Weihnachten in Deutschland Weihnachten in Deutschland: Glockenklang hat für Flüchtlingskinder viele Sprachen

Holzdorf - D ass die Menschen in Deutschland in der Vorweihnachtszeit freundlicher zueinander sind, hat Sheima Bader, ein Mädchen aus Syrien, bemerkt. Die 15-Jährige zieht mit den Fingern ihre Mundwinkel nach oben, weil ihr im schnellen Redefluss die Vokabel nicht einfällt für das Lächeln, dass sie jetzt öfter in den Gesichtern der Menschen sieht.
Seit Februar dieses Jahres lebt die Familie Bader in Deutschland. Sheima und ihre elfjährige Schwester Alaa sprechen schon passabel Deutsch, wie auch die anderen Kinder verschiedener Nationen, die sich am Mittwochnachmittag in Holzdorf-Ost im Büro von Daniela Wäsch, Sozialarbeiterin des Landkreises, versammelt haben.
Sie erzählen der MZ, wie sie die Advents- und Weihnachtszeit hier in der Fremde erleben. Dabei stellt sich heraus: So fremd ist den Kindern Weihnachten nicht und ihre Vorfreude auf das Fest ist nicht minder groß als bei den Kindern hierzulande.
Zehn Prozent der syrischen Bevölkerung sind Christen verschiedener Konfessionen, gefeiert wird am 25. Dezember oder bei den griechisch-orthodoxen Richtungen am 6. Januar. Daher kennt auch Sheima international bekannte Weihnachtslieder wie „Jingle Bells“, das der US-Amerikaner James Lord Pierpont komponierte und 1857 veröffentlicht wurde. „Ich durfte es in der Schule auf Arabisch singen“, erzählt Sheima.
Die „mit Steinen“ behängten Weihnachtstannen überall, üben gleichwohl eine Faszination auf das Mädchen aus, wobei sie Steine im Sinne von Schmuck übersetzt. „Wir haben auch einen Baum gemacht“, erzählt sie mit strahlenden Augen.
Eine Tradition hat die Familie hier neu übernommen: Den Nikolaus. Das haben die Mädchen von ihren Klassenkameraden in den Schulen gehört. Sie finden es lustig mit dem Schuheputzen. „Unsere Mama hat Süßigkeiten hinein getan“, sagt Alaa mit leuchtenden Augen.
Auch in Indien kennt man „Jingle Bells“ natürlich. In der ehemaligen britischen Kolonie ist am 25. Dezember „Bada din“ - der große Tag. Und obwohl nur 2,3 Prozent der Inder Christen sind, was immerhin 28 Millionen Menschen ausmacht, ist es ein offizieller Feiertag. „Es werden auch Bäume und Häuser mit Lichtern geschmückt“, berichtet Krija Patel (15). Die Familie dieses Mädchens ist seit 2016 in Deutschland, „wir waren zuvor in Coswig“, so Krija. Es sind noch weitere Kinder mit dem Namen Patel anwesend, Biren (13) und der zehnjährige Rudit, aber verwandt sind die Familien nicht miteinander. Patel ist in Indien so häufig wie bei uns Müller oder Schulze.
Und längst gibt es eine russische Version von „Jingle Bells“, die in Tschetschenien erklingt. Der Vater von Makka (14) und Junes Barkanov (zwölf) zeigt der MZ auf dem Handy ein Video von einer Party auf einem öffentlichen Platz in seiner Heimat, wo die Lichter am Baum im Takt der Musik blinken. Am 31. Dezember wird in der zu Russland gehörenden autonomen Republik im Kaukasus, in der der Bürgerkrieg immer wieder aufflammt, traditionell das Jolka-Fest gefeiert, bei dem „Det Maros“, Väterchen Frost, den Kindern Geschenke bringt. „Papa verkleidet sich bei uns immer als Nikolaus“, erzählt Makka.
So finden sich, wenn auch in bescheidenem Maße, Holzdorfer Flüchtlinge an den Festtagen im Familien- oder Freundeskreis zusammen, um auf ihre Weise zu feiern. Wie bei uns Deutschen steht dabei gutes Essen im Vordergrund. Schafsfleisch oder Hühnchen mit Reis und viel frischem Gemüse, vor allem Tomaten, auch gefüllte Weinblätter stehen bei den Syrern traditionell auf dem Tisch.
Gegrillte Spieße, Fisch, Pelmeni gehören bei den Tschetschenen zum Festessen. Und bei den Indern gibt es Currys aus Truthahnfleisch. Süßigkeiten gehören überall dazu. Die syrischen Mädchen erzählen von einer Süßspeise aus Milch, Reis und Zucker, die gekühlt gegessen wird. „Extrem süß“, wie Daniela Wäsch weiß, mögen es die Inder. Barfi heißt dort ein Konfekt, das von der Konsistenz her ein Zwischending von Marshmallow und Baiser ist. Kuchen und Torten - mit viel Buttercreme - sind der Nachtisch bei den Tschetschenen.
Durch viele Veranstaltungen in Schulen und Kindergärten sind die Holzdorfer Flüchtlingskinder schon lange auf die Festtage eingestimmt. Am Dienstag waren sie alle vom Rotary Club Herzberg/Elster zur großen Weihnachtsaufführung der Falkenberger Tanzmäuse eingeladen. Die katholische Gemeinde hat die Kinder dorthin gebracht. Am Tag darauf sind sie noch ganz gefangen von den Eindrücken. Sheima, Makka, aber auch die Jungen schwärmen von dem zauberhaften Bühnenbild, den schönen Kostümen, der Musik und den tollen Tänzen.