Deutsche Aircraft in Leipzig Neues Flugzeugwerk für Leipzig: Warum Sachsens Luftfahrtindustrie im Steigflug ist
Wenige Wochen nach dem Spatenstich beim Chipunternehmen Infineon in Dresden startet das nächste Großprojekt in Sachsen. Diesmal aber in Leipzig - statt Chips sollen Flugzeuge hergestellt werden. Ein Einblick in die sächsische Luftfahrtbranche.

Dresden/Leipzig/DPA - Inflation, Klimakrise und Ressourcenmangel: Für Viele ist Fliegen eine Gewissensfrage. Die Globalisierung und der Klimawandel haben die Luftfahrtindustrie in den letzten Jahren stark herausgefordert. Dennoch betont Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig, dass globale Vernetzungen schon immer existierten und auch in Zukunft weiterhin bestehen werden.
„Es geht jetzt um die Spielregeln“, sagt der SPD-Politiker wenige Tage vor dem Spatenstich am Flughafen Leipzig/Halle am Dienstag. Dort will der Flugzeugbauer Deutsche Aircraft ab Ende 2026 den Turboproptyp D328 Eco bauen - eine nachhaltigere Weiterentwicklung der Anfang der 90er Jahre gebauten Dornier 328.
Die sächsische Luftfahrtbranche ist laut Minister Dulig „klein, aber fein“
Derartige High-Tech-Flugzeuge könnten angesichts klimaneutraler Herstellung und einem vergleichsweise niedrigen Kerosinverbrauch dem innerdeutschen Flugverkehr ein größeres Zukunftspotenzial in Aussicht stellen als bislang gedacht.
Die sächsische Luftfahrtbranche ist laut Dulig „klein, aber fein“. Sie könne auf eine lange Geschichte im Freistaat zurückblicken. Zu DDR-Zeiten etwa wurde in Dresden das legendäre Düsenflugzeug 152 gebaut. Nach dem Absturz einer Maschine und der späteren Einstellung der Produktion war es in der sächsischen Flugbranche lange Zeit ruhig. In der Zwischenzeit hat sich jedoch einiges getan. Nach Duligs Ansicht ist die Innovationsquote der Luftfahrtindustrie in Sachsen den meisten anderen Branchen weit voraus.
Ein bedeutender Teil des sächsischen Umsatzes wird von den Elbe Flugzeugwerken (EFW) erwirtschaftet
Mit rund 160 Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die insgesamt mehr als 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, erwirtschaftet der Luftfahrtstandort Sachsen laut Wirtschaftsministerium einen Umsatz von etwa 1,4 Milliarden Euro im Jahr. Bis zu 13 Prozent dieses Umsatzes fließen wieder in Forschung und Entwicklung.
Ein bedeutender Teil des sächsischen Umsatzes, etwa 30 Prozent, wird von den Elbe Flugzeugwerken (EFW) erwirtschaftet. Das Unternehmen mit Sitz am Flughafen Dresden ist auf dem Weg zum Global Player und bereits heute Weltmarktführer bei der Umrüstung von Passagier- zu Frachtflugzeugen der Airbus-Familie. Die EFW beschäftigen über 2.000 Mitarbeiter und betreiben sechs Umrüstlinien am Flughafen Dresden, auf denen verschiedene Maschinentypen für ihr Zweitleben als Frachter fit gemacht werden.
Die Kundennachfrage sei in den letzten Jahren stark gestiegen
Laut EFW-Chef Jordi Boto ist Dresden für das Unternehmen nur „die Spitze des Eisbergs“, da heute 80 Prozent der industriellen Aktivitäten außerhalb der Landeshauptstadt stattfinden. Beschlüsse werden dennoch in Dresden gefasst. „Wir sind ein Unternehmen, das von Sachsen aus Entscheidungen trifft, die in die Welt hinaus gehen“, sagt Boto. Die EFW hätten insgesamt neun Standorte außerhalb Europas - unter anderem drei Standorte in China und einen in Singapur. Zudem soll es bald einen weiteren in der Türkei und zwei weitere in den USA geben.
Die Kundennachfrage sei in den letzten Jahren stark gestiegen. Grund hierfür seien unter anderem das veränderte Konsumverhalten von Menschen, Unsicherheiten beim Schiffsverkehr sowie die logistischen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Allein dieses Jahr will das Unternehmen mehr als 40 Flugzeuge weltweit umrüsten - 9 davon in Dresden.
Eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Die Umrüstung eines Flugzeuges kann - je nach Maschine - bis zu einem halben Jahr dauern. Ziel ist es, nicht nur die Lebensdauer der Flieger zu verlängern, sondern die Maschinen so nachhaltig wie möglich umzurüsten.
Entwicklung, Erprobung, Zertifizierung und Produktion neuer Fluggeräte
Die Entwicklung, Erprobung, Zertifizierung und Produktion neuer Fluggeräte ist heutzutage immer noch mit hohem zeitlichen Aufwand und finanziellen Risiken verbunden. Das Institut für Softwaremethoden des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt moderne Methoden für den Luftverkehr von morgen, basierend auf Software.
Das DLR ist nach eigenen Angaben die größte Forschungseinrichtung für Luft- und Raumfahrt in Europa. Derzeit entsteht in unmittelbarer Nähe der Technischen Universität Dresden (TUD) das neue Institutsgebäude, das Anfang nächsten Jahres in Betrieb genommen werden soll.
Direkt gegenüber - im Rechnergebäude des Lehmann Zentrums - befindet sich der Hochleistungsrechner CARA - einer der leistungsstärksten Supercomputer in diesem Bereich. CARA soll die Einführung neuer Technologien für wirtschaftlicheres, umweltfreundlicheres und sichereres Fliegen beschleunigen.
Wertvolle Impulse kommen auch von anderen sächsischen Unternehmen
Mit Hilfe des Rechners können Flugzeuge virtuell entwickelt, in allen Komponenten getestet und für den Flug zugelassen werden. „Es geht nichts ohne Software“, erklärt Direktorin Sabine Roller. Das Institut versteht sich deshalb auch als Standort für die sächsische Wissenschaft.
Wertvolle Impulse kommen auch von anderen sächsischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen wie dem Dresdner Leichtbau-Start-up Herone, dem Airbus-Zulieferer Diehl Aviation und der Professur für Flugmechanik und Flugregelung der TUD.
Die Voraussetzungen für eine blühende Zukunft der Luftfahrtindustrie in Sachsen sind dem Wirtschaftsministerium zufolge gegeben. Nun gehe es darum, die Antriebstechnologien der Zukunft und das CO2-neutrale Fliegen schnellstmöglich voranzutreiben.