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Weihnachten in Deutschland Weihnachten in Deutschland: Von der Schweiz nach Oranienbaum

Von Ilka Hillger 13.12.2018, 14:06
Benjamin und Sabine Jouanne haben in Oranienbaum den „Goldenen Hirsch“ zum Restaurant mit deutsch-französischer Küche entwickelt.
Benjamin und Sabine Jouanne haben in Oranienbaum den „Goldenen Hirsch“ zum Restaurant mit deutsch-französischer Küche entwickelt. Ilka Hillger

Oranienbaum - Weihnachten besteht oft aus Kompromissen, erst recht, wenn in einer Familie zwei Nationalitäten zusammenkommen. Im speziellen Fall war sich das Paar jedoch schnell einig. Heiligabend kommt weder etwas aus Frankreich noch aus Deutschland auf den Tisch. Sabine und Benjamin Jouanne haben sich vielmehr für ein Gericht entschieden, das ganz allein mit ihnen zu tun hat. „Es gibt Käsefondue“, sagt die junge Frau, denn in Zermatt in der Schweiz lernten sie und ihr Mann sich kennen, auf der Arbeit in einem Hotel.

Jahre später haben die beiden ihr eigenes Geschäft. Ihnen gehört der „Goldene Hirsch“ am Oranienbaumer Markt. Benjamin Jouanne ist der Koch im Haus, Sabine, die Ehefrau aus Berlin, hat als Hotelfachfrau den Service im kleinen Familienbetrieb unter sich. Seit 2013 hat sich die Gaststätte von der früheren Kneipe, die sie einmal war, zum Restaurant mit deutsch-französischer Küche entwickelt. Das fällt gleich im Gastraum ins Auge: Froschschenkel sind als besonderes Angebot mit Kreide an die Tafel geschrieben.

Die kleinen Beine sind freilich nicht das typische Weihnachtsessen aus der Heimat von Benjamin Jouanne. Aufgewachsen ist der 32-Jährige in der Champagne, der Region im Nordosten Frankreichs aus der der Champagner kommt. „Bei uns gibt es Heiligabend im ganzen Land Truthahn mit Maronenfüllung, die Beilagen variieren von Region zu Region“, erzählt er.

Réveillon heißt dieser Weihnachtsschmaus, bei dem sich die ganze Familie vor oder nach der Christmesse am festlichen Tisch trifft. Ein paar Stunden kann dieser Weihnachtsschmaus durchaus dauern, für dessen Vorbereitung es ein gutes Zeitmanagement der Köche und Köchinnen braucht, denn Heiligabend wird in Frankreich weit verbreitet normal gearbeitet. „Supermärkte haben bis 20 Uhr geöffnet“, sagt Benjamin Jouanne.

„Bei mir zu Hause ist das Weihnachtsfest noch sehr stark an die Religion gebunden“, erzählt der Koch, der seinen Meister in der Heimat machte und dann in die Welt hinaus zog. Die Geschenke gibt es bei den französischen Nachbarn - wie übrigens auch bei Italienern, Briten oder Amerikanern - am ersten Weihnachtsfeiertag. Dann liegen sie unterm sapin de Noël, dem Weihnachtsbaum.

Bei Familie Jouanne dürfen sich die drei kleinen Söhne (zwei, vier und sechs Jahre alt) jedoch schon Heiligabend darüber freuen. „Da halten wir es wie in Deutschland üblich“, sagt Benjamin Jouanne. Beim geschmückten Baum aber konnte er sich durchsetzen. In der Wohnung über der Gaststätte steht er schon seit dem 6. Dezember, so wie es in Frankreich Tradition ist. Nach dem 6. Januar, dem Dreikönigstag, wird er abgeschmückt.

Drei Tage später öffnen die Jouannes nach einer verdienten Pause über den Jahreswechsel dann auch wieder ihr Restaurant. „An den Feiertagen haben wir natürlich viel zu tun“, berichtet das Paar. Den Wünschen der Kunden entsprechend finden sich dann hauptsächlich Gänse- und Entenbraten auf der Speisekarte. Dazwischen gibt es aber auch immer wieder Spezialitäten aus der Heimat des Kochs, die er seinen Kunden in den vergangenen fünf Jahren schmackhaft gemacht hat: Muscheln, Jakobsmuscheln, Hummer, geschmorte Ochsenbäckchen beispielsweise. „Das haben wir den Leuten Schritt für Schritt untergejubelt“, lacht Sabine Jouanne.

Die 35-Jährige hat familiäre Wurzeln in Oranienbaum. Bei den Großeltern verbrachte sie viele Ferien und die eigenen Kinder sollten in deren Nähe aufwachsen. „Deswegen haben wir auch eine Gaststätte hier in der Gegend gesucht“, erzählt sie. Am Ende waren es für ihre Jungs nur fünf Minuten Fußweg zu den Urgroßeltern, und die Vorbesitzer vom „Goldenen Hirsch“ waren froh, nach langer Suche Nachfolger für das Traditionslokal gefunden zu haben.

Bliebe im Hause Jouanne nur noch die Frage nach Kartoffelsalat mit Würstchen. „Den werde ich wohl auch noch für Heiligabend machen“, gesteht Sabine Jouanne, die mit diesem Traditionsgericht aufgewachsen ist. Keine Zeit bleibt indes für den Bûche de Noël, ein Weihnachtsbaumkuchen in der Optik eines Baumstammes, der bei den Franzosen als Dessert am Heiligabend nicht fehlen darf.

Die Biskuitrolle mit Schokobuttercreme wird sich Benjamin Jouanne für ein späteres Fest mit der Familie aufheben. Dafür weiß er aber, warum man sie in Frankreich isst. Louis XIV. soll seinen Untertanen einst erlaubt haben, Holzstämme aus seinen Wäldern fürs Weihnachtsfest mitzunehmen, damit sie es in den Stuben warm haben. „Mit dem Kuchen erinnern wir daran“, sagt der französische Koch und muss dann auch schon wieder an den Herd, um die deutsch-französischen Speisen vorzubereiten.