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Journalistik-Studiengang Journalistik-Studiengang: Irgendwas mit Medien

Von Alexander Schierholz 30.11.2017, 09:00
Das „Rote Kloster“ - in diesem Leipziger Gebäude war in der DDR die Journalistik untergebracht.
Das „Rote Kloster“ - in diesem Leipziger Gebäude war in der DDR die Journalistik untergebracht. Picture-Alliance

Leipzig - Marcel Machill ist am Dienstagabend so etwas wie der sprichwörtliche unsichtbare Elefant im Raum.

Der bisherige Leiter der Abteilung Journalistik an der Uni Leipzig ist zwar nicht dabei, als die Hochschule ihren neu ausgerichteten Journalistik-Studiengang vorstellt - aber trotzdem ist er ständig präsent, in den Köpfen.

Journalistik-Studiengang in Leipzig: Marcel Machill ist entmachtet

Nur einmal, ganz am Anfang der Pressekonferenz, erwähnt Studiendekan Thomas Kater den Harvard-Professor von sich aus. Dann ist Machill erst später wieder Thema, als Reporter nach ihm fragen.

Die Botschaft ist klar: Machill, bisher umstrittener Chef der renommierten Leipziger Journalisten-Ausbildung, ist entmachtet.

Ohne ihn soll der neue Master-Studiengang, ab dem Wintersemester 2018, den Berufsnachwuchs stärker als bisher auf den digitalen Wandel in der Branche vorbereiten. Deshalb spielen Informatik und Datenanalyse künftig eine große Rolle.

Gelingt es damit, an die mehr als 100-jährige Tradition der Leipziger Journalisten-Ausbildung anzuknüpfen? 1916 hatte der Nationalökonom Karl Bücher an der Leipziger Uni das erste deutsche Institut für Zeitungskunde gegründet.

Im Nationalsozialismus wurde es gleichgeschaltet, in der DDR war es wegen der Ausbildung nach Parteilinie als „Rotes Kloster“ verschrien. Absolventen von damals sprechen heute von 50 Prozent fundierter Ausbildung und 50 Prozent „Rotlichtbestrahlung“.

Die Journalisten-Ausbildung in Leipzig seit Jahren in der Krise

Die Uni konnte den Studiengang über die Wende retten, Leipzig galt schnell als erste Adresse des Journalistik-Studiums. Doch in den letzten Jahren war nur noch Krise: Bei einer Neustrukturierung wurde eine Professur gestrichen.

Die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter schrumpfte, wie auch die Bewerberzahlen. Im April dieses Jahres zog das Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft die Notbremse und setzte die Einschreibung für ein Jahr aus. Die Fakultätsleitung warf Abteilungsleiter Machill vor, Reformen verschleppt zu haben, was dieser bestritt. Doch Machill galt schon lange als umstritten, Studierende und Mitarbeiter kritisierten seinen Arbeitsstil.

Eine Reformkommission erarbeitete über den Sommer den neuen Master-Studiengang. Darin soll es zwar auch noch um theoretische und praktische Grundlagen gehen, auch um Forschung. Das Personal wird aufgestockt, mit einer Junior- und einer Gastprofessur. Auch andere Fachbereiche, etwa die Informatik, sollen bei der Lehre aushelfen.

„Wir bilden keine reinen Datenjournalisten aus“, betont Markus Beiler vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft, der den Studiengang leiten wird. Die Hälfte der Ausbildung drehe sich um klassischen Journalismus, auch das einjährige Volontariat in Medienhäusern oder Sendern bleibe erhalten. Bewerber müssten aber praktische Erfahrungen mitbringen, die im Studium vertieft würden. „Die Studenten werden nicht lernen, wie man einen Kommentar schreibt oder eine Moderation. Diese Form der Praxis wird es nicht mehr geben“, sagt Studiendekan Kater. Das müsse ein Master nicht leisten.

Die Uni spricht von einem Neuanfang. Doch Florian Treiß ist skeptisch. Der Medienunternehmer hatte 2008 sein Journalistik-Studium in Leipzig abgeschlossen. Drei Jahre später initiierte er gemeinsam mit anderen Absolventen einen offenen Brief, in dem sie ihrer Sorge um den Fortbestand der Ausbildung Ausdruck verliehen. Damals war gerade die Professur von Michael Haller gestrichen worden. Der renommierte Journalist hatte den Studiengang 1993 übernommen.

„Meine Befürchtungen von 2011 haben sich bestätigt“, sagt Treiß. Er kritisiert, es habe an einem Bekenntnis der Uni-Spitze zur Journalistik gemangelt. Den neuen Studiengang mit Informatik und Datenanalyse nennt Treiß „halbherzig“. Das Konzept komme ihm wie ein „Mischmasch“ vor, sein Eindruck: „Da sollen keine richtigen Datenjournalisten ausgebildet werden, aber auch keine Vollblutjournalisten mehr.“ Dabei seien gerade im Zeitalter von Fake News die handwerklichen Grundlagen des Berufs wichtig. Treiß betreibt Online-Plattformen für die Mobilbranche und die Digitalisierung des Handels, er sucht regelmäßig ausgebildete Redakteure: „Bei vielen Bewerbern mangelt es an den Grundlagen.“ Die Uni beteuert, diese sollten in einem neuen Bachelor-Studium vermittelt werden - von Marcel Machill.

Wie dieser den neuen Studiengang bewertet, ist nicht bekannt. Noch im Sommer hatte Machill ungefragt Details aus der Reformkommission öffentlich gemacht - und das „Ende der Leipziger Journalistik“ beklagt. Nun ließ er eine Anfrage der MZ unbeantwortet. (mz)