler gleiten unter Anleitung einer Trainerin durchs Becken, versuchen, ihre bisher erlernten Fähigkeiten zu verbessern. Sie alle mögen sich nicht erkennbar fotografieren lassen. „Viele schämen sich dafür, im Erwachsenenalter noch nicht schwimmen zu können“, sagt Katja Gläß von den Leipziger Sportbädern. Angst vor dem Wasser und dem Ertrinken, mangelnde Kondition und Beweglichkeit, fehlendes Gefühl für das Wasser - die Gründe, warum sie bisher das Schwimmen nicht erlernt haben, sind vielfältig.
Dokumentarfilm „Trockenschwimmen“: Sieben Menschen zwischen 64 und 74 Jahren porträtiert
Dies wird auch im Dokumentarfilm „Trockenschwimmen“ der Regisseurin Susanne Kim deutlich, der am 4. Mai in die Kinos kommt. Darin porträtiert die Leipziger Filmemacherin sieben Menschen zwischen 64 und 74 Jahren, die sich in einem Schwimmkurs zusammengefunden haben.
„Schwimmunterricht in der Schule gab es zu meiner Schulzeit noch nicht“, sagt Manfred - einer der Protagonisten des Films. Sein Vater hatte Manfreds Schwester während eines Urlaubs von der Front im Zweiten Weltkrieg noch das Schwimmen beigebracht. Er wurde getötet, bevor er auch Manfred mit dem Wasser vertraut machen konnte.
Mit seinen Angaben bestätigt Manfred Zahlen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, wonach 55 Prozent der Deutschen in der Grundschulzeit schwimmen lernen. Viele schaffen es später auch nicht mehr, so dass 35 Prozent der über 65-Jährigen schlechte oder gar Nichtschwimmer sind. Doch es gibt auch diejenigen, die sich als Senioren zu Schwimmkursen anmelden: Allein bei den Sportbädern Leipzig gibt es im Jahr über 90 Anfängerkurse für Erwachsene.
Schwimmlehrer hilft bei Verarbeitung traumatischer Erlebnisse
In Kims Film ist es Hans-Jörg, der den Senioren Unterricht gibt. „Ich musste bei der Gruppe alle Register meiner langen Erfahrung als Schwimmlehrer ziehen“, erzählt er im Gespräch. Da war zum Beispiel Sigrid, die als Kind aus ihrem Schwimmring rutschte und unter dem Gelächter ihrer Familie unter Wasser ging. „Bei ihr war es zunächst einmal notwendig, das traumatische Erlebnis zu verarbeiten und die Angst vor dem Element Wasser zu reduzieren“, sagt Hans-Jörg. Bei Kindern könne er dagegen die Devise „Ich lasse das Wasser machen“ gelten lassen.
Kim kam auf das Thema ihres Films, als sie bei einem Gartenfest von einem älteren Mann hörte, dass er einen Schwimmkurs mache. Da es nicht möglich war, spontan bei einem Schwimmkurs in Leipzig zu drehen, machte sich die Regisseurin auf die Suche nach Menschen, die sich bei ihren ersten Versuchen im Wasser begleiten ließen. Und sie gab den Protagonisten die Gelegenheit, sich selbst vorzustellen.
Das geschieht in Szenen, in denen sie nicht in der Schwimmhalle begleitet werden. In Traumsequenzen werden sie gezeigt, aber auch in alltäglichen Situationen abseits der Schwimmhalle. Unterbrochen sind die dokumentarischen Aufnahmen der Schwimmschüler von Sequenzen aus Super-8-Filmen, von Unterwasserwelten und auch Szenen der als „Hollywoods Wasserprinzessin“ bekannt gewordenen Esther Williams.
„Wasser ist wie Softeis, in dem man Halt finden muss“, sagt Schwimmlehrer Hans-Jörg. Nicht alle haben diesen Halt gefunden, Manfred kann bis heute nicht schwimmen, worüber er aber keineswegs enttäuscht ist. „Ich bin damit alt geworden“, sagt der passionierte Segler, der weiterhin nur mit Schwimmweste an Bord seines Bootes geht. (dpa)