100 Veranstaltungen wegen Corona ausgefallen 100 Veranstaltungen wegen Corona ausgefallen: So will die Leipziger Messe neu starten

Leipzig - Wegen der Corona-Pandemie hat die Leipziger Messe seit Mitte März alle Veranstaltungen abgesagt. Doch im zweiten Halbjahr 2020 soll der Messebetrieb wieder aufgenommen werden, kündigen die Geschäftsführer Martin Buhl-Wagner und Markus Geisenberger an.
MZ-Redakteur Steffen Höhne sprach mit ihnen über digitale Kongresse, Unternehmensverluste und einen Umbruch in der Messebranche.
Die Corona-Pandemie trifft die Leipziger Messe hart. Ist es eine der schwersten Krisen in der Geschichte?
Martin Buhl-Wagner: Es steht uns nicht zu, die 850-jährige Geschichte der Messe zu bewerten. Aber die Pandemie bedeutet sicher eine riesige Herausforderung, die wir aber mit unseren 850 Jahren Erfahrung bestimmt meistern werden.
Der Satz eignet sich gut fürs Marketing. Doch wie brenzlig ist die Lage?
Buhl-Wagner: Gefühlt dauert die Corona-Krise für viele bereits zwei Jahre, doch sind es erst drei Monate. Niemand hatte natürlich mit so etwas gerechnet. Die Messe- und Kongressabsagen treffen uns hart, doch wir arbeiten daran, dass es wieder aufwärts geht.
Wie viele Absagen hatten Sie bis jetzt?
Markus Geisenberger: Wir haben bis jetzt mehr als 100 Veranstaltungen abgesagt oder verschoben. Doch unsere Rahmenbedingungen verbessern sich gerade entscheidend. Seit dem Wochenende gilt die neue Corona-Schutz-Verordnung und Allgemeinverfügung des Freistaates Sachsen.
Messen und Kongresse sind ab sofort wieder ausdrücklich erlaubt. Selbstverständlich unter der Auflage hinreichender Hygiene- und Sicherheitskonzepte, aber ohne quantitative Begrenzung der Teilnehmerzahl. Das gibt uns Schwung. Wir arbeiten jetzt verstärkt daran, dass es im zweiten Halbjahr wieder Veranstaltungen geben wird.
Gibt es schon einen Termin für die erste größere Messe, die wieder veranstaltet wird?
Buhl-Wagner: Das ist die Cadeaux vom 5 bis zum 7. September 2020. Im ganzen zweiten Halbjahr werden Messen und Kongresse wieder stattfinden. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Wir sprechen jetzt intensiv mit Ausstellern und Kunden.
Die Cadeaux ist eine Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends. Wie steht’s bei den Anmeldungen der Aussteller?
Buhl-Wagner: Generell hängt die Bereitschaft stark von den einzelnen Branchen ab. Bei der Denkmal, der europäischen Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung, gibt es eine hohe Nachfrage. Die Baubranche ist bisher von der Coronakrise nicht so stark betroffen. Dort wird gearbeitet, die Firmen wollen ausstellen.
Wie sollen die Hygienekonzepte bei den kommenden Messen aussehen?
Geisenberger: Die Hygienekonzepte werden entlang von drei Parametern entwickelt. Das sind Abstandsregelungen, Einhaltung von Hygieneregeln und die Nachverfolgbarkeit von Kontaktpersonen. Die einzelnen Maßnahmen werden in einem Katalog zusammengestellt und gelten für Aussteller und Besucher. Mit diesen Regeln ist es wieder möglich, Messen und Kongresse durchzuführen.
Nicht alle Aussteller und Besucher werden aber kommen. Können die Veranstaltungen auch profitabel durchgeführt werden?
Buhl-Wagner: Wir arbeiten daran, dass die Veranstaltungen wirtschaftlich vertretbar durchgeführt werden. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, welche Bedeutung Messen und Kongresse für die Region haben. Hotels, Gastronomie oder Taxi-Unternehmen sind auf Messen angewiesen.
Die Veranstaltungen stiften einen Nutzen, der weit über unsere Einnahmen hinausgeht. Jeder Euro Umsatz für die Messe generiert zehn Euro Umsatz für die Region. Auch deswegen halten wir es für wichtig, Veranstaltungen durchzuführen, weil wir Impulsgeber für die Region sind.
In welchem Umfang werden neue digitale Angebote bei den Veranstaltungen eine Rolle spielen?
Geisenberger: Wir merken an den Diskussionen mit unseren Kunden, dass für sie unverändert Präsenzveranstaltungen essenziell sind. Wir spüren aber auch das Bedürfnis solche Events mit digitalen Angeboten zu erweitern und deren Reichweite im Netz zu verlängern.
Was heißt das konkret für die Veranstaltungen?
Buhl-Wagner: Nehmen Sie einen Kongress. Da ist es eben möglich, dass sich einzelne Referenten oder Gäste nur über Video zuschalten, weil sie beispielsweise im Ausland sind oder zu einer Risikogruppe gehören. Einige Veranstaltungen werden daher hybrid werden: Es wird vor Ort etwas passieren und Zuschaltungen geben. Bei Kongressen haben wir das auch in der Vergangenheit schon konzipiert, bei Messen gehen wir neue Wege.
Rechnen Sie dieses Jahr noch mit ausländischen Ausstellern und Gästen?
Geisenberger: Ja, natürlich. Wir bekommen jetzt das positive Signal, dass die Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Ausländische Aussteller etwa bei der Fachmesse Denkmal haben die feste Absicht, zu kommen. Da sich in allen europäischen Ländern derzeit die Lage bessert, erwarten wir täglich mehr Zusagen.
Wird Corona zu einer Zäsur der deutschen Messelandschaft?
Buhl-Wagner: Bei allen neuen digitalen Formaten bin ich der festen Überzeugung, dass die Menschen weiter unverändert das Bedürfnis haben, zusammenzukommen. Kreative Ideen und neue Kontakte entstehen besser bei persönlichen Begegnungen. Messen bieten die ideale Plattform für diesen Austausch.
Die Frage ist nur, wer weiter mitspielen kann. Wird es Messepleiten geben?
Geisenberger: Die Situation bedeutet auf jeden Fall für die Branche in ihrer ganzen Breite einen erheblichen Einschnitt, die Karten werden vielfach neu gemischt. Es gab in den letzten Jahrzehnten keine Situation, in der das Messegeschäft weltweit zum Erliegen gekommen ist. Daraus ergeben sich auch Chancen, die wir nutzen können.
Gibt es bereits einzelne Messen, die Leipzig gern übernehmen würde?
Geisenberger: Das eine oder andere Angebot zeigt sich schon. Ob wir dann auch zugreifen, ist eine andere Frage.
Wie hoch werden denn die Verluste bei der Leipziger Messe in diesem Jahr ausfallen?
Buhl-Wagner: Wir sind jetzt bei etwa einem Drittel des geplanten Jahresumsatzes. Die ersten zweieinhalb Monate des Jahres liefen bei uns noch sehr gut. Wir hatten starke Messen in dieser Zeit.
Ja, wir werden zusätzliche Unterstützung unserer öffentlichen Gesellschafter benötigen, doch es ist zu früh, jetzt schon über konkrete Zahlen zu sprechen. Vieles wird vom zweiten Halbjahr abhängen. Unsere Gesellschafter haben uns aber signalisiert, dass sie zu uns stehen.
Wie wirkt sich der Ausfall der Messen auf ihre Beschäftigten aus? In welchem Umfang gibt es Kurzarbeit?
Geisenberger: Viele Mitarbeiter haben auch vorher schon von unterwegs oder von zuhause gearbeitet Daher fiel uns die frühzeitige Umstellung auf Home Office nicht schwer.
Im April haben wir dann in Teilen des Unternehmens mit Kurzarbeit begonnen, aktuell sind 90 Prozent der Beschäftigten in Kurzarbeit. Auch das Management, das nicht in Kurzarbeit ist, beweist Solidarität und verzichtet auf Gehalt in gleicher Höhe wie bei der Kurzarbeit. Prekär sehe ich vor allem die Lage bei unseren Dienstleistern.
Was meinen Sie damit?
Geisenberger: Nehmen Sie die vielen mittelständischen Messebauer, die jetzt keine Aufträge haben. Noch halten viele durch, doch im zweiten Halbjahr benötigen sie dringend wieder Aufträge. Wir müssen sehr aufpassen, dass uns hier nicht eine wichtige Basis wegbricht. Auch für diese Unternehmen ist es wichtig, dass wir unsere Veranstaltungen wieder zum Laufen bringen. (mz)