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Für die Zukunft der Enkel Für die Zukunft der Enkel: Diese Leipzigerin gründete "Omas for Future"

Von Antonie Städter 22.09.2019, 10:00
Leben im Einklang mit der Natur: So lautet eine Maxime von Cordula Weimann - hier am Hainer See bei Leipzig - und auch der Name des Vereins, den sie kürzlich gegründet hat.
Leben im Einklang mit der Natur: So lautet eine Maxime von Cordula Weimann - hier am Hainer See bei Leipzig - und auch der Name des Vereins, den sie kürzlich gegründet hat. Andreas Stedtler

Leipzig - In dem Moment, als es bei Cordula Weimann klick gemacht hat, wurde ihr schlagartig klar: „Wie grotesk ist das denn! Da hast du so viel Spaß mit deinen Enkeln, übst mit ihnen laufen, lesen, willst sie fördern - und gleichzeitig sägst du an dem Ast, auf dem sie sitzen.“ Die Mutter dreier Töchter und zweifache Oma meint damit das Leben, das sie bis dahin lebte. Mit vermeidbaren Plastikprodukten im Alltag und all den anderen Dingen, über die sie nicht groß nachdachte - weil sie so selbstverständlich schienen. Dabei war Cordula Weimann schon immer naturverbunden, hätte sich selbst sicher auch vor Jahren schon als umweltbewusst bezeichnet.

Inzwischen aber ist Cordula Weimann eine Frau, die hinterfragt. Die nach Möglichkeiten sucht, ihren eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern - und auch andere dazu zu bewegen. Eine Frau, die ins Schwärmen gerät, wenn sie die CO2 -Einsparungen beziffert, die dieses oder jenes Verhalten bewirken könne. Oder sich fasziniert vorstellt, wie viel Macht jeder Einzelne, zum Beispiel als Konsument, eigentlich hat - wenn sich nur viele zusammentun. Sie kann sich dann in Rage reden, voller Begeisterung.

Cordula Weimann gründet gemeinnützigen Verein „Leben im Einklang mit der Natur“

In dem Moment, als es bei ihr klick gemacht hat, saß Cordula Weimann im Vortrag eines Klima-Experten und sah eine Klimakurve, die die Erwärmung der Erde seit 1850 veranschaulicht. „Mit dem Pariser Klimaabkommen wurde ja vereinbart, unter der 1,5-Grad-Celsius-Grenze zu bleiben, aber in weniger als acht Jahren werden wir diese Grenze bereits erreicht haben, sofern wir nicht schnell eine Umkehr herbeiführen“, so die Leipziger Unternehmerin, die lange Zeit Häuser unter Denkmalschutzaspekten saniert und sich nun auf die Einrichtung von Apartments spezialisiert hat. Zudem vermietet sie Ferienhäuser am Hainer See bei Leipzig.

Nach diesem Vortrag ging alles ganz schnell. Cordula Weimann gründete im Juli den gemeinnützigen Verein „Leben im Einklang mit der Natur“, unter dessen Dach eine Bewegung in Gang kommen sollte, die das Anliegen an die Öffentlichkeit bringt - und zwar bei Menschen ihres Alters. „Mir war aufgefallen, dass viele in meiner Generation nicht so genau wissen, was sie tun sollen, oder auch meinen, auf sie käme es nicht mehr an“, sagt die 60-Jährige.

Und das, obwohl diese große Bevölkerungsgruppe den höchsten CO2 -Anteil ausmache aufgrund ihres Konsumverhaltens. „Menschen ab 50 haben oft große Autos, reisen viel und leben häufig in verhältnismäßig großen Wohnungen, da die Kinder aus dem Haus sind.“

„Wir schließen uns den Forderungen von Fridays for Future grundsätzlich an“

Cordula Weimann tat sich also mit einigen Mitstreitern zusammen - darunter auch der Fachbereichsleiter beim Umweltbundesamt, dessen Vortrag sie gehört hatte. „Omas for Future“ war geboren - eine Umweltbewegung für die Generation 50plus. Und ausdrücklich nicht nur offen für Frauen, wie schon die Startbesetzung aus einer Frau und drei Männern zeigt.

„Wir schließen uns den Forderungen von Fridays for Future grundsätzlich an“, berichtet Cordula Weimann, die natürlich auch bei der globalen Klimademo an diesem Freitag dabei war - und im Vorfeld mächtig um Teilnehmer geworben hatte. „Omas for Future“ arbeite aber weniger politisch als die Bewegung, deren Gesicht die Schwedin Greta Thunberg ist.

„Wir arbeiten ,von unten’ und wirken an einem neuen Klimabewusstsein des Einzelnen mit“, erklärt die engagierte Frau, deren Freizeit in diesem Sommer zu einem Großteil darin bestand, Recherchen zu machen, andere für die Idee zu begeistern und an einer Internetseite samt den Texten dafür zu arbeiten. Seit einigen Tagen ist www.omasforfuture.de online, dort können die Besucher ganz genau sehen, worum es den Initiatoren geht und was jeder tun kann. Denn zwar habe die globale Demo viel Aufmerksamkeit erzeugt, „aber unsere Arbeit geht jetzt erst richtig los“.

Appell an Unternehmen

So werden sich auf der Website in den nächsten Tagen Muster-Mails finden, mit denen jeder mit relativ wenig Aufwand Unternehmen oder Politiker auf Missstände hinweisen kann. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass von Unternehmen teils sehr ausführlich auf meine E-Mails reagiert wurde“, so Cordula Weimann. Ihre Hoffnung: dass sich Menschen treffen, um gezielt Mails zu schreiben.

„Fünf bis zehn solcher Schreiben in der Woche pro Person - das kann eine richtige Flut in Deutschland auslösen und zeigt den Unternehmen, dass der Bürger und Konsument erwacht ist.“ So könnten etwa Discounter angeschrieben und aufgefordert werden, von Wasser in Einwegplastikflaschen auf Mehrwegflaschen aus Glas umzustellen. Oder an Unternehmen appelliert werden, ihre Waren mit kompostierbarer Verpackung anzubieten.

Auch fordert die Klimabewegung für Ältere, dass auf Produkten die „Rechnung der Natur“ steht. Die solle dann etwa miteinbeziehen, wie viel CO2 entstanden ist, wie lang der Transportweg war oder wie viele Rohstoffe verwendet wurden.

„Mit den heutigen Möglichkeiten wäre es kein Problem, das abzubilden - aber die Industrie wollte das bislang nicht.“ Klar: Bei Äpfeln im Juli aus Argentinien oder Einwegflaschen aus Plastik würde das nicht gerade einer Kaufempfehlung gleichkommen. Dabei gebe es Beispiele, bei denen es längst funktioniert. Haushaltsgeräte etwa, bei denen der Energieverbrauch in einer klaren Skala angegeben wird. „Heute werden Geräte der Energieklassen B, C oder D oft gar nicht mehr angeboten.“

„Omas for Future“ entwickeln eigenes Konzept

Daneben informiert die Internetseite über Projekte, mit denen ein CO2 -Ausgleich etwa für unvermeidbare Autofahrten oder Flüge erzeugt werden kann. Und es wird dazu aufgerufen, etwas dafür zu tun, dass Bäume gepflanzt werden. Zunächst über bestehende Anbieter; die „Omas for Future“ entwickeln aber auch ein eigenes Konzept, bei dem man mit einer Art Geschenkgutscheinkarte dafür sorgen kann, dass neue Bäume gepflanzt werden. „Zur nächsten Einladung nehme ich dann nicht Wein oder Blumen mit - sondern ich ,schenke Zukunft’ in Form von Bäumen“, erklärt Cordula Weimann.

Etwas tun, das fängt bei jedem selbst im Kleinen an. „Früher habe ich nach dem Motto ,größer, weiter, schneller’ gelebt - aber das hat mich nicht glücklich gemacht“, erzählt die Unternehmerin. Sie fuhr Sportcabrio, „gern auch sehr schnell“. Heute hat sie einen Kleinwagen - und ein Elektroauto schon vorbestellt. Sowieso fahre sie nicht mehr über 100 Kilometer pro Stunde, erzählt die Vegetarierin. Für kurze Strecken nimmt sie das Rad, für Fernstrecken den Zug. Auch ihr Einkaufsverhalten habe sie umgestellt. „Soweit es geht, kaufe ich Bio - und die ein bis zwei Säcke Altkleider im Jahr fallen auch nicht mehr an.“ Denn ihre Sachen kaufe sie nicht mehr nach Trends oder weil es gerade etwas günstig gibt.

Das Beste: „Ich habe nicht eine Sekunde das Gefühl, auf etwas zu verzichten.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Die Dinge bekommen einen ganz neuen Wert“, sagt die Wahl-Leipzigerin, die ursprünglich vom Niederrhein stammt und lange in Paderborn gelebt hat. Bei einer Sache grübelt sie aber: „Seit Langem ist geplant, dass ich unseren früheren Austauschschüler aus Mexiko nächstes Frühjahr besuche, er hatte ein Jahr bei uns gelebt“, erzählt sie. Jedoch: „Ich frage mich, ob ich das wirklich tun soll - angesichts der fünf Tonnen CO2 , die der Flug verursachen würde.“

Die Initiative im Netz: www.omasforfuture.de

„Omas + Opas, wo seid ihr?“, fragte Cordula Weimann bei einer Freitagsdemo. Die jungen Leute dort fanden das toll.
„Omas + Opas, wo seid ihr?“, fragte Cordula Weimann bei einer Freitagsdemo. Die jungen Leute dort fanden das toll.
Andreas Stedtler