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Landwirtschaft Landwirtschaft: «Biotopia» in Greifenhagen ist eine Erfolgsgeschichte

Von Steffen Reichert 24.08.2005, 17:58

Greifenhagen/MZ. - Eine Umfrage hat es an den Tag gebracht: In Sachsen-Anhalt stehen die Menschen früher auf als in allen anderen Bundesländern. Die MZ stellt Menschen vor, die im echten und übertragenen Sinn hellwach sind und ihre Ziele mit Ideen und Ausdauer verfolgen.

Als Klaus Feick im Jahr 1991 nach Greifenhagen zog, da kam er praktisch in die DDR. Es roch noch nach DDR, es sah aus wie DDR, und das Grundstück war der Osten pur: ein heruntergekommenes Gebäude mit verfallenen Stallungen und den Überresten einer LPG.

Aber dem Südhessen Klaus Feick war dies alles egal. Er war in jenem Sommer 23 Jahre alt, er steckte noch im Studium. Und Greifenhagen - ganze zehn Autominuten westlich von Hettstedt mitten im Mansfelder Land gelegen - versprach ein Abenteuer zu werden. "Wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich einlasse, wüsste ich heute nicht mehr, ob ich es noch einmal tun würde", sagt Biobauer Feick im Rückblick.

Heute sitzt Feick wohlgelaunt in der Küche seines Fachwerkhauses und genießt die wenigen freien Stunden. Vorbei die Zeiten, als acht Mann gleichzeitig im einzigen bewohnbaren Zimmer campierten. Vorbei auch die Zeiten, als die Nachbarn im Dorf sein Biohofprojekt verlachten und Wetten abschlossen, wann er wirtschaftlich erledigt sei.

Aus, vorbei. Totgesagte leben länger. Inzwischen sieht man vor dem aufwändig sanierten Gebäude regelmäßig Autos mit Berliner Kennzeichen, aus denen Feriengäste steigen. Hinter dem Gebäude ist der große Kräutergarten, in dem sich Feick, seine Ehefrau und die Urlauber bedienen können. Ein Blick in den Stall ist immer erlaubt.

Feick ist Biolandwirt, und er steht dazu. Als sich 1991 die einmalige Chance bot, von einem in den fünfziger Jahren aus dem mansfeldischen Greifenhagen in den Westen gegangenen Mann das Grundstück zu erwerben, zögerten Feick und seine zwei Partner nicht lange. Denn der Sohn traditioneller Bauern wusste schon früh, was er nicht wollte: als Berater oder Verwalter in der Landwirtschaft zu arbeiten. "Statt dessen wollte ich immer etwas machen, was nicht konventionell ist", erinnert er sich - Ackerbau und Viehwirtschaft ganz ohne Pflanzenschutzmittel. Mehr Natur und damit mehr Gesundheit, so die Philosophie.

Kein leichtes Vorhaben, denn Feick musste zunächst zur Kenntnis nehmen, wie die Marke Bio im Osten wirkte. "Es gab das Vorurteil, dass Äpfel automatisch schrumpelig sind", lacht er heute. Der höhere Preis tat schließlich ein Übriges. Doch Feick trotzte allen Widrigkeiten. Mühsam begann er, seine Produkte direkt an den Mann zu bringen. Äpfel und Tomaten aus der eigenen Gärtnerei, Milch von seinen Kühen und Brot ganz frisch gebacken. Dreimal die Woche baut er seit Jahren in Halle seinen Marktstand auf, "wobei da auch ganz viel Beratung dabei ist", auf Wunsch wird auch frei Haus geliefert. Dinkel, Erbsen, Fenchel, ganz wie es beliebt. 13 Mitarbeiter haben inzwischen Arbeit auf dem Gehöft gefunden.

Das Getreide geht in die Biomühle einer Erzeugergemeinschaft nach Niedersachsen, die Milch nach Rostock. "Wenn ich freilich gewusst hätte, dass der Milchpreis von einst 40 Cent auf heute 27 fällt, dann hätte ich nicht 200 Kühe im Stall stehen." Aber wie immer im Leben gibt es Entscheidungen, die nicht zu korrigieren sind. Die Schulden bei der Bank sind hoch. Bauer Feick sagt, der entscheidende Unterschied zu einem vergleichbaren Landwirt in den alten Ländern sei, dass dort ein Hof über Jahrzehnte gewachsen und über Generationen vererbt worden ist.

Obwohl die Akzeptanz steigt und der Markt wächst, "mit Bio und nicht trotz", wie Feick stolz bemerkt, sind die Bedingungen immer schwieriger geworden. Seit Supermärkte und selbst Niedrigdiscounter Bioprodukte in ihre Regale genommen haben, bestimmen die Handelsriesen den Preis. Einzelerzeuger wie Feick sind kaum noch in der Lage mitzuhalten. "Die großen Ketten kaufen zu anderen Konditionen." Und ihnen sei die Herkunft der Ware egal, grummelt der Biolandwirt.

Aber er stellt sich auch dieser Herausforderung. Um sich unabhängiger zu machen, hat Feick mit seiner Firma "Biotopia" - einer von bundesweit 200 Demonstrationsbetrieben Ökologischer Landbau - gerade ein erstes Geschäft eröffnet. Der Name ist erklärtes Programm: "fein & köstlich".