Naturschutz bei Vockerode Naturschutz bei Vockerode: Warum Studenten heimische Eichenarten untersuchen

Vockerode - Scharfe Augen sind von Vorteil. Auf der umzäunten Fläche sprießen jede Menge Stängel empor. Doch wo in all dem grünen, manchmal mehr als kniehohen Dickicht sind die Eichen verborgen? Silja Lena Carle, Catharina Lorenz, Martina Helmchen und Marie Heinemann, die eben noch durch Disteln stapften, haben indes keine Mühe, die noch sehr dünnen Stämme zu entdecken und ihre Arbeit aufzunehmen.
Das Quartett belegt an der Hochschule Anhalt im vierten Semester den Studiengang Naturschutz und Landschaftsplanung. Auf die Fläche westlich der Autobahn 9 bei Vockerode hat sie Annett Baasch gebeten. Die Vertretungsprofessorin für Landschaftspflege und Gehölzkunde möchte, dass die jungen Frauen auf freiem Feld den Blick für die Praxis schulen.
Baasch nennt das Projekt „Elbauen bei Vockerode“ vom WWF Deutschland für die Studierenden eine „absolute Spielwiese“. Aktuell geht es darum, dass die Studentinnen bei der Aufnahme der frisch angelegten Eichen-Areale ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ausgerüstet mit Klemmbrett und Zollstock, macht sich jeweils ein Duo daran, die Höhe der jungen Eichen zu ermitteln. Eine misst, die andere notiert. Auch Angaben zur Belaubung - manchmal handelt es sich bloß um ein einziges Blatt - werden aufgezeichnet. Die Studentinnen sammeln Mosaiksteine für eine auch vergleichende Untersuchung: Welche Variante entwickelt sich besser?
Für das Projekt „Elbauen bei Vockerode“ ist in gewissen zeitlichen Abständen auch Nele Klimmer mit ihrer Kamera unterwegs. Für den Internet-Auftritt des WWF Deutschland stellt sie Video-Aufnahmen zur Verfügung. Damit wird das Projekt auch mit Hilfe ständig aktualisierter bewegter Bildern begleitet und dokumentiert. (mz/ab)
Informationen finden sich unterwww.wwf.de.
Es sind nämlich drei verschiedene „Modelle“, denen das Forschungsinteresse gilt. Auf einer Fläche sind mehrere Eicheln auf einem Fleck ausgelegt worden. Sie stammen von alten einheimischen Eichen, ausgestattet mit einem besonderen Erbgut. Der WWF hat sie extra für die „Nester“ in der Region einsammeln lassen. Carola Schuboth, die das Elbauen-Projekt betreut, kann bereits einschätzen, dass wohl 80 Prozent von den ins Erdreich gelangten 300 Kilogramm aufgegangen sind.
„Die Keim- und Etablierungsrate ist gut“, findet sie. Zumal sich die Schäden, resultierend aus der zwischen den Reihen durchgeführten Mahd, in Grenzen hielten. „Hut ab vor der verantwortlichen Firma“, lobt Schuboth. Die zweite Variante, frische Eichen anzusiedeln, greift auf Pflänzlein zurück, die ihre erste Daseinsphase in der Baumschule erlebten.
In diesem geschützteren Umfeld blieben sie mindestens eine Vegetationsperiode. „Bei ihnen wäre eine höhere Ausfallrate normal“, findet Carola Schuboth. Und schließlich gibt es drittens auch noch die Möglichkeit, die Eichenwinzlinge in einer Wuchshülle gedeihen zu lassen. Dies wurde bei Vockerode ebenfalls praktiziert. Das entsprechende Gelände entstand im Herbst 2013. Annett Baasch hat für ihre Studentinnen, die sich den mehrfach besiedelten „Nestern“ widmen, mithin noch einen kleinen Spezialauftrag formuliert. Sie sollen Gruppen selektieren, wo zwei, drei, vier oder gar fünf Eichen gekeimt sind.
Jede der Gruppen besteht aus 15 Nestern. Beobachtet werden soll, wie sich die arteigene Konkurrenz - die Eiche ist eine für Hartholzauenwälder charakteristische Baumart - zum Beispiel bei der Vitalität und Größe auswirkt. „Vielfalt schafft Vielfalt“, meint Carola Schuboth zum spannenden Methoden-Mix auf den Eichelsaat-Flächen. „Jede dritte Pflanze wird von den Studenten bei der praktischen Arbeit vor Ort vermessen und bewertet. Das geht super. Und aus statistischer Sicht reicht das für akkurate Ergebnisse aus“, erläutert Annett Baasch.
Eindringlich warnt die Hochschullehrerin den Laien davor, sich von optischen Kennzeichen wie etwa einem zum Teil nur sehr geringen Austrieb auf eine falsche Fährte locken zu lassen und von einer schwächelnden Pflanze auszugehen. „Wir sehen nur das Oberirdische“, unterstreicht sie. Und meint, dass ein junger Baum seine Kräfte durchaus zuerst in die Tiefe investieren kann, um genügend Standsicherheit zu entwickeln.
Aufforstung und Grünlandentwicklung sind in dem Bereich nicht voneinander zu trennen, weiß Carola Schuboth. „Alles nimmt langsam Formen an. Doch man muss Geduld haben. Das ist ganz wichtig.“ Jenseits des Maschendrahtzauns, der die Eichen schützt, sind ihr zufolge 28 Arten angesät worden. Letztlich fanden sich 23 auf der Wiese wieder. Eine kleine Flutrinne und ein paar modellierte Mulden geben der Fläche Struktur. Aus Wasserpfützen können Oasen werden.
„Es ist sehr schön, dass sich verschiedene Entwicklungsstadien und Altersunterschiede erkennen lassen“, freut sich Annett Baasch angesichts von Hahnenfuß, Wiesenmargerite, Kuckucks-Lichtnelke und Hornklee auf dem für die Region so typischen Auengrünland. Der Raps bildet da noch eine Art Relikt. Er stammt von den landwirtschaftlich genutzten Flächen ringsum. Bevor er sich zu arg vermehrt, kommt es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt zu mähen und die „Ernte“ von der Fläche holen.
„Das mindert den Konkurrenzdruck für die Zielarten. Wenn die Samen der Rivalen bereits wieder verstreut sind, würde das allerdings nicht klappen“, mahnt Carola Schuboth. Deswegen die möglichst punktgenaue Mahd auf Arealen, die aus der Warte von Annett Baasch für große praktische Projekte mit Studenten super sind. Was gingen für Pflanzenarten auf? Welche sorgen für Deckung? Das sind nur zwei Fragen von vielen, mit denen sie sich beschäftigen. (mz)