Bedrohung Bedrohung in Deutschland: Vielfalt bei Tieren und Pflanzen nimmt weiter ab
Halle (Saale)/Leipzig - Sie erreicht eine Höhe von maximal 1,20 Meter, sie hat grüne Blätter und einen mäßig behaarten Stängel. Die Pflanze kam früher auch im Raum Halle vor. Heute ist der Rispige Blauweiderich in Deutschland ausgestorben.
Das gilt auch für die Getreidemiere - sie ist mittlerweile fast aus ganz Europa verschwunden. Ähnliche Verluste gibt es in der Tierwelt: Den Stör sucht man hierzulande vergebens, der Europäische Nerz hat sich in kleine Gebiete Osteuropas zurückgezogen.
Marten Winter aus Leipzig: „Biologische Vielfalt geht gleich dreifach verloren“
Das sind vier Beispiele für eine Entwicklung, die Wissenschaftlern große Sorge bereitet: Immer mehr Tier- und Pflanzenarten sind weltweit bedroht. „Wir verlieren biologische Vielfalt gleich dreifach: Erstens gehen die Bestände vieler Arten, also die schiere Anzahl an Individuen, immer weiter zurück. Zweitens sterben dadurch viele seltene Arten unwiederbringlich aus. Und drittens verlieren Lebensgemeinschaften ihre Einzigartigkeit und werden einander immer ähnlicher“, sagt Marten Winter.
Der Leipziger Wissenschaftler arbeitet am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Das Zentrum ist bei einer Uno-Konferenz vertreten, die am Sonntag in Cancún (Mexiko) beginnt und in der es um die schwindende biologische Vielfalt geht.
Aktuelle Daten zeigen laut Winter, dass die Anzahl der Wirbeltiere seit 1970 um die Hälfte zurückgegangen ist, bestimmte Arten sind lokal ganz verschwunden. In 30 europäischen Ländern starben über 1.000 Pflanzen in einigen Regionen aus.
Gleichzeitig dringen die Generalisten vor, also jene robusten Pflanzen und Tiere, die außerhalb ihres angestammten Verbreitungsgebiets klar kommen. Das sind schon über 13.000 Arten.
Wissenschaftler Marten Winter: „Müssen Verlust der Biodiversifität stoppen“
Ein kleiner Teil sorgt in der neuen Heimat für große Schwierigkeiten. Das sind in Deutschland etwa die nordamerikanische Ambrosia, der Riesenbärenklau, der asiatische Laubholzbockkäfer oder der Waschbär. Im September wurden in Biederitz (Jerichower Land) erstmals Wasserhyazinthen entdeckt, die sich rasch ausbreiten können.
Die Invasion funktioniert auch in anderer Richtung. So stört der europäische Regenwurm das ökologische Gleichgewicht in den Wäldern Kanadas. Rotfuchs und Kaninchen oder die Kohl-Gänsedistel haben sich andernorts extrem ausgebreitet.
„Das Aussterben der einheimischen Spezialisten und die gleichzeitige Einwanderung gebietsfremder Generalisten führen dazu, dass sich die Lebensgemeinschaften in den Ökosystemen weltweit einander angleichen“, erläutert Winter. Man stehe „moralisch und politisch“ in der Pflicht, den Verlust an Biodiversität zu stoppen. (mz)