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Porzellanwerk in Annaburg Porzellanwerk in Annaburg: Abkehr vom weißen Gold

Von Klaus Adam 17.10.2019, 10:42
Das Luftbild gibt einen Gesamteindruck des ehemaligen Porzellanwerkes in Annaburg. Am unteren Bildrand: das Rathaus
Das Luftbild gibt einen Gesamteindruck des ehemaligen Porzellanwerkes in Annaburg. Am unteren Bildrand: das Rathaus Thomas Christel

Annaburg - Mit einem Paukenschlag beginnt die Stadtratssitzung am Dienstagabend im Annaburger Rathaus. „Mein Name ist Haas. Ich bin der neue Eigentümer des Porzellanwerkes.“ So stellt sich der schlanke grau-blonde Mann im dunklen Anzug den Stadträten vor. In einer rund zwanzigminütigen Präsentation erklärt er sich und das Projekt, das er in den nächsten Jahren auf dem Areal des insolvent gegangenen Traditionsbetriebes verwirklichen möchte.

Start mit den Dächern

„Wir sind erstmal geplättet“, kommentiert Annaburgs Bürgermeister Klaus-Rüdiger Neubauer (parteilos) später den Vortrag des gebürtigen Österreichers. Der allerdings betont, seit 20 Jahren im Osten Deutschlands seinen Lebensmittelpunkt gefunden zu haben. Was das frühere Porzellanwerk betrifft, hat Rudolf Haas mit der O.EW Annaburg 1 GmbH und Co. KG bereits eine Firma gegründet, deren Geschäftsführer er ist.

Als einen der ersten Schritte seines Vorhabens in Annaburg nennt er die Sanierung der großen Hallendächer. „Wir haben dort rund 20000 Quadratmeter Dachfläche, die in sehr schlechtem Zustand ist“, erklärt Haas. „Bis Ende des Jahres wollen wir bereits erste Dächer sanieren und mit Photovoltaik belegen“, benennt der Wahl-Frankfurter ein erstes ehrgeiziges Ziel.

Mit einem großen Photovoltaikprojekt hat sich der gelernte Forstwirt nach seiner politischen Karriere (siehe auch „Forstwirt mit politischen Ambitionen“) selbständig gemacht. „Es wurde Zeit, nicht mehr zu reden, sondern etwas zu tun“, umschreibt er seine Rückkehr in die Wirtschaft - allerdings mit der Hinwendung zu erneuerbaren Energien in eine neue Branche.

„Mein Anliegen war immer, die Energiewende voranzubringen“, erklärt Rudolf Haas den Annaburger Räten seine Intention. Innerhalb von vier Wochen sei im Herbst 2012 der 145 Megawatt leistende Solarpark in der Nähe des Flugplatzes Neuhardenberg (Brandenburg) errichtet worden, erwähnt Haas mehrmals. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Bundesregierung die Förderung von Photovoltaikanlagen zurückfuhr.

Neue Projekte

Seither entwickele er weitere Projekte in diese Richtung. Etwa verfolge er gemeinsam mit der Stadt Fürstenwalde/Spree seit 2013 ein Vorhaben, die Stadt künftig „zu hundert Prozent aus eigenem Aufkommen mit Energie zu versorgen“. Er denkt weiter, will die Erzeugung und Nutzung der regenerativ erzeugten Energie durch künstliche Intelligenz so steuern lassen, dass Bedarfsspitzen besser ausgeglichen werden.

Fische und Pflanzen

Doch die Intentionen des Projektentwicklers Annaburg betreffend gehen noch weiter. Unter das Stichwort Aquaponik fasst Rudolf Haas den nächsten Schritt. Das Verfahren verbindet Fischaufzucht mittels Aquakulturen mit dem Kultivieren von Nutzpflanzen.

Damit läuft er bei Bürgermeister Neubauer offene Türen ein. „Das kenne ich, das betreibe ich auch zu Hause - im Kleinen.“ Der MZ erläutert er am Mittwoch im Nachgang die Funktion: „Das Filterwasser aus dem Fischteich leite ich über ein Rohrsystem an Töpfe mit Salat. Der wächst damit wie wild“, schwärmt Neubauer.

Auch Haas erklärt der MZ im Nachgang: „Es wird in Annaburg erstmal eine Pilotanlage aufgebaut. Da werden wir sehen, ob das so wie vorgesehen funktioniert.“ In den riesigen Produktionshallen des Porzellanwerkes wolle er dann mehretagig solche Anlagen aufstellen. „Wir rechnen mit einem Arbeitskräftebedarf von 50 Menschen pro Hektar“, schürt Haas schon mal Erwartungen.

Auch wenn, wie er erfahren habe, ein Abriss der alten Bausubstanz zumindest mal im Gespräch war, denkt er daran nicht. „Wir wollen die Backsteingebäude mit einbeziehen“, sagt er und bestätigt eine entsprechende MZ-Nachfrage: „Ja, auf den großen Backsteingebäuden liegt Denkmalschutz.“ Aber: Das Projekt werde seine Zeit brauchen, sagt der Eigentümer. Er spricht zunächst von drei, vier Jahren.

„Ich habe erstmal viel Hoffnung“, sagt Bürgermeister Klaus-Rüdiger Neubauer zur MZ. Mehr sagt er noch nicht.

Forstwirt mit politischen Ambitionen

Rudolf Haas, der Projektentwickler, wurde 1955 in der Steiermark/Österreich geboren. Auf der Webseite seiner Firma „enfo.biz“ gibt er Auskunft über seinen Lebens- und Berufsweg. Die wesentlichen Stationen teilte er auch „live“ den Annaburger Stadträten mit. Demnach ist er Diplom-Forstwirt. Bis 1999 war er vorrangig in Bayern in leitenden Positionen in der Forstbranche tätig. Anschließend leitete er eine Forst-Servicegesellschaft in Radebeul bei Dresden als geschäftsführender Gesellschafter.

Haas engagierte sich auch politisch. Er war unter anderem fünf Jahre Bundesschatzmeister des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland). Zwei Jahre wirkte er auch als Landessprecher von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen. In seiner derzeitigen Wahlheimat Frankfurt/Oder ist er Mitbegründer einer Bürgerinitiative.

(mz)

Dieser Teil des Bauensembles gehört dem Förderverein Porzellaneum. Er will eine Schaumanufaktur einrichten. Fördergeld gab es schon.
Dieser Teil des Bauensembles gehört dem Förderverein Porzellaneum. Er will eine Schaumanufaktur einrichten. Fördergeld gab es schon.
Thomas Christel