1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Wittenberg
  6. >
  7. Vogelschutz Kreis Wittenberg: Vogelschutz Kreis Wittenberg: "Moorochsen" im Schilf

Vogelschutz Kreis Wittenberg Vogelschutz Kreis Wittenberg: "Moorochsen" im Schilf

Von Henrik Klemm 09.05.2016, 17:44
Axel Schonert, Claudia Künne, Friedrich Ruthenberg und Martin Jordan (v. l. n. r.) beim beobachten der Vogelwelt am Gremminer See.
Axel Schonert, Claudia Künne, Friedrich Ruthenberg und Martin Jordan (v. l. n. r.) beim beobachten der Vogelwelt am Gremminer See. Henrik Klemm

Wittenberg - Ein eindringlicher Ruf durchbricht das lustige Gezwitscher ringsum. Fast klingt es so als blase jemand mit all seiner Lungenkraft über die Öffnung einer leeren Weinflasche. Tief und dumpf dringen die Laute aus dem Röhricht am Gremminer See. Die Sonne schickt sich an, nach oben zu klettern.
Es ist Sonnabend gegen fünf Uhr, das Birdrace beginnt auch im Landkreis Wittenberg. Zwei Teams - die „Elbregenpfeifer“ und die „Elbkraniche“ - starten ihre Tour gemeinsam, sie wollen möglichst viele Vogelarten bestimmen.

Das Birdrace wird alljährlich vom Dachverband Deutscher Avifaunisten veranstaltet. Der Verein - ein Zusammenschluss landesweit aktiver und vieler regionaler ornithologischer Fachverbände - hat sich mit dieser 24-Stunden-Aktion im Mai das Ziel gestellt, möglichst viele Menschen für die Vogelwelt und die Mitarbeit an Erfassungsprogrammen zu begeistern. Letztlich steht der Natur- und Vogelschutz im Vordergrund des etwas anderen Wettbewerbs.
In diesem Jahr gingen am 7. Mai deutschlandweit 291 Teams mit über 1 000 Teilnehmern an den Start, um die verschiedenen Vogelarten anhand ihres Aussehens oder ihres Gesangs zu bestimmen. In Sachsen-Anhalt hatten sich acht Teams angemeldet, darunter zwei aus dem Landkreis Wittenberg.

Die „Elbregenpfeifer“ (Axel Schonert, Friedrich und Maxi Ruthenberg) sowie die „Elbkraniche“ (Claudia Künne, Martin Jordan und Mareen Donath) waren mit Erfolg im Landkreis unterwegs. Rasch füllten sich die Erfassungsbögen, auf denen zweifelsfrei bestimmte Vogelarten notiert werden. Für die „Elbregenpfeifer“ standen 140 registrierte Arten, darunter 73 Singvögel, zu Buche. Das war Platz zwei in Sachsen-Anhalt und der 25. in Deutschland. Die „Elbkraniche“ waren fast gleichauf und schafften 132 Arten (Platz drei in Sachsen-Anhalt, Platz 40 bundesweit). Der Sieger in Sachsen-Anhalt - das Team „Corax“ aus dem Saalekreis - konnte 144 Vogelarten bestimmen. Bundessieger sind die Männer von „Cuxland“, die rund um Cuxhaven insgesamt 167 Arten im Verlauf des Tages bestimmt haben.

Seit 2010 wird durch Spenden, die Teams beim Birdrace erhalten, der Aufbau des Internetportals ornitho.de unterstützt, das im Oktober 2011 startete und seither faszinierende Einblicke in das vogelkundliche Geschehen gibt. Mit den diesjährigen Spenden werden erneut Betreuung, Unterhalt und Weiterentwicklung des Portals unterstützt. Im Frühling lässt sich durch ornitho.de beispielsweise der Fortschritt im Frühjahrszug tagesaktuell nachvollziehen, etwa wann und wo die ersten Schwalben beobachtet werden, die Fitisse singen oder wie West- und Ostzieher beim Weißstorch zeitlich gestaffelt in den Brutgebieten ankommen. Wer mehr erfahren möchte, kann sich hier informieren.

„Eine Rohrdommel, einfach herrlich“, freut sich der erfahrene Ornithologe Axel Schonert über den ungefähr 80 Zentimeter großen Vogel, den er jedoch genau wie die anderen Vogelfreunde nicht zu Gesicht bekommt. Früher, sagt Schonert leise, haben die Leute die scheue und seltene Vogelart „Moorochse“ genannt. Was für ein Name!
Mauersegler, Möwen, ein erster Pirol, eine Rohrweihe, Schwarzhalstaucher - langsam füllen sich die Listen. Claudia Künne schlägt zur Sicherheit in einem Vogelführer nach, schließlich muss alles korrekt sein. Sie hat es sich an ihrem Hochzeitstag nicht nehmen lassen, mit auf Pirsch zu gehen. Seit 2014 beschäftigt sich die Coswigerin intensiver mit der Ornithologie, beobachtet und fotografiert. Die Kliekener Aue ist das Heimatrevier der Polizistin, die ihre freien Tage gern fürs Hobby nutzt.

Mareen Donath aus Düben ist wie Künne zum ersten Mal beim Birdrace dabei. „Bis jetzt macht es Spaß“, sagt die Arzthelferin lachend und notiert rasch einen Sperber. Der fliegt von Staren verfolgt vorbei, ein kleines Vögelchen hält er in den Fängen.
Am Gröberner See, hier gelingt tags zuvor dem Tierfotografen Thomas Hinsche das oben stehende Foto von der Rohrdommel, tönt es wieder aus dem Schilf. Balzende „Moorochsen“, das vergisst man nicht. Zumal es seit Ewigkeiten im Landkreis keinen Brutnachwuchs von den gefährdeten Vögeln gibt.
Es ist bereits acht Uhr und eine Trauerseeschwalbe zieht die ganze Aufmerksamkeit auf sich. „Eigentlich brüten die hier nicht“, sagt Schonert und freut sich mit seinen Mitstreitern über die Entdeckung.
Dann trennen sich die Teams, die „Elbregenpfeifer“ zieht es erst einmal in die Dübener Heide. Am Schloss Reinharz singt die Gebirgsstelze, Teichhühner sind zu hören. Bei Merschwitz rüttelt ein junger Raufußbussard über einem Rapsfeld. „Wirklich außergewöhnlich. Als Wintergast müsste er schon lange gen Norden gezogen sein“, erklärt Schonert.
Dann geht’s Richtung Elbe. Um die Mittagszeit herrscht reger Betrieb auf dem Elberadweg. Freundlich grüßen die Radler und blicken verwundert auf Ferngläser und Spektive. Am Klödener Elbufer tummeln sich derweil Flussseeschwalben, die wohl auf Fliegenjagd sind. Schonert hat sie seit zwei Jahren im Kreis Wittenberg nicht gesehen. Jetzt sind sie wieder da.
Auf der anderen Seite des Dammes werden Felder abgeerntet. Ein Festmahl für Greifvögel. Der Nachmittag wird recht lang, über 100 Arten haben die Beobachter registriert. Da ist Neues schwer zu finden. In der Oranienbaumer Heide gibt es ein paar Wiedehopfe, die auf Nahrungssuche sind. Am Abend wird es dann noch einmal richtig spannend - Sumpfohreulen sind der Grund dafür. Sie balzen auf den Elbwiesen bei Bleddin. „Eine Brut der extrem seltenen Art - hier bei uns - wäre ein echter Knaller“, sagt Schonert und wird die Sumpfohreulen, die wohl das Mäuseangebot überzeugt hat, im Blick behalten. Sollten sie wirklich brüten, dann muss alles für ihren Schutz getan werden. (mz)

Brüten Sumpfohreulen in der Elbaue bei Bleddin?  Die Balz ist jedenfalls in vollem Gange.
Brüten Sumpfohreulen in der Elbaue bei Bleddin?  Die Balz ist jedenfalls in vollem Gange.
M. Jordan