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Theologie-Student verhaftet Theologie-Student verhaftet: Ausstellung zur Sprengung der Leipziger Uni-Kirche

Von Marcel Duclaud 08.06.2017, 09:01
Die neue Ausstellung in der Stadtkirche von Bad Schmiedeberg lässt Zeitzeugen zu Wort kommen. Thema ist die Sprengung einer Kirche.
Die neue Ausstellung in der Stadtkirche von Bad Schmiedeberg lässt Zeitzeugen zu Wort kommen. Thema ist die Sprengung einer Kirche. Thomas Klitzsch

Bad Schmiedeberg - Das war unerhört - und nicht vorgesehen in der DDR: Nikolaus Krause hat im Mai des Jahres 1968 Unterschriften gesammelt gegen die geplante Sprengung der Leipziger Universitätskirche, die einer Neugestaltung des zentralen Platzes weichen sollte.

Ein Protest war das nicht wirklich: „Nicht konfrontativ“, erinnert sich der 72-jährige Dresdener bei einem Gespräch in Bad Schmiedeberg über die dramatischen Tage vor 49 Jahren. Vielmehr eine Bitte um eine öffentliche Diskussion in einem Brief an den Leipziger Stadtarchitekten.

Etwa 100 Kommilitonen - Krause war damals Student an der theologischen Fakultät der Karl-Marx-Universität - unterzeichneten das Schreiben, das er im Rathaus abgab.

Zunächst passierte nichts, es gab keinerlei Reaktion. Bis zum September 1968, als Krause plötzlich verhaftet wurde, er blieb bis Januar in Einzelhaft im Stasigefängnis in Leipzig und ist schließlich in einem nichtöffentlichen Prozess zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, wegen „Staatsverleumdung“.

Das ist lange her, aber nicht vergessen. Die Universitätskirche St. Pauli, ein nicht zuletzt kulturhistorisch bedeutsamer Bau, wurde am 30. Mai 1968 gesprengt.

In Erinnerung ist das Nikolaus Krause, wie vielen anderen, nach wie vor: „Das war ein Symbol, ein sehr bewusster Abschied vom Abendland. Bis heute lässt mich das nicht in Ruhe.“ Auch die bitteren Monate im Gefängnis, zuletzt in Cottbus, wird er nicht los: „Ich bin unendlich verletzt.“

Krause ist Zeitzeuge und außerdem der Bruder des Pfarrers von Bad Schmiedeberg, Christoph Krause. Der hat eine Wanderausstellung in die Stadtkirche von Bad Schmiedeberg geholt, die an die Sprengung der Leipziger Universitätskirche vor 49 Jahren erinnert - und zur Eröffnung seinen Bruder eingeladen.

Kantor Otto-Bernhard Glüer spielte bei der Gelegenheit eines jener Stücke, die im letzten Gottesdienst vor der Sprengung erklangen auf der historischen und unwiederbringlich zerstörten Orgel der Universitätskirche.

Vor der Sprengung, erinnert sich der Zeitzeuge, haben sich regelmäßig Menschen an der Kirche versammelt „und wegführen lassen“ - mal 15, mal 50. „Heute würde man Sitzstreik dazu sagen.“ Krause betont aber auch: „Wir waren ziemlich alleine.“

Und danach habe sich eine Art Mehltau über die Stadt gelegt. Der pensionierte Pfarrer aus Dresden hadert mit der Geschichte, ein bisschen auch mit seinem Gott: „Warum lässt er zu, dass zerstört wird, was sich nie wieder aufbauen lässt?“

Dass es ihm ein persönliches Anliegen ist, die Ausstellung des Archivs Bürgerbewegung in Bad Schmiedeberg zu zeigen, leugnet Christoph Krause nicht. „Die Verhaftung meines Bruders war ein Schock für die Familie. Meiner Mutter hat es das Herz gebrochen.“

Sie starb kurz darauf. Zudem kamen Erinnerungen hoch an die Zeit, die der Vater im Konzentrationslager der Nazis in Sachsenburg verbracht hatte, weil er auf die Verhaftung von anderen Pfarrern aufmerksam gemacht hatte. Zudem war die Familie der Universitätskirche sehr verbunden: „Meine beiden Eltern stammen aus Leipzig und kannten die Kirche gut.“

Die Ausstellung, die einen Monat lang zu sehen ist, lässt auf 19 Rolltafeln Zeitzeugen zu Wort kommen, eben zum Beispiel Nikolaus Krause. Gezeigt werden Momente der Zivilcourage und des offenen Widerstandes. Auch wenn sie spärlich waren.

Neben der Unterschriftensammlung gab es eine weitere unerhörte Aktion. Beim Bach-Wettbewerb am 20. Juni 1968 ist ein Plakat enthüllt worden, auf dem zu lesen stand: „Wir fordern Wiederaufbau“. Was eine „gewaltige Aufklärungsmaschinerie der Stasi“ in Gang setzte.

Urheber des Plakates war Stefan Welzk, der einen Zeitauslöser nutzte, um das Entrollen zum richtigen Zeitpunkt zu ermöglichen. Ihm gelang die Flucht.

Die im Jahr 1240 geweihte Klosterkirche galt als eine der ältesten Universitätskirchen in Deutschland und in ihrer kunsthistorischen Ausstattung als reichstes Gotteshaus Leipzigs. Die Staatsmacht, die ihre eigene Denkmalschutzverordnung außer Kraft setzte, versuchte auch noch die Bergung der historischen Ausstattung zu verhindern.

Das gelang ihr nur zum Teil. Durch mutigen Einsatz konnten zumindest etwa 80 Prozent der beweglichen Kunstschätze gerettet werden.

Geöffnet sind Kirche und Ausstellung täglich (außer montags und mittwochs) von 10 bis 12 und von 15 bis 17 Uhr - oder nach vorheriger Anmeldung unter Tel. 034925/7 02 82. (mz)