Koala Oobi-Oobi im Leipziger Zoo Koala im Leipziger Zoo: Warum ein Sachse zwölf Sorten Eukalyptus

Leipzig - Ganz schön clever! Da erfährt ein Leipziger, dass der Zoo der Messestadt künftig Koalas halten will, und sagt sich: „Diese Tierchen sollen doch nur Eukalyptusblätter fressen. Also lege ich mir mal eine Plantage an und züchte welche.“
So stellt sich der Laie das vor, wenn er zum ersten Mal hört, dass es tatsächlich eine Eukalyptusplantage für den Koala Oobi-Oobi gibt. Allerdings: Mit der Wirklichkeit hat diese Geschichte rein gar nichts zu tun.
Ulf-Peter Schilling lacht, als er davon erfährt. Mag sein, dass jemand auf so abenteuerliche Vorstellungen kommt. Aber er weiß es besser. Denn der Chef eines Gartenbaubetriebes ist derjenige, der den Eukalyptus nach Sachsen geholt hat.
Nein, nicht, weil er irgendwo von den Koala-Plänen gehört hat. Sondern weil er mit seinen Mitarbeitern im Brennpunkt des Geschehens sitzt - im Leipziger Zoo nämlich.
Die Galabau-GmbH Schilling ist vor über 25 Jahren entstanden, gegründet vom Vater des heutigen Chefs. Der Leipziger Zoo gehörte schon vor der Wende zu den Kunden jenes Betriebes, aus dem die kleine Firma hervorging.
„Die Tropenhalle Gondwana, Pongoland, das Zuhause der Menschenaffen, alles, was grün ist im Zoo, wird von uns gepflegt“, sagt Ulf-Peter Schilling. Und noch jede Menge mehr: öffentliche Grünflächen in der Sachsen-Metropole, etliche Gärten von Firmen- und Privatkunden.
Der 39-Jährige selbst begnügt sich mit ein paar Kübeln auf der Dachterrasse. Profi ist er vor allem beruflich. Und er wurde zum Eukalyptus-Versteher.
Eukalyptus aus Südengland
Schon vor mehr als zwei Jahren gab es die ersten Hinweise vom Futtermeister des Zoos, dass die Tiergärtner an einem Koala interessiert seien. Und dass man für diesen natürlich das Spezialfutter brauche - Eukalyptusblätter.
Ulf-Peter Schilling ließ keine Zeit verstreichen. Der Diplom-Ingenieur für Landespflege machte sich kundig: Wie könnten die australischen Bäume auch unter europäischen Bedingungen gedeihen? Was ist beim Anbau zu beachten? Welche Probleme wird es geben und wie kann man sie meistern?
Bis in die Heimat der Bäume nach Australien schaffte er es nicht, aber in Südengland gibt es ebenfalls Eukalyptuspflanzungen, und die hat er sich genau angeschaut. Schließlich ein passendes Gelände gepachtet und losgelegt. Mit Pflanzen, die in Norddeutschland und in Italien gezogen worden waren.
Die wirtschaftlichen Eckdaten: Er startete mit mehr als 2.000 Pflanzen und Sämlingen auf 3.000 Quadratmetern Fläche. In zehn Folienzelten, drei davon beheizbar. In den anderen sieben stehen Sorten - insgesamt sind es 21! -, die als frosthart gelten.
Noch hat die Firma Reserven, so dass künftig 26 Sorten gedeihen sollen, von deren Blättern auch mehrere Koalas satt werden könnten. Die Versorgung ist jedenfalls gesichert, wenn der Leipziger „Exklusivkunde“ Gesellschaft bekommen sollte.
Dessen Vorlieben kennt vermutlich sein Pfleger am besten, aber Ulf-Peter Schilling weiß auch ziemlich gut Bescheid. „Weltweit gibt es über 600 Sorten Eukalyptus“, sagt der Experte, „Koalas fressen die Blätter von 80 bis 100 davon, jedoch nur die frischesten Austriebe. Außerdem sind sie sehr wählerisch.
Welche Blätter Oobi-Oobi an welchem Tag schmecken - das weiß er nur selber.“ Also werden in der Plantage einmal in jeder Woche Eukalyptuszweige von zwölf Sorten geerntet, sprich: die frischen Austriebe abgeschnitten. Immer von verschiedenen Pflanzen, damit nicht alle erneut zur gleichen Zeit austreiben.
Wählerischer Koala
Etwa 30 bis 35 Bund, das sind etwa 20 bis 25 Kilogramm für ein Tier, die im Zoo fachgerecht gekühlt, gelagert und nach und nach verfüttert werden. „Der Koala bekommt immer ein Potpourri. Mal nehmen wir dieselbe Zusammensetzung wie in der Vorwoche, von Zeit zu Zeit fügen wir eine neue Sorte hinzu“, so der Fachmann.
„Was Oobi-Oobi bis gestern gefressen hat und heute gar nicht mehr anrührt, mag er nicht selten ein, zwei Wochen später wieder.“
Während er so über die Vorlieben seines wichtigsten Abnehmers plaudert, öffnet der Zwei-Meter-Mann ein Gewächshaus nach dem anderen und sorgt für die nötige Durchlüftung. Drinnen sieht es in jedem der etwa vier Meter hohen Folientunnel anders aus.
Noch wuchert es überall. Hellgrüne Blätter, graue, dunkelgrüne, lang und spitz geformt, rund, gefiedert. Gut drei Meter hohe Bäumchen, Sträucher, die dem Ficus benjamini ähneln, kniehohe Jungpflanzen...
In der Luft liegt der typische Eukalyptusgeruch, manchmal riecht es nach Zitrone - und manchmal nach gar nichts. Wenn die Winterruhe beginnt, werden in den unbeheizten Häusern die Stämmchen heruntergeschnitten. „Doch sobald es ein bisschen wärmer wird, wächst alles wieder“, erklärt Ulf-Peter Schilling.
2.700 Pflanzen sind es insgesamt, jede Art wächst in zwei Häusern. „Damit nicht etwa eine Art völlig vernichtet ist, wenn mal was passiert.“
Und passieren kann viel, denn wie jeder Plantagenanbau hat auch der Eukalyptus-„Wald“ im Miniformat so seine Tücken. In ihrer Heimat werden aus den Sämlingen hohe Bäume, in Schkeuditz ist bei rund drei Metern das Ende erreicht. Die frischen Triebe werden ähnlich wie bei Kopfweiden immer wieder gekappt - als Futter.
Stress für die Pflanzen
„Nach sechs bis neun Jahren ist Schluss, dann müssen wir den Baum ersetzen, weil seine Kraft erschöpft ist“, spricht der Gärtner und kommt ins Philosophieren über den Wasserhaushalt, moderate Düngung und gute Bodenwerte.
„Die sind wichtig, weil der immense Zuwachs viele Nährstoffe verbraucht!“ Und noch etwas: „Der immer wieder provozierte Austrieb, die Enge, das ist für die Pflanzen Stress“, erklärt Ulf-Peter Schilling, „außerdem bleiben auch Schädlinge nicht aus.“
Bei diesem Thema kann er sich regelrecht in Begeisterung reden, ganz nach dem Firmenmotto „Kompetent und leidenschaftlich“. Manches, was er erwähnt, kommt auch einem Hobbygärtner bekannt vor. Spinnmilben zum Beispiel, die sich gern in manchen Eukalyptussorten einnisten. „Spritzen verbietet sich“, ist die klare Ansage, „wir bevorzugen biologische Mittel. Sozusagen Käfer gegen Käfer.“ Ein Schädling, den es in nahezu jeder Plantage in Europa gibt, ist der Eucalyptus-Hopper.
Das Tierchen mit dem lustigen Namen kann eine Menge Schaden anrichten. Experten aus den Niederlanden, die das Leipziger Unternehmen schon bei der Pflanzenpflege im Gondwanaland beraten, haben sich zum Glück auch mit den „Hoppern“ beschäftigt, so dass Ulf-Peter Schilling optimistisch ist, eine verträgliche Lösung gefunden zu haben. Schließlich gelang das auch beim Pilzbefall, der mit Milchsäurebakterien erfolgreich bekämpft wird.
Zurzeit jedenfalls wächst und gedeiht es in der Plantage prächtig. Im dritten Jahr seit Bestehen haben sich die Abläufe eingespielt, die Ernte entspricht den Erwartungen. Es gibt sogar Überschüsse, um deren Verwendung sich der umtriebige Unternehmer Schilling so seine Gedanken macht.
Mitunter gehen zwar zehn Kilogramm in den Budapester Zoo und erfreuen dort den Koala Vobara, und auch der Dresdner Zoo hat bereits vorgefühlt, ob er wohl Kunde werden könnte. „Denkbar ist der Eukalyptus zudem als Beifutter für andere Tiere“, ist vom Plantagenbetreiber zu erfahren.
„Zum Beispiel in gepresster Form für Pferde oder Hunde bei Schnupfen.“ Aber auch branchenfremd hat Ulf-Peter Schilling Ideen auf Lager. „Duftkissen vielleicht? Oder auch Saunapeitschen?“, überlegt er. Sicher ist nur, dass das wohl nicht seine letzten Einfälle sein werden. Und seine Reiselust, die führt ihn vielleicht eines Tages auch zu den großen Brüdern seiner Plantagenbäumchen. Nach Australien.
(mz)