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Volksangeltag in Coswig Volksangeltag in Coswig: Angeln mal ohne Schein

Von Ilka Hillger 14.06.2019, 11:51
Reiner Michna wünscht sich zum 100. Geburtstag des Vereins viele Teilnehmer am Volksangeltag.
Reiner Michna wünscht sich zum 100. Geburtstag des Vereins viele Teilnehmer am Volksangeltag. Ilka Hillger

Coswig - An den Angelplätzen ist die Wiese frisch gemäht, die Lehmausstiche sind mit Fischen gut gefüllt, jetzt muss nur noch das Wetter am Sonnabend passen, dann kann einem gelungenen Volksangeltag in Coswig nichts mehr im Wege stehen. Zehn Jahre ist es schon wieder her, dass bei solch einer Gelegenheit jedermann die Chance gegeben wurde, eine Angelrute auszuwerfen.

Anlass war damals der 90. Geburtstag der Angelfreunde Coswig 1919. Somit kommt man nun zum ganz großen Jubiläum wieder zusammen. „Es könnte durchaus sein, dass wir der älteste Verein in Coswig sind“, überlegt Reiner Michna. Dem Vorsitzenden des Vereins fällt auf Anhieb jedenfalls kein anderer Zusammenschluss ein, der auf eine 100-jährige Geschichte blicken kann.

Ganz knapp die Hälfte davon hat Reiner Michna sogar selbst miterlebt. „Ich bin mit sechs oder sieben Jahren hier eingetreten“, sagt der 52-Jährige. Vereinschef ist er seit mehr als 20 Jahren. Gerne denkt er inzwischen an jene Jahrzehnte zurück, als es den Anglern noch ein leichtes war, ihrem Hobby nachzugehen.

„Nur noch Bürokratie“, ärgert sich Michna über heutige Regeln und Gesetze. Auch diesmal habe es wieder einen Haufen Zeit und Telefonate gekostet, um überhaupt alle Genehmigungen für den Volksangeltag einzuholen.

Aber es hat geklappt, und so kann man sich am 15. Juni bis 9 Uhr an den Lehmausstichen einfinden und wenig später losangeln. „Bis Mittag wollen wir angeln, das ist gewissermaßen eine Bestandskontrolle unseres Gewässers“, sagt der Vereinschef.

Bestand gerettet

Insgeheim weiß er natürlich, dass der Bestand gut ist. Vor einem knappen Jahr konnten die Angelfreunde nicht so zuversichtlich sein. Im Anglerheim, das in weiser Voraussicht seinen Vereinsraum fünf Meter über dem Erdboden hat, haben die Angler ein Foto von 2018 stehen. Die Teiche, gelegen zwischen Lugweg und Elbe, sind trockengefallen.

Die Feuerwehr half damals, Wasser aus der Elbe in die Lehmausstiche zu setzen. Laut Michna kamen dazu noch einmal zwei Millionen Liter Trinkwasser, die die Wassertemperatur im Angelteich senkten. Man sei bereits bei 28 Grad gewesen. „Zwei Grad mehr, hätte kein Fisch überlebt“, weiß er. So aber und mit Hilfe von Feuerwehr und Stadtwerken konnten etwa 70 Prozent des Bestandes gerettet werden.

Geht der Vorsitzende noch weiter in der Vereinsgeschichte zurück ist er natürlich schnell bei den Hochwassern 2002 und 2013 angelangt, bei denen die Lehmausstiche in den Überflutungen untergingen und seitdem übrigens den Zwergwels beheimaten, der eigentlich unerwünscht ist. Was sonst an Fischen in die Teiche gehört, wird jährlich besetzt.

Michna erklärt, dass anhand der Fangkarten der 130 Mitglieder bilanziert werden kann, welche Fische im Bestand aufgefrischt werden müssen. Bei spezialisierten Händlern werden diese gekauft und ausgesetzt. Meist auch schon als ausgewachsene Exemplare, denn je kleiner die Neuzugänge, desto wahrscheinlicher wird es für sie, den Raubfischen zum Opfer zu fallen. Für Vereinschef Michna ist Angeln das liebste Hobby.

Natürliche Konkurrenz

54 Ruten hat er daheim gut sortiert im Angelraum liegen. Das jüngste Modell ist noch ganz frisch, in dieser Woche erst gekauft, für den Preis eines sehr guten Fernsehers. „13,5 Meter lang und nur 690 Gramm schwer“, schwärmt er von der neuesten Errungenschaft, die fürs Strömungsangeln in der Elbe gedacht ist. Dort hat Reiner Michna auch seinen bislang größten Fisch herausgeholt, einen 1,90 Meter großen Wels.

Den könne man jetzt nach Herzenslust fischen, denn der schwimmende Räuber ist im Fluss eher zur Plage geworden und macht sich über die kleineren Fische her. Michna mag gar nicht daran denken, was aus den Stören wird, die man in der Elbe ausgesetzt hat.

Diese Raubfische können bis zu drei Meter groß werden. Angler und Fischer haben diese natürliche Konkurrenz durch große Raubfische natürlich längst registriert. „Wir sitzen sehr viel länger als früher, bis wir was an der Angel haben.“

Um überhaupt erst einmal etwas an den Haken zu bekommen, muss man in Sachsen-Anhalt übrigens wie in kaum einem anderen Bundesland Prüfungen bestehen, Kurse belegen, Scheine machen, Gebühren zahlen.

„Hier herrscht Fischereischeinpflicht. Dafür muss man richtig büffeln und eigentlich ist das Lernstoff für den Fischwirt“, erzählt Reiner Michna und blickt neidvoll auf Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo man viel unkomplizierter – schon aus touristischen Gründen – angeln kann.

Aber Reiner Michna will nicht klagen, einer hundertjährigen Vereinsgeschichte können solche Widrigkeiten nichts anhaben. Wenn der Volksangeltag am Sonnabend neue Mitglieder bringt, umso besser. Die Jugendgruppe kann Nachwuchs gebrauchen und bei sechs Frauen im Verein ist weibliche Verstärkung auch ein Thema. Aber womöglich ist Angeln doch eher Männersache. „Einen Fisch anfassen, töten und ausnehmen ist schon sehr speziell“, weiß Michna.

Auch mit Hubsteiger

Nach dem Angeln gibt es am Sonnabend Erbensuppe und Bockwurst, die Feuerwehr hat sich mit ihrem Hubsteiger für einen schönen Blick über das Gelände angekündigt und es soll ein Fliegenfischen, also Zielwerfen mit der Angelschnur geben. Dann also Petri Heil. (mz)